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Das Patchworkfamilien-Konzept im Komödiengewand: Ein 13-Jähriger ist von 4 (Halb-)Geschwistern, 2 Cousinen und 8 Erziehungsberechtigten umgeben – und entwirft einen unkonventionellen Wohn-Plan.

Wohne lieber ungewöhnlich (2017)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Abenteuer Großfamilie

Viele (Liebes-)Komödien enden mit der Aussicht auf eine Hochzeit – dieser Film beginnt indes mit einer: Sophie (Julie Gayet) und Hugo (Lucien Jean-Baptiste) geben sich das Jawort, doch es ist für beide nicht das erste Mal. Süffisant kommentiert Sophies adoleszenter Sohn Bastien (Teïlo Azaïs) via Voice-over das Geschehen und präsentiert uns in raschem Tempo das familiäre Personal der Geschichte.

Bevor Sophie und Hugo gemeinsam den kleinen Gulliver (Sadio Diallo) bekamen, war Sophie bereits mit dem Casanova Philippe (Thierry Neuvic) sowie mit dem gutherzigen Claude (Philippe Katerine) verheiratet. Aus der ersten Ehe ging Bastien hervor, aus der zweiten die lebhafte Clara (Violette Guillon). Hugo war hingegen schon mit der überfürsorglich-strengen Babette (Claudia Tagbo) liiert und hat mit dieser den Teenager-Sohn Eliot (Benjamin Douba-Paris). Überdies war Bastiens Vater Philippe vor der Kurzzeit-Ehe mit Sophie bereits mit der leicht verhuschten Madeleine (Nino Kirtadze) zusammen und wurde so zum Vater des slackerhaften Oscar (Lilian Dugois).

Ferner zählt Sophies jüngere Schwester Agnès (Julie Depardieu) zur Patchworkfamilie, die wiederum mit ihrem nerdigen Ex-Gatten Paul (Arié Elmaleh) die strebsame Léopoldine (Luna Aglat) als Tochter hat und zudem die alleinerziehende Mutter von Juliette (Chann Aglat) ist. Aurore (Chantal Ladesou) – die exzentrische, zumeist angetrunkene Mutter von Sophie und Agnès – kann sich die Namen all ihrer Enkel und Stiefenkel inzwischen nicht mehr merken – und der 13-jährige Bastien hat den Glauben an die Liebe längst verloren, wenngleich er zärtliche Gefühle für seine neue Mitschülerin Alice (Louvia Bachelier) hegt.

Da er sowie seine 4 (Halb-)Geschwister und seine beiden Cousinen es zunehmend leid sind, zwischen ihren Erziehungsberechtigten hin- und herzupendeln, entwickelt Bastien einen Plan: Das Septett zieht heimlich in die leer stehende Wohnung von Eliots verstorbener Großmutter, um den Erwachsenen zu beweisen, dass es als Gruppe zurechtkommt – und unterbreitet den Eltern anschließend den Vorschlag, hier als Kinder- und Jugend-WG zu leben, mit jeweils zwei Erwachsenen, die nach dem Schichtprinzip als Aufsichtspersonen anwesend sein müssen. Nach anfänglichem Zögern stimmen sämtliche Elternteile zu – verschweigen dem Nachwuchs allerdings, dass die Wohnung bereits zum Verkauf angeboten wird.

Dass die Figuren über eine leer stehende, äußerst charmant ausgestattete Pariser Altbauwohnung mit sieben Zimmern und einer Whirlpool-Badewanne (!) verfügen, muss man als Prämisse des Plots schlichtweg hinnehmen. Das Drehbuch, welches Camille Moreau und Olivier Treiner in Zusammenarbeit mit François Desagnat und Romain Protat verfasst haben, sowie dessen Umsetzung durch Gabriel Julien-Laferrière sind kaum an einer sozialrealistischen Studie des Phänomens Patchworkfamilie interessiert; vielmehr geht es hier darum, auf komödiantischem Weg die Idee einer juvenilen WG durchzuspielen.

Wohne lieber ungewöhnlich zeigt eine Gruppe von (größtenteils Scheidungs-)Kindern, die im Zusammenhalt Kraft, Freude und Ausgelassenheit findet. Abgesehen von Bastien, aus dessen Perspektive die Geschichte überwiegend erzählt wird, und – mit einigen Abstrichen – dessen leiblichen Eltern Sophie und Philippe bleibt das Personal recht stereotyp. Erfreulicherweise werden die sieben Sprösslinge und deren Bedürfnisse jedoch durchweg ernst genommen: Sie mögen über die aktuellen Scheidungs-Statistiken informiert sein, oft sarkastisch daherreden und altklug mit Claude-Lévi-Strauss-Zitaten argumentieren, sind letztlich aber doch junge Menschen, die sich ein gewisses Maß an Stabilität und einen Ort ohne die belastenden Beziehungsprobleme und Konflikte der Erwachsenen wünschen.

Das Werk profitiert ungemein davon, dass das Kinder-Ensemble stark spielt und sehr gut miteinander harmoniert, weshalb man es dieser jungen Schar sofort glaubt, dass sie sich wirklich umeinander sorgt. Der Humor driftet dabei nur selten ins allzu Alberne ab. Bastiens Großmutter Aurore ist um eine Spur zu karikaturesk gezeichnet und die Vertreibungsaktion eines potenziellen Käufers aus der Wohnung bewegt sich etwas zu abgedroschen in den Gefilden des US-Anarcho-Hits Kevin – Allein zu Haus; weitgehend entwickelt sich der Witz indessen aus der titelgebenden ungewöhnlichen Wohnsituation der Figuren und lässt dabei viel Sympathie für den einfallsreichen Nachwuchs erkennen. Das macht Julien-Laferrières Film insgesamt zu einer unterhaltsamen, mitfühlenden Erzählung.

Wohne lieber ungewöhnlich (2017)

Sophie und Hugo sind frisch verliebt, haben einen kleinen bezaubernden Sohn namens Gulliver, und wollen heiraten. Von Sophies skeptischen Sohn Bastien wollen sie sich dabei nichts vermiesen lassen. Bastien hat schon zu viele Väter kommen und gehen sehen und weil nicht nur Sophie nach drei Ehen drei Kinder hat, sondern auch die Väter fleißig weiter heiraten, ergibt das eine beinahe unglaubliche Patchwork-Arithmetik, die immer mal wieder ein Chaos (und viel mehr) bedeutet.

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