Weinberg - Im Nebel des Schweigens (Serie)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Angst, Wein, Wahn und Mord

Schwer hängen die Nebelschwaden über den Rebflächen des Ahrtals, einer Landschaft, die vielleicht lieblich sein könnte, entzöge ihr nicht der bleigraue Himmel jegliche Farbe. Sowieso erscheint es fraglich, ob die hohen Berge, die das Tal und den kleinen Ort Kaltenzell umgeben, jemals Sonne hineinlassen, zu sehen ist sie jedenfalls kein einziges Mal. Und eine Tote, die eines Morgens über einem Rebstock hängt — noch dazu die amtierende Weinkönigin der kleinen Gemeinde.

Der Mann, der sie findet, ist ein Fremder (Friedrich Mücke), ein Wanderer, der scheinbar zufällig und ohne Gedächtnis in den Weinbergen erwacht und dessen verwirrter Blick zunächst die Tote erfasst und dann wenig später einen verstörten Jungen, der wie er im Weinberg umherstreift. Orientierungslos und ohne jede Erinnerung betritt er wie in einem Western der Revolverheld das Wirtshaus, berichtet von seinem Fund und sieht dabei nur in abweisende, ungläubige Gesichter, die kaum von ihren Weingläsern aufschauen. Dann schließlich, als sich doch widerwillig ein Trupp in Gang setzt, scheint alles nur ein Traum gewesen zu sein, denn von der Leiche gibt es keine Spur und wenig später steht die Totgeglaubte wieder vor ihm, als sei nichts geschehen. War das alles nur Täuschung? Zunächst denkt man das, bis dann tatsächlich genau das geschieht, was der Fremde vorhersah: Die Weinkönigin Sophia Finck (Sinha Melina Gierke) ist tot und der stumme Junge Adrian (Jonah Rausch), den der Wanderer in seiner Vision sah, ist dringend tatverdächtig. Doch dann wird der Fall immer mysteriöser: Warum geben ihm manche Menschen in Kaltenzell zu verstehen oder lassen ihn glauben, dass man ihn, den Fremden, kenne? Überhaupt: Wer ist er eigentlich? Was von dem, was er um sich herum wahrnimmt, ist real und was nur Einbildung? Was hat es mit der vermummten Gestalt auf sich, dem „Krappenmann“, der der lokalen Mythologie entspringt? und wie hängt der Tod Sophies mit einem Ertrinken von Adrians Schwester vor einigen Jahren zusammen, die dem Fremden immer wieder erscheint, als wolle sie ihm etwas mitteilen?

Auch wenn es an manchen Stellen noch sicht- und hörbar knarzt im dramaturgischen Gebälk und vor allem in den Dialogen sowie im richtigen Augenmaß für Supsense und Spannungsbögen — insgesamt ist dem kleinen Bezahlsender TNT mit Weinberg etwas Erstaunliches gelungen: Eine deutsche Mystery-Serie, die zwar deutlich in die USA und vor allem zu Vorbildern wie Twin Peaks schielt, die sich aber dennoch der nationalen Eigenheiten bewusst ist und dies ansprechend umsetzt. Unterstützt von einer imposanten Darstellerriege (neben Mücke unter anderem Jenny Schily, Ronald Kukulies, Arndt Klawitter, Arved Birnbaum, Laura Tonke, Victoria Trauttmansdorff, Max Mauff und Gudrun Landgrebe) und mit stimmigem audiovisuellen Konzept, für das vor allem Till Frantzen, der Regisseur der ersten vier von insgesamt sechs Folgen verantwortlich zeichnet, ist Weinberg (vor kurzem bei StudioCanal auf DVD erschienen und derzeit erstmals im Free-TV bei Vox zu sehen) definitiv ein Schritt in die richtige Richtung, wenn es darum geht, Serienformate mit internationalem Appeal auch in Deutschland zu produzieren. Gemeinsam mit Club der roten Bänder (ebenso wie Weinberg von Jan Kromschröder produziert) und hoffentlich Tom Tykwers kommendem Serien-Coup Babylon Berlin könnte Weinberg dafür sorgen, dass auch hierzulande neue goldene Fernseh-Zeiten anbrechen werden. Als Film- und Kinokritiker weiß man freilich noch nicht, ob das eine gute oder eine schlechte Nachricht ist, hofft aber, dass die TV-Konkurrenz dem bislang oft zögerlichen Mut der Filmförderer und Kinofilm-Regisseure in Sachen Genre neue Impulse verleiht.
 

Weinberg - Im Nebel des Schweigens (Serie)

Schwer hängen die Nebelschwaden über den Rebflächen des Ahrtals, einer Landschaft, die vielleicht lieblich sein könnte, entzöge ihr nicht der bleigraue Himmel jegliche Farbe. Sowieso erscheint es fraglich, ob die hohen Berge, die das Tal und den kleinen Ort Kaltenzell umgeben, jemals Sonne hineinlassen, zu sehen ist sie jedenfalls kein einziges Mal.

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Meinungen

Peter Retep · 09.01.2020

Sehr sehenswerte Serie mit einigen guten Wendungen. Hat leider auch einige Längen. Aber insgesamt ziemlich gut, mit Abstrichen halbwegs glaubwürdig, dichte Atmosphäre, durchweg gute SchauspielerInnen. Ich würde 8/10 Punkten geben.

Justus vom Hofe · 26.01.2019

Weinberg hat mir gut gefallen. Eine der ersten neuen deutschen Serien, die sich hochqualitative amerikanische Serienproduktionen zum Vorbild nehmen und vom üblichen, simplen Handlungsrahmen der bisher in Deutschland üblichen Produktionen abweichen. Vor allem einige ironisch-witzig-boshafte Szenen sind echt gut. Hervorragende Leistung eines tollen Ensemble-Casts auf der schauspielerischen Seite. Die Auflösung der Story fand ich prima, und sie wird auch bis zum Schluß unter dem Deckel gehalten, der Zuschauer bekommt immer nur Andeutungen. Kenner werden vielleicht eine gewisse Inspiration durch die "Twin-Peaks" Serie ausmachen. Nicht alles ist dabei perfekt, aber es bleibt bis zum Schluss interessant. Ich kann das wirklich empfehlen. Eigentlich schade, dass die Serie beim breiten Publikum nicht auf größere Resonanz gestoßen ist, das hätte die Produktion eigentlich verdient. Auf jeden Fall anschauen, es lohnt sich.