Vier im roten Kreis (1970)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Großartige Filmkunst (beinahe) ohne glückliche Momente

Vordergründig ist Vier im roten Kreis ein sorgfältig inszenierter Krimi um einen Gangster auf der Flucht – Vogel, gespielt von Gian Maria Volonté –, den ordnungsgemäß entlassenen ehemaligen Häftling Corey (Alain Delon), der diesen unterwegs von Marseille mit nach Paris nimmt, den alkoholkranken einstigen Polizei-Scharfschützen Jansen (Yves Montand), der für den Überfall der beiden auf ein Juweliergeschäft angeheuert wird, sowie den alternden Commissaire Mattheï (Bourvil), dem Vogel im Zug nach Paris entkommt und der ihn nun um jeden Preis aufspüren will. Ein überwiegend wortkarges, emotionsarmes Bravour-Stück des französischen Filmemachers Jean-Pierre Melville über die unvermeidliche finale Begegnung dieser vier Protagonisten. Der Vorspann mit einem Zitat Gautama Buddhas betont diesen schicksalhaften Aspekt der komplexen Geschichte.

Frühzeitig aus der Haft entlassen taucht Corey zunächst einmal bei seinem früheren „Geschäftspartner“ Rico (André Ekyan) auf, um seinen Anteil an der Beute aus dem letzten Überfall zu kassieren, für den er einsaß. Ricos Zögerlichkeit begegnet er mit kaltem Kalkül, bedient sich kräftig am Tresor, aus dem er auch eine Waffe mitnimmt, und besorgt sich einen Wagen, um nach Paris zu fahren, denn vor seiner Entlassung erhielt er von seinem Wärter (Pierre Collet) den Tipp für einen äußerst lukrativen Coup dort. Während einer Rast bemerkt Corey, dass sich der entflohene Vogel in seinem Kofferraum versteckt, doch er setzt scheinbar ahnungslos seinen Weg fort. Es wird Vogel sein, der ihn später vor Ricos Schergen rettet, und damit wird wortlos ein Pakt zwischen den beiden Männern besiegelt, die augenscheinlich der Zufall vereint hat und deren Schicksal nun zusammenläuft.

Während Corey und Vogel den Raubüberfall auf einen Juwelier am Place Vendôme ausbaldowern und den Waffenspezialisten Jansen hinzuziehen, der sich aufgrund seiner Alkoholsucht zwar in einem erbärmlichen Zustand befindet, aber dennoch mit von der Partie ist, setzt der durch seine Unachtsamkeit derbe in Bedrängnis geratene Commissaire Mattheï alle Hebel in Bewegung, um Vogel zu schnappen. Durch den Nachtclubbetreiber Santi (François Périer), einen früheren Freund Vogels, den er mit der Verhaftung seines jugendlichen Sohnes (Jean-Marc Boris) erpresst, gelangt er auch auf die richtige Fährte. Corey, Vogel und Jansen, denen der Überfall gelingt, ahnen nichts von diesen Umtrieben Mattheïs und ebensowenig rechnen sie damit, dass auch Rico wieder seine Finger im Spiel hat, der nun mit Coreys einstiger Geliebten (Anna Douking) liiert ist …

Jean-Pierre Melville (1917-1973), der akribische, nüchterne Perfektionist des französischen Kinos, hat mit Vier im roten Kreis aus dem Jahre 1970, der nur im deutschen Titel eine Zahl führt, noch drastischer als bisweilen zuvor einen von unentrinnbarer Einsamkeit gezeichneten Männerfilm realisiert, in dem weibliche Figuren allenfalls marginal auftreten und der das Milieu von Gesetzeshütern und Gangsterschaft ohne moralische Grenzsetzungen als Vehikel für seine starken, gleichwohl kargen Charakterdarstellungen und Wendungen nutzt. Hier geht es nicht um Gut und Böse, sondern um ganz bestimmte Konstellationen der Protagonisten untereinander, die sich jenseits einer gewöhnlichen Sinnsuche wie Fremde in der eigenen Existenz bewegen. Spannend und atmosphärisch so dicht wie konsequent kommt dieser Thriller daher, der großartige Filmkunst (beinahe) ohne glückliche Momente markiert.
 

Vier im roten Kreis (1970)

Vordergründig ist „Vier im roten Kreis“ ein sorgfältig inszenierter Krimi um einen Gangster auf der Flucht – Vogel, gespielt von Gian Maria Volonté –, den ordnungsgemäß entlassenen ehemaligen Häftling Corey (Alain Delon), der diesen unterwegs von Marseille mit nach Paris nimmt, den alkoholkranken einstigen Polizei-Scharfschützen Jansen (Yves Montand), der für den Überfall der beiden auf ein Juweliergeschäft angeheuert wird, sowie den alternden Commissaire Mattheï (Bourvil), dem Vogel im Zug nach Paris entkommt und der ihn nun um jeden Preis aufspüren will.

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