Vögel des Himmels

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Vogelfrei

Zwei Jahre ist dieser Film bereits alt. Und doch ist er nach wie vor aktuell und wird dies vermutlich auch noch lange bleiben. Was daran liegt, dass die Herausforderungen durch Flucht- und Wanderungsbewegungen mit zu den vordringlichsten Problemen dieses Jahrzehnts gehören.
Eliane de Latour, die Regisseurin von Vögel des Himmels / Les oiseaux du ciel ist von Hause aus Ethnologin, und das merkt man ihrem Film auch an. Das beginnt bereits mit der Wahl des Ortes, an dem die Handlung ihren Ausgangspunkt nimmt. Jahrelang hatte die Regisseurin als Anthropologin in Westafrika gearbeitet, und es ist kein Zufall, dass sowohl ihr erster Film Bronx-Barbès (2000) als auch Vögel des Himmels / Les oiseaux du ciel an der Elfenbeinküste spielen – hier kennt sie sich aus, weiß um Sprache und Mentalität der Menschen, kennt deren Denken, Fühlen und Handeln.

Shad (Fraser James) und Otho (Djédjé Apali) sind Freunde, die es in die Fremde zieht. Es ist Europa, das die beiden mittellosen, aber stolzen Männer lockt. Dort – da sind sie sich ganz sicher – werden sie ihr Glück finden, vielleicht sogar reich werden. In ihrem Selbstverständnis sind die beiden Krieger, die sich auf Beutezug befinden, demzufolge ist Moral hier nicht zu erwarten. Denn wenn man es erst einmal geschafft hat, fragt keiner mehr nach dem Wie, so das Credo der beiden Glücksritter. Doch das hat mit der schnöden Realität, die sie erwartet, wenig zu tun. Kaum in Europa geraten die beiden in eine Polizei-Razzia. Während Shad entkommen kann, wird Otho festgenommen, in seine Heimat abgeschoben und ist dort von nun an ein Geächteter, weil er es nicht geschafft hat. Unter dem Eindruck des Erlebten verwandelt sich Othos Ohnmacht in Wut gegen die Schattenseiten der Globalisierung und die Hegemonie des Nordens.

Shad zieht derweil weiter, von Spanien nach England und dann weiter nach Frankreich führt ihn seine Reise. Im Verlauf seiner Odyssee muss er ein ums andere Mal die Erfahrung machen, dass er sich das Leben in Europa leichter vorgestellt hat. Doch ohne Pass und Aufenthaltserlaubnis ist er am untersten Ende der Hierarchie angelangt. Und selbst unter den Einwanderern herrscht selten Solidarität, auch hier sind Rassismus und Unterdrückung an der Tagesordnung. Eines Tages lernt er die bisexuelle Französin Tango (Marie-Josée Croze) kennen, die ihm eine Scheinehe anbietet, mit der er sein Leben legalisieren kann…

Über weite Strecken äußerst beeindruckend in Szene gesetzt und mit viel analytischem Scharfsinn auf die komplexen politischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge ausgestattet, ist Eliane de Latours Spielfilm vom Ansatz her ein stimmiges Werk, das allerdings gegen Ende hin zu viele Themen und Figuren einführt. Dabei erweist sich vor allem die Beziehungsebene, die gegen Ende hin immer mehr Raum gewinnt, als Fallgrube, die allerdings die vielen guten Ansätze nicht überdecken kann. Insgesamt ein sehr sehenswerter Film, der aus der Binnenperspektive illegaler Einwanderer erzählt und der dafür sorgen könnte, dass wir diese fortan zumindest ansatzweise besser verstehen können.

Vögel des Himmels

Zwei Jahre ist dieser Film bereits alt. Und doch ist er nach wie vor aktuell und wird dies vermutlich auch noch lange bleiben.
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