Viva Cuba!

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Eine zauberhafte Hommage an die ungezähmten Freundschaften

Wer jemals in seiner Kindheit einen wahrhaften Freund hatte, mit dem er jenseits von konventionellen Grenzen in unbedingter, inniger Art verbunden war, wird in diesem ausgezeichneten kubanischen Kinderfilm einige kostbare Erinnerungen auffinden. Denn Viva Cuba! von Juan Carlos Cremata Malberti, der mit der schrägen Komödie Nada / Nothing More von 2001 bereits sein bemerkenswertes Spielfilmdebüt gab, verfügt offensichtlich nicht nur über präzise, differenzierte Kenntnisse der Beschaffenheit derartiger Freundschaften, sondern versteht es zudem mit beachtlichem Gespür für eine glaubwürdige Balance innerhalb der vielschichtigen Emotionen, auf dieser Basis eine ebenso witzige wie wache und dabei bewegende Geschichte zu inszenieren. Das Drehbuch dazu schrieb der kubanische Filmemacher gemeinsam mit Manolito Rodríguez, und bei der Regie arbeitete er mit seiner Mutter Iraida Malberti Cabrera zusammen, deren langjährige Arbeit als Choreographin und Kinderprogrammgestalterin für das Fernsehen ihr bereits einige internationale Würdigungen eingebracht hat.
Sie wachsen gleichaltrig in derselben Nachbarschaft auf, doch ihr Umgang miteinander wird von ihren Müttern (Luisa María Jiménez Rodríquez und Larisa Vega Alamar) absolut nicht gern gesehen und immer wieder mit einem Verbot belegt, an das sich Malú (Malú Tarrau Broche) und Jorgito (Jorge Miló) jedoch ganz und gar nicht halten. Denn die beiden Kinder sind insgeheim eng miteinander befreundet, mit Schwur und großer Ernsthaftigkeit, und auch wenn sie sich bei Zeiten über unterschiedliche Standpunkte der christlich erzogenen Malú und des zwangsläufig wie seine Eltern nüchtern-weltlich orientierten Jorgito streiten, stellen diese nur scheinbar unvereinbaren Haltungen noch längst keinen Grund dar, ihre Freundschaft in Frage zu stellen, die sich gerade durch ihre unverblümten Auseinandersetzungen äußerst lebendig gestaltet.

Als Malús geliebte Großmutter (Sara Cabrera) stirbt, stellen sich neben der abgrundtiefen Traurigkeit des Mädchens auch ganz existentielle Schwierigkeiten ein, denn ihre geschiedene Mutter plant nun durch eine Heirat mit einem Ausländer gemeinsam mit ihrer Tochter das kommunistische Kuba so bald wie möglich für immer zu verlassen, wofür sie nur noch die Genehmigung von Malús Vater benötigt, der sich am anderen Ende der Insel als Leuchtturmwärter niedergelassen hat. Für die verzweifelte Malú stellt diese Entwicklung eine Katastrophe dar, die ihr mit einem Schlag die gesamte Lebenswelt und vor allem den besten Freund zu rauben droht, und die gängigen Sprüche ihrer hilflosen Mutter, die mehr über sie als tatsächlich mit ihr spricht, dass man überall gute Gesellschaft finden könne, sind dabei wenig tröstlich. Doch als sie mit Jorgito die Lage erörtert, entflammen die beiden schließlich in der Hoffnung, Malús Vater (Abel Rodríguez) davon zu überzeugen, die Ausreisegenehmigung für seine Tochter schlicht zu verweigern. Lange hat er nicht geschrieben, der Papa, und doch machen sich die beiden Kinder heimlich auf den Weg zum verheißungsvollen Leuchtturm, der mit seinen Entbehrungen und Komplikationen eine empfindliche Zerreißprobe ihrer Verschworenheit darstellt …

Obwohl die Branche mitunter vor Neuerscheinungen in jeglichen Genres geradezu überschwappt, gibt es doch ganz besonders für das junge Publikum jenseits der vorherrschenden Trickfilmwelten nur allzu wenig Auswahl an wirklich guten Leinwandabenteuern. Sehenswerte Kinderfilme, die auch noch gleichermaßen kleinen wie großen Zuschauern gefallen und die Vorstellungs- und Lebenswelten ihrer Protagonisten mit humanem Humor jenseits der Lächerlichkeit stimmig und würdig repräsentieren, sind kostbare Raritäten. Viva Cuba! ist ein solches filmisches Kleinod, das auf deutschen Kinderfilmfestivals beispielsweise mit dem Schlingel und dem Sehpferdchen prämiert wurde und in Cannes den Preis der Kinderjury gewann.

Neben der schlüssigen, rasanten Geschichte, die im modernen Kuba verankert ist und damit auch sehr gekonnt installierte, sozialpolitische Tendenzen transportiert, sind es vor allem die ambivalente, so treffend inszenierte Betrachtung der kindlichen Freundschaft, die witzigen dramaturgischen Details und der permanent präsente Respekt vor den Gefühlen und Gedanken der Figuren, die Viva Cuba! zu einem außergewöhnlich intensiven und berührenden Film werden lassen, der mit seinem mitunter knallharten Realismus ein Abgleiten in eine seichte Sentimentalität verhindert. Die einzigen Befürchtungen bei diesem ebenso schlichten wie grandiosen Stoff bezogen sich auf das Ende der Geschichte, die in ihrer gesamten Länge erfolgreich die üblichen sich anbietenden Gefälligkeiten meidet. Doch auch diese finale Schwierigkeit meistert das Mutter-Sohn-Gespann Malberti so überraschend und elegant, dass weder eine geschmacklose Glorifizierung, noch ein letztlich zu erwartender Verrat an der Macht der Freundschaft stattfindet – eine schelmische Lösung, die diesen hinreißenden Film endgültig in die Kategorie wunderbar katapultiert.

Viva Cuba!

Wer jemals in seiner Kindheit einen wahrhaften Freund hatte, mit dem er jenseits von konventionellen Grenzen in unbedingter, inniger Art verbunden war, wird in diesem ausgezeichneten kubanischen Kinderfilm einige kostbare Erinnerungen auffinden.
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