Welcome to New York

Ficken als Lebensaufgabe

Alter Sleazer trifft alten Sleazer, und heraus kommt ein Film über einen alten Sleazer. Strauss-Kahn, der 2011 als Direktor des Internationalen Währungsfonds zurücktreten musste, nachdem er in New York der versuchten Vergewaltigung angeklagt wurde, erscheint wie geschaffen für Regisseur Abel Ferrara und Hauptdarsteller Gérard Depardieu. Über zwei Stunden Fickificki, dazu noch modrige moralische Abgründe und jede Menge Gelegenheiten für blankziehende Ego-Ausflüge. Welcome to New York verortet sich irgendwo zwischen faszinierend, dröge und spekulativ.
In den ersten 30 Minuten des Films gibt es kaum richtige Dialoge, sondern lediglich Wortfetzen und animalische Laute. DSK heißt hier Devereaux und hat einen schier unstillbaren sexuellen Hunger, den er mit allerlei Nutten, Kollegen und noch mehr Nutten ausgiebig auslebt. Es scheint, als sieht sich der Mann, der kurz davor stand, zum französischen Präsidentschaftskandidaten ernannt zu werden, in einer unantastbaren Glamourwelt, die sich nur um ihn und seine Gelüste dreht. Scheiß auf Bierbauch und Runzelpo, jetzt wird penetriert, gesoffen und vielleicht auch mal lecker vergewaltigt.

Nach diesen 30 Minuten kommt das für die Affäre verantwortliche Zimmermädchen ins Spiel und damit ist erstmal Schluss mit Fickificki. Devereaux wird verhaftet, angeklagt und einer ausgiebigen polizeilichen Untersuchung ausgesetzt, bei der er nur seine Frau (Jacqueline Bisset) auf seiner Seite wissen kann – eine eher tragische Figur, die ihren Mann sowohl liebt als auch erduldet. Und nun erkennen muss, dass ihre durchaus strategische Nähe keine weiteren finanziellen, beziehungsweise größeren staatstragenden Früchte abwerfen wird.

Ab der Verhaftung schlägt Welcome to New York einen für Ferrara typischen mäandrierenden Tonfall an, der den weiteren Verlauf der Affäre peinlich genau nachzeichnet und dafür sogar damals anwesende Polizisten vor die Kamera zerrt. Der Film wirkt nun streckenweise wie eine Dokumentation, die schon auch noch weitere Sexerlebnisse einstreut, doch ansonsten vor allem einen gestrandeten, alten Mann beim Sturz nach unten zeigt. Was in Gestalt von Depardieu eine doppeldeutige Botschaft aussendet, doch genauso vor allem in den gemeinsamen Szenen mit Jacqueline Bisset rohe Intensität erreicht.

Hier dürfen nämlich beide Schauspieler beweisen, dass sie richtig gut schauspielern können, und speziell Depardieu muss noch zugestanden werden, absolut furchtlos und mit deutlich mehr Einsatz als in den meisten seiner anderen Filme der letzten Jahre zu Werke zu gehen. Ein Mann hält seine Wampe frontal in die Kamera…und rumpelt durch eine menschliche Bestandsaufnahme, die zunehmend das macht, was Abel Ferrara schon vor 20 Jahren besser hätte bleiben lassen sollen – nämlich alles zerdehnen, alles zerfleddern, auf gar keinen Fall Stringenz aufkommen lassen und eine schludrige Inszenierung an den Tag legen, die aus formaler Sicht keinerlei Bock entwickeln mag.

Über zwei Stunden dauert Welcome to New York, und am Ende fühlt man sich nicht allzu gut. Mal wieder, bezogen auf Abel Ferrara, der hier wie immer sein ganz eigenes Ding abzieht und dafür mindestens Respekt verdient. Verbiegen ist bei dem Mann kaum noch drin, doch irgendwie erscheint es zunehmend wie ein Wunder, dass dieser seit Jahrzehnten neben jedem Publikum wurschtelnde Regisseur immer wieder Geldgeber findet. Fickificki mit Depardieu – zumindest in Frankreich dürften diese beiden Argumente reichen, um einen unverdienten Erfolg einzufahren.

(Martin Beck)

Anmerkung der Redaktion: In Deutschland und in anderen Ländern ist Welcome to New York allein über VOD zu sehen, zum Beispiel bei Watchever oder auch bei iTunes.

Welcome to New York

Alter Sleazer trifft alten Sleazer, und heraus kommt ein Film über einen alten Sleazer. Dominique Strauss-Kahn, der 2011 als Direktor des Internationalen Währungsfonds zurücktreten musste, nachdem er in New York der versuchten Vergewaltigung angeklagt wurde, erscheint wie geschaffen für Regisseur Abel Ferrara und Hauptdarsteller Gérard Depardieu.
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