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Vor 30 Jahren gaben die „Fantas“ ihr erstes Konzert auf einer improvisierten Bühne aus Europaletten. Heute sind Die Fantastischen Vier die erfolgreichste deutsche Hip-Hop-Band. Was schweißt sie zusammen und denken sie nie ans Aufhören? Thomas Schwendemann liefert in „Wer Vier sind“ spannende Antworten.

Wer 4 sind (2019)

Eine Filmkritik von Simon Hauck

Bevor wir fallen, fallen wir lieber auf

Zuerst einmal muss das Sofa passen. Denn die ursprüngliche Couch für eine der längeren Interviewpassagen in Thomas Schwendemanns unterhaltsamen Band-Porträt „Wer Vier sind“ ist schlichtweg zu klein. Selbstverständlich packen alle „Fantas“ recht schnell zusammen an – und wie so oft in scheinbar festgelegten Rollen: Während der stille Mastermind und Soundtüftler And.Ypsisoln wie gewohnt im Hintergrund raucht und das Geschehen leise überwacht, dirigiert Michi Beck, der intellektuelle Kopf der berühmtesten Hip-Hop-Band Deutschlands, streng wie ein Dirigent den Transport einer größeren Couch ins Studio hinein. Und vorneweg erleben wir in Felix Raitz von Frentz’ mitunter ironisch beobachtenden Bildern die beiden Posterboys der schwäbischen Deutschrapper: Smudo und Thomas D als umgängliche „working class heroes“ – immer mit einem flotten Spruch auf den Lippen und sich selbst nie allzu ernst nehmend.

In dieser visuell zwar wenig spektakulären, aber thematisch dafür umso gelungeneren Mini-Szene reißt der Münchner Regisseur Thomas Schwendemann (Schmucklos) im Grunde schon den narrativen Gesamtkontext seines gelungenen Dokumentarfilmporträts an, das in erster Linie als aufschlussreicher Fan- und Musikfilm funktioniert und im Subtext auch jede Menge über den deutschsprachigen Popzirkus seit der Wiedervereinigung erzählt. Eben nur Zusammen, wie einer der größten Hits der Fantastischen Vier heißt, funktioniert diese Band seit nunmehr drei Dekaden.

Trotz oder gerade wegen aller individuellen Unterschiede, was sich zwischen raren Archivaufnahmen und pulsierenden Konzertszenen, genauso wie in vielen intimen Momenten quasi wie von selbst auf den Zuschauer überträgt. Dabei haben die vier ungleichen Musiker durchaus schon öfter ans Aufhören gedacht („Sind wir noch kreativ genug? Gehören wir schon zu den alten Säcken?“) und nicht erst, weil jeder von ihnen schon jenseits der 50-er Marke ist, was in der gegenwärtigen Popszene durchaus ein biblisches Alter darstellt.

Aber wie lautet nun das Erfolgsgeheimnis jener Band, deren Anfänge in den späten 1980ern liegen, als Michael Bernd Schmidt (alias Smudo) und Andreas Rieke (aka And.Ypsilon) als Terminal Team begannen Musik zu machen, ehe daraus 1989 mit zwei neuen Rappern im Schlepptau schließlich die Fantastischen Vier wurden? „Da ist oft viel Pennälerhumor dabei. Das ist auch nach 30 Jahren noch so und hält ihre Freundschaft am Leben“, erläuterte Thomas Schwendemann seine persönlichen Eindrücke während der einjährigen Drehzeit dem Premierenpublikum im Sommer, wo sein Musikerporträt auf dem Filmfest München uraufgeführt wurde. Nur so haben es seiner Meinung nach die vier schwäbischen Freunde als Musikgruppe über einen dermaßen langen Zeitraum überhaupt miteinander ausgehalten und sich immer wieder aufgerafft, musikalisch neue Wege zu beschreiten.

Denn (Platten-)Millionäre sind Smudo, Thomas D, Michi Beck und And.Ypsilon, die bekanntermaßen auch seit Jahren als Musikexperten im Privatfernsehen oder als Dozenten tätig sind, bereits seit vielen Jahren: idyllischer Privatbauernhof „in der Superpampa“ (Thomas D) oder schicke Hamburger Großstadtwohnung sowie aufwendige Hobbys (wie Motorsport bei Smudo) inklusive. Geld müssen sie längst nicht mehr mit ihren einfallsreichen Wortkaskaden („ARD, ZDF, C&A, BRD, DDR und USA, BSE, HIV und DRK, GbR, GmbH, ihr könnt mich mal“) verdienen, für die sie 2018 unter anderem mit dem Jacob-Grimm-Preis ausgezeichnet wurden. Viele ihrer Songzeilen („Ist es die da!?“) oder Rap-Titel (Sie ist weg) sind in den Radiostationen nach wie vor enorm populär – und mitunter schon im Deutschunterricht gelandet, was jedem von ihnen eine sichere Rente garantiert.

Ihre spezielle Mixtur aus tanzbaren Hip-Hop-Beats und überwiegend eingängigen wie humorvollen Texten kommt eben einfach gut an: bei Fans der ersten Stunde, aber inzwischen auch genauso bei Lehrern, die beispielsweise Deutsch als Fremdsprache unterrichten. Gespickt durch kurze Szenen mit befreundeten Musikern (wie Samy Deluxe, Curse oder Clueso), Crew- und Bandmitgliedern unterhält Wer Vier sind über weite Strecken auf famose Weise, wenngleich in diesem Dokumentarfilmformat naturgemäß nur selten wirklich neue Einsichten zu gewinnen sind.

Dafür ist man zum Beispiel hautnah dabei, wenn Clueso den WM-Hit Zusammen im Studio aufnimmt, was Fanherzen sicherlich höherschlagen lässt. Am spannendsten sind aus diesem Grund immer jene Passagen, in denen die „Fantas“ vor der Kamera ebenso glaubhaft wie aufschlussreich über Sinnkrisen sinnieren („Was wollten wir von diesem Erfolg aus noch erreichen?“) oder auch mit durchaus gemischten Gefühlen in die (musikalische) Zukunft blicken. Denn schneller als man denkt, ist auch das einst noch so schicke Ziegenbärtchen ergraut – und der Wohlstandsbauch wächst bedrohlich: selbst bei vier fantastischen Rappern.

Wer 4 sind (2019)

Ihre WM-Hymne „Zusammen“ aus dem letzten Jahr ist noch in unser aller Ohren, Titel wie „Die da!?!“, „Sie ist weg“ und „MfG“ sind ohnehin unvergessene Klassiker: Während ihrer 30-jährigen Bandgeschichte haben uns Die Fantastischen Vier zahlreiche Hits beschert. Doch ans Aufhören denkt bei ihnen noch niemand. Dafür haben die vier Jungs einfach zu viel zu erzählen, wie dieser Dokumentarfilm beweist. Was ist das Geheimnis der erfolgreichsten Hip-Hop-Band Deutschlands? Was macht bei ihnen den Unterschied? Wie haben sie sich in der deutschen Popkultur durchgesetzt und über die Jahre entwickelt? Ein Blick hinter die Kulissen einer Band, die deutsche Musikgeschichte geschrieben hat und immer noch weiterschreibt. (Quelle: Filmfest München 2019)

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Meinungen

Max Pauer · 04.09.2019

Macht richtig Laune!!!