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Der neue Filme von Your Name-Schöpfer Makoto Shinkais ist eine wunderschöne Romanze – hinterlässt mit einer fragwürdigen klimapolitischen Botschaft aber Fragezeichen.

Weathering with You - Das Mädchen, das die Sonne berührte (2019)

Eine Filmkritik von Christian Neffe

Grauer Sommer in der Großstadt

So sehr uns der Klimawandel global betrifft, so unterschiedlich sind seine lokalen Folgen: Während wir in Deutschland 2020 den dritten Dürre-Sommer in Folge erlebt haben, nehmen die Niederschläge und Starkregenereignisse in Japan seit Jahren zu. Ein Phänomen, das auch an Anime-Schöpfer Makoto Shinkai nicht vorbeigegangen zu sein scheint, etabliert der Autor und Regisseur in seinem jüngsten Film und Nachfolgewerk zum internationalen Anime-Hit Your Name doch eben jene Regenfälle als Prämisse einer Handlung, die vordergründig nur eine (weitere) Liebesgeschichte ist. In der die Veränderung von Wetter und Klima jedoch die Grundpfeiler eines mystisch angehauchten Plots bilden – und dessen Conclusio mindestens fragwürdig ist.

Hodaka hat keine Lust mehr. Keine Lust mehr auf das Leben in seinem kleinen Dorf, auf seine Schule, auf seine Familie. Und auf den Regen. Hodaka will in die große Stadt, nach Tokio, wo er auf eine neue Perspektive und einen sonnigen Sommer hofft. Letzterer fällt jedoch wortwörtlich ins Wasser: Die grauen Wolken, die konstanten Niederschläge scheinen Hodaka bei seiner Flucht in die japanische Hauptstadt zu verfolgen. Kaum ist er da, hört der Regen nicht mehr auf. Immerhin wird Hodaka bei der Suche nach einem Job fündig: Durch Zufall stößt er mit dem Herausgeber eines Okkultismus-Magazins zusammen, beginnt obskure Geschichte zu recherchieren und findet in einer jungen Kellnerin ein geeignetes Subjekt für seine nächste Story.

Hina ist ihr Name, und sie scheint – entgegen der meisten Geschichten, die Hodaka bislang aufgetrieben hat – tatsächlich magische Kräfte zu besitzen und die Verkörperung der japanischen Legende des sogenannten Sonnenscheinmädchens zu sein: Ein kurzes Gebet genügt, und dort, wo Hina steht, durchstößt die Sonne die Wolken, erhellt den Ort des Geschehens und die Gemüter der Menschen. Und da Japan nicht nur das Land der Mythen und des Shintoismus, sondern auch das des Turbo-Kapitalismus ist, und da sowohl Hodaka als auch Hina sowie ihr kleiner Bruder Nagisa, um den sie sich seit dem Tod der Mutter allein kümmert, Geldprobleme haben, machen die drei aus Hinas Begabung ein florierendes Geschäft: Sie stellen ihre Dienste Familien, Feiernden, Heiratenden zur Verfügung, um ihnen ein wenig Sonne und sich selbst einen vollen Geldbeutel zu bescheren. Doch das fordert irgendwann seinen Preis.

Dass aus der anfangs zögerlichen, später immer engeren Beziehung zwischen Hina und Hodaka alsbald eine Romanze erwächst, ist – selbst wenn man Shinkais Meisterwerk Your Name nicht kennt (was man in diesem Fall dringend ändern sollte) – keine Überraschung. Im Hinblick auf die dramat(urg)ischen Folgen, die daraus und aus der drohenden Entzweiung beider Figuren erwachsen, sind sich beide Filme ebenfalls ähnlich: Auch in Weathering with you sind die großen, pathetischen Emotionen und Momente (durchbrochen durch einige Albernheiten) omnipräsent, was das Beziehungsgeflecht zwischen den beiden Hauptfiguren und den um sie herum agierenden Nebencharakteren aber nicht weniger sympathisch und liebenswert macht.

Verstärkt wird diese Emotionalität durch Shinkais famoses Spiel mit Wetter- und Witterungszuständen: In den trüben Pfützen, den funkelnden Regentropfen, den gleißenden Sonnenstrahlen, den tosenden Wellen am Hafen Tokios spiegeln sich die Gefühlswelten der Figuren visuell wider. Und – natürlich – sieht das alles fantastisch aus. Shinkai und sein Animationsteam (mit Art Director Hiroshi Takiguchi an der Spitze) sorgen mit präziser Linienführung, enormer Detailverliebtheit, einem perfekten Spiel mit Licht und Schatten sowie visuellen Akzenten dafür, dass sich immer wieder kunstvolle Einstellung mit hypnotischer, ja geradezu magischer Ausstrahlung entwickeln – die angesichts der dominierenden Aufnahmen der grauen, verregneten Kulisse Tokios allerdings in der Minderzahl sind.

Wo die Optik verzaubert, hinterlässt die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema Klimawandel Fragezeichen. Unter der Fassade der Mystery-Romanze findet die bis zum finalen Akt zwar kaum statt, rückt dann jedoch umso deutlicher in den Vordergrund – und lässt Kitsch über Altruismus und Vernunft dominieren. Die Zerstörung von Natur und Lebensraum wird dann wohlwollend zugunsten der Liebe in Kauf genommen. Und ohnehin, so darf eine Figur schon in der Mitte des Films widerspruchslos behaupten, sei die Überzeugung, der Mensch könne das Wetter durch sein Verhalten irgendwie beeinflussen, reine Hybris. Ob das nun pure Naivität ist oder bewusste politische Agenda: Dass Weathering with You mit einer solchen Pointe endet, hinterlässt einen seltsamen Beigeschmack.

Weathering with You - Das Mädchen, das die Sonne berührte (2019)

In „Weathering with You“, dem neuen Film von Makoto Shinkai („Your Name — Gestern, heute und für immer“) geht es um den Oberschüler Hodaka Morishima, der aus seinem Heimatort nach Tokio zieht und dort auf die mysteriöse Hina Amano trifft, die in der Lage ist, das Wetter kontrollieren zu können.

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Meinungen

Schalk · 17.01.2020

Ich war gestern Abend in Zürich mit dabei und der Film hat mir super gut gefallen!!! Er hat zwar nicht ganz die Tiefe und Komplexität von »Your Name« was mich aber zu keinem Zeitpunkt gestört hat. Der Film ist auf jeden Falle ein ganz klares Highlight in der Filmwelt (Nicht nur unter den Animes).
Ich danke den Versnstaltern von ganzem Herzen und hoffe auf noch viele weitere Anime-Vorstellungen hier in der Schweiz! (Ich habe darauf hin gleich die BD Collectors Edition vorbestellt)