Western (2017)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Showdown in der bulgarischen Provinz

Western. Wie das Genre. Zwei Cowboys, der eine gut, der andere böse. Eine Kleinstadt irgendwo in der Einöde. Eine Frau, die zwischen den beiden steht. Und dann die Frage nach der Dominanz. Wer wird gewinnen? Wer zieht schneller seinen Colt, wer klärt das Mächteringen zu seinen Gunsten und wer frisst am Ende Staub?

Doch wir sind weit weg von amerikanischen Wilden Westen. Wir sind in Bulgarien. Die staubige Landschaft ist gar nicht so staubig. Da sind Berge. Und Wälder und ein wunderschöner Fluss mit Steinen. „Der Fluss is’ aber im Weg!“, sagt Vincent (Reinhardt Wetrek), der Vorarbeiter der kleinen Gruppe deutscher Bauarbeiter, die den Job angenommen haben, ein Kraftwerk zu bauen, da irgendwo in Bulgarien. Sie wissen nicht mal wo. Und wollen es eigentlich auch nicht. Sie sind hier, um zu bauen. Das können sie. Besser als alle anderen, besser als die Bulgaren. Es wird gelacht, Bier getrunken und dann wird gebaggert, da am Fluss in der brennenden Hitze, die ihre Häute noch mehr versengt, noch rot-brauner und krachlederner werden lässt. Eine Fahne wird gehisst am Haus, in dem sie wohnen. Die deutsche Fahne natürlich. Meinhard (Meinhard Neumann) ist neu im Trupp. Er ist der Stille, der immer ein bisschen abseits sitzt, viel beobachtet, wenig sagt. Ein wortkarger Cowboy, ein James-Stewart-Typ, nur knochiger, verbrannter, mit noch stechenderen Augen. Und Vincent ist Charles Bronson. Fleischig, ein bisschen fies dreinblickend. Die Tage vergehen. Die ersten bulgarischen Frauen werden am Fluss gesichtet. Vincent bedrängt sie, will sie dominieren. Sie gehen. Dann gibt es plötzlich kein Wasser mehr, dann kommt der Kies nicht. Man kommt nicht voran. Und Meinhard ist dauernd weg. Im Dorf, er sucht Anschluss, lernt dort Leute kennen. Adrian (Syuleyman Alilov Letifov) zum Beispiel und Tania (Viara Borisova). Er erzählt, er sei mal Fremdenlegionär gewesen. Den Rest versteht keiner, die Sprache kommt dazwischen. Es wird mit Händen und Füßen gearbeitet und getrunken. Aber der schwelende Konflikt lässt sich nicht verhindern, er liegt in der Luft wie ein sich ankündigendes Gewitter. Doch im Gegensatz zum klassischen Western ist er nicht einfach schwarz und weiß.

Valeska Grisebach lässt sich viel Zeit beim Erzählen dieser Geschichte. Die Montage ist oft assoziativ, aussparend und zeigt in Sprüngen einen losen Zusammenhang, der viel Platz lässt für Interpretationen. Langsam, ganz langsam entspinnt sich die Geschichte, die meinst bei Meinhard bleibt. So assoziativ die Bilder, so scharf aber die Beobachtung. Western ist schon fast eine anthropologische Studie, ein Feldversuch, der ganz genau studiert, wie sie sich verhalten, diese Menschen, nein, diese Männer. Männer aus Deutschland. Bauarbeiter. Die allein sind und weit weg. Die Stolz finden in ihrer Arbeit und ihrem Können, aber auch in ihrer Nationalität. Was heißt „deutsch sein“ eigentlich für sie? Eine Fahne hissen? Nein. Es ist vor allem die Idee, ein wenig erhabener zu sein. Ein wenig besser, ein wenig klüger, ein wenig stärker. Der kleine Nationalismus, er reicht tief, und die Schwelle zur Xenophobie ist schnell überschritten. Vor allem bei Hitze und Bier. Die bulgarischen Männer aus dem Dorf spüren diese Erhabenheit. Sie kontern sie mit der Gelassenheit des Platzhirsches, der weiß, dass dies sein Revier ist. Da kommt auch gern die Kiesladung mal nicht an. Ist halt so.

Doch auch unter sich, egal ob deutsch oder bulgarisch, gibt es Riten, Balztänze, Rituale, Hierarchien. Männlichkeit ist kompliziert. Vor allem in einer Welt, wo der Kapitalismus und die Geldnot schneller emaskulieren als alles andere. Es ist eben nicht so einfach wie im Western, wo man mit Colts, einem guten Spruch und einer Geste der Bringer ist. Der Held, der Legionär. Grisebach dokumentiert detailliert die Maskulinitätsrituale, die Stellungskämpfe. Da wird ein Wasserhahn zur ultimativen Probe der Dominanz über alle anderen, ein Pferd zum Symbol von Freiheit, Unterwerfung und Privileg, eine Frau ein Besitz, den es zu erobern gilt. Und irgendwo, irgendwann gibt es dann doch eine Annäherung über Dominanzen, Sprach- und Ländergrenzen hinweg. Doch Solidarität gilt nur, solange man einen Vorteil davon hat.

Wer das Duell letztendlich gewinnt, ist egal. Vielleicht kommt es nicht einmal dazu. Und wenn doch, dann anders als im Film. Viel wichtiger ist in Western die Beobachtung, das langsame Erkennen dieser Erfahrungen, dieser Identitäten. Und diese werden, und das ist das wahrlich interessante und revolutionäre, aus Frauensicht gezeigt. Grisebachs Team waren fast ausschließlich Frauen. Die DarstellerInnen fast ausschließlich Männer. Das Beobachten des anderen Geschlechts, hier ist es umgedreht, neugierig, präzise und verdammt spannend.

Western (2017)

„Western“. Wie das Genre. Zwei Cowboys, der eine gut, der andere böse. Eine Kleinstadt irgendwo in der Einöde. Eine Frau, die zwischen den beiden steht. Und dann die Frage nach der Dominanz. Wer wird gewinnen? Wer zieht schneller seinen Colt, wer klärt das Mächteringen zu seinen Gunsten und wer frisst am Ende Staub?

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Meinungen

Kim · 24.08.2017

Was soll man sagen....
Ungewöhnlicher Film, in dem Gewöhnliches passiert. Interessant ja, unterhaltend nicht unbedingt.