Weekend (Jean-Luc Godard Edition 3)

Adieu au cinéma?

„Der Film ist zum Kotzen. Die sind doch alle bescheuert“, bemerkt Roland Durand (Jean Yanne) in einer Szene des abgefahrenen surrealistischen Roadmovies Weekend aus dem Jahre 1967, das sowohl formal als auch inhaltlich das wohl ungezähmteste Werk des französischen Filmemachers Jean-Luc Godard darstellt. Diese selbstreferentielle, enervierte Aussage des Protagonisten, der gemeinsam mit seiner Frau Corinne (Mireille Darc) eine apokalyptisch anmutende Reise durch eine ländliche Region Frankreichs durchleidet, kommentiert so krude wie treffend den Eindruck, den so mancher Zuschauer von dieser bösartigen, respektlosen Satire gewinnen mag, die im drastischsten Sinne der Nouvelle Vague einen Krater selbst in die Sehgewohnheiten der damals avantgardistischen Filmwelten schlug. Die häufigen, in Pop-Art-Manier erscheinenden Zwischentitel, die den fragmentarischen Charakter dieses provokanten Films fördern, gipfeln am Ende in den berühmten Slogan, der die Botschaft von Weekend abschließend plakatiert: „Ende der Geschichte. Ende des Kinos.“
Bereits vor der Haustür beginnen noch recht harmlos die im Verlauf der Dramaturgie heftig ansteigenden Unerquicklichkeiten der Durands auf dem Weg zu Corinnes Vater, der sein Testament angekündigt hat, von dem sich das Paar eine lohnenswerte Berücksichtigung erhofft. Roland rammt beim Ausparken den Wagen der Nachbarn, gerät damit gleich in den ersten Streit und braust rücksichtslos mit seiner Frau davon, einem unauslotbaren Abenteuer entgegen. Unfälle, Staus, brennende Autos, gewalttätige Weggefährten, Kannibalen, bewaffnete Rebellen und weitere Katastrophen hält die Landstraße für das Paar bereit, das sich nach Verlust seines Fahrzeugs schließlich querfeldein und per Anhalter durch eine Welt schlägt, die gerade komplett aus den Fugen gerät.

Es sind drastische Bilder, Dialoge und Geschehnisse, die Jean-Luc Godard in chaotisch wirkender, geradezu diabolischer Gestaltungsfreude zu einer beißenden Satire arrangiert, die in nur scheinbar wahlloser Folge mit markanten Referenzen aus politischer Geschichte und fiktiven Geschichten durchzogen ist. Weekend, oder als entbundener Originaltitel Week End, der die finalistische Ausrichtung des Films betont, gelingt es in direktiver, dreister Manier, den Zuschauer in einen ratlosen Rausch aus unorthodoxen Impressionen zu verwickeln, sei es in rasant inszenierten Brutalitäten oder aber in bewusst beschaulich-schaurigen Betrachtungen wie dem berühmten Stau, der mit beharrlicher Langsamkeit minutenlang vorüberzieht.

A Hard Rain’s A-Gonna Fall schrieb und sang Bob Dylan 1962, und die schwelende Endzeitstimmung dieses legendären Protestsongs und seine inhärenten Mahnungen und Warnungen mit ihrem soziopolitischen Hintergrund drängen sich als Seelenverwandte des Szenarios von Jean-Luc Godards Week End auf, dessen Gesellschafts- und Filmkritik hier keine Selbstbezüge scheut. „Ein Film, verirrt im Kosmos, ein Film, gefunden im Schrott“, lautet das ungnädige Motto einer Schrifteinblendung, das die eigene Verblendung nicht ausschließt. Letztlich ist weder die Geschichte zu einem stimmigen Schluss gelangt, noch ist das Kino zu oder am Ende. Doch der gefeierte Auteur der Nouvelle Vague setzt mit Week End, dem Un film comme les autres (1968) folgte, eine bedeutsame Interpunktionsmarke innerhalb seines Schaffens und in filmgeschichtlicher Hinsicht, deren deutliche Botschaft sowie vages Postulat sich angenehm widerborstig in diesem vielschichtigen Werk niederschlagen. Der mittlerweile 82jährige Filmemacher hat seinem neusten Film, der sich gerade in der Post-Produktion befindet, den verheißungsvollen Titel Adieu au langage verpasst – man darf gespannt sein, welcher Abschied sich dahinter verbirgt.

(Marie Anderson)

(Weekend ist im Rahmen der Jean-Luc Godard Edition 3 bei Arthaus erschienen, die neben diesem Film noch Die Außenseiterbande, Eine verheiratete Frau, Godard trifft Truffaut, JLG/JLG — Godard über Godard und Maria und Joseph enthält. Weekend ist derzeit in Deutschland nicht als Einzeltitel erhältlich)

Weekend (Jean-Luc Godard Edition 3)

„Der Film ist zum Kotzen. Die sind doch alle bescheuert“, bemerkt Roland Durand (Jean Yanne) in einer Szene des abgefahrenen surrealistischen Roadmovies „Weekend“ aus dem Jahre 1967, das sowohl formal als auch inhaltlich das wohl ungezähmteste Werk des französischen Filmemachers Jean-Luc Godard darstellt.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen