War Photographer

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Das Auge des Krieges

Kaum zu glauben, dass dieser Mann mit dem markanten Gesicht, den grauen Haaren und der leisen Stimme einer der berühmtesten Kriegsreporter unserer Zeit ist. James Nachtwey, so der Name des Mannes, hat so gar nichts von einem jener Draufgänger an sich, als den wir uns gemeinhin – auch dank Filmen wie The Bang Bang Club – einen Fotografen vorstellen, der nahezu alle Krisenherde der letzten zwei Dekaden kennt und selbst bereist hat. In seinem Film War Photographer aus dem Jahre 2001 hat der Schweizer Regisseur Christian Frei James Nachtwey mit der Filmkamera begleitet. Das Ergebnis ist das einfühlsame Porträt eines beeindruckenden Mannes und ein Film, der auch heute noch, 11 Jahre nach seiner Fertigstellung, nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat.
Wie viele andere seiner Generation (geboren wurde Nachtwey am 14. März 1948 in Syracuse im US-Bundesstaat New York) wurde auch der heute bekannteste Kriegsfotograf der Welt geprägt von den Erschütterungen des Vietnamkrieges. Unter dem Eindruck der Ereignisse in Fernost beschloss Nachtwey um das Jahr 1972 herum, selbst auf die Jagd nach den Bildern zu gehen, die ihn aus Vietnam kommend so sehr erschütterten. Doch bis es soweit war, bis er wirklich den Mut dazu zusammennehmen konnte, um diese Aufgabe auf sich zu nehmen, sollte es noch eine Weile dauern. Zunächst studierte Nachtwey auf dem Dartmouth College Kunstgeschichte und Politikwissenschaften, arbeitete anschließend als LKW-Fahrer und auf Handelsschiffen, bevor er Assistent eines Nachrichtenredakteurs bei NBC in New York wurde. 1976 begann er seine Tätigkeit als Fotograf in Mexiko, seit 1980 wirkt er mittlerweile als freier Fotograf in New York, ein Jahr später begann seine Karriere als „War Photographer“ mit Aufnahmen von den Unruhen in Belfast in Nordirland. Seit damals ist Nachtwey auf allen Kriegsschauplätzen der Welt unterwegs, er war in Lateinamerika, im Nahen Osten, in Afrika, in Südafrika zur Zeit des Endes der Apartheid, in der Sowjetunion und in den Ländern des ehemaligen Jugoslawien, in Tschetschenien und in Afghanistan.

Christian Freis beeindruckender Dokumentarfilm, der die Widersprüchlichkeiten und moralischen Grauzonen keineswegs ausspart, beginnt 1999 während des Kosovo-Krieges. Wir sehen, wie Nachtwey scheinbar ungerührt vom ihn umgebenden Chaos seine Bilder macht, Belichtungszeiten misst und immer wieder das Gespräch mit den Menschen sucht, die er fotografieren will. Und man ahnt schnell, dass diese Kontaktaufnahme vielleicht das sein könnte, was ihn von anderen Kriegsfotografen unterscheiden könnte. In den Gesprächen drückt sich eine tiefe Ernsthaftigkeit aus, ein Respekt gegenüber den Menschen, als deren Stimme oder vielmehr Auge sich Nachtwey sieht: „In einem Krieg gelten die normalen Umgangsformen nicht mehr“, so sagt Nachtwey an einer Stelle. „Es wäre im ‚normalen Leben‘ undenkbar, in ein Haus zu gehen, wo die Familie einen Toten betrauert und dort lange zu fotografieren. Diese Bilder sind nur machbar, weil man mich akzeptiert. Es ist einfach unmöglich, solche Bilder zu machen ohne die Mithilfe der Menschen. Ohne dass sie mich willkommen heißen, mich akzeptieren und da haben wollen. Sie verstehen, dass der Fremde mit der Kamera der Welt zeigt, was ihnen widerfährt. Das verleiht ihnen eine Stimme.“

Nachtwey sieht sich selbst in erster Linie als „Augenzeugen“ dessen, was in der Welt passiert: „I have been a witness, and these pictures are my testimony. The events I have recorded should not be forgotten and must not be repeated“, so heißt es auf seiner Homepage. In den Gesprächen, die die dokumentarischen Aufnahmen immer wieder unterbrechen, wirkt Nachtwey sehr ruhig und überlegt, beinahe langsam gar und bestimmt nicht wie jemand, der selbst gerne im Fokus eines Objektivs steht. Großsprecherei und Angeberei, so vermitteln diese Passagen, sind nicht seine Sache und spiegeln seine Motive in keiner Weise wieder.

Neben Nachtwey selbst kommen vor allem Kollegen und Wegbegleiter wie Christiane Amanpour, Chefkorrespondentin bei CNN, Hans-Hermann Klare, Ressortleiter Ausland beim Stern, Christiane Breustedt, Chefredakteurin Geo Saison, Des Wright, Kameramann bei Reuters sowie Denis O’Neill, Drehbuchautor, und Nachtweys bester Freund zu Wort und werfen Schlaglichter auf eine Persönlichkeit, die bei aller Nähe stets auch ein wenig distanziert bleibt. Beinahe so, als drücke Nachtwey in seiner Haltung aus, dass es hierbei nicht um ihn ginge, sondern um die Bilder, um die Tragödien, die sich dahinter verbergen. Und natürlich vor allem um die Menschen.

Ähnlich nah wie Nachtwey an seinen Motiven ist auch Christian Freis Kamera am Geschehen. Um den Blick des Fotografen, auch das vor ihm liegende Elend nachempfindbar, spürbar zu machen, gibt es immer wieder Aufnahmen einer Minikamera, die auf das Gehäuse von Nachtweys Apparat montiert ist. Wie die Aufnahmen der Handkamera vermeiden aber auch sie den Blick auf die expliziten Seiten des Krieges, auf Blutflecken, Körperteile oder Leichen und achten stets darauf, nicht den niederen Instinkten der Sensationsgier auf den Leim zu gehen.

Dass Christian Freis Film dennoch die Schrecken des Krieges sichtbar macht, ohne sie direkt im Bild zu zeigen und dass er in James Nachtwey eine Person porträtiert, die sich inmitten des Grauens dennoch einen großen Rest an Würde, Empathie und Menschlichkeit bewahrt hat, das macht War Photographer zu etwas ganz Besonderem. Was am Ende im Gedächtnis bleibt, ist die Erinnerung an einen Menschen, der in seiner scheinbaren Unerschütterlichkeit und darunter liegenden Emphase beinahe wie ein Phantom wirkt. Vor allem aber wirken seine Bilder nach – auch in diesem Film. Und das ist sicherlich ganz in Nachtweys Sinne.

War Photographer

Kaum zu glauben, dass dieser Mann mit dem markanten Gesicht, den grauen Haaren und der leisen Stimme einer der berühmtesten Kriegsreporter unserer Zeit ist. James Nachtwey, so der Name des Mannes, hat so gar nichts von einem jener Draufgänger an sich, als den wir uns gemeinhin – auch dank Filmen wie „The Bang Bang Club“ – einen Photographen vorstellen, der nahezu alle Krisenherde der letzten zwei Dekaden kennt und selbst bereist hat. In seinem Film „War Photographer“ aus dem Jahre 2001 hat der Schweizer Regisseur Christian Frei James Nachtwey mit der Filmkamera begleitet.
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