Vergebung

Eine Filmkritik von Lida Bach

Erbarmungslos

Vergebung ist keine leichte Sache. Weder für Regisseur Daniel Alfredson, der nach Verdammnis zum zweiten mal einen Roman des 2004 verstorbenen norwegischen Erfolgsautors Sieg Larsson auf die Leinwand bringt, noch für die Kinozuschauer, die das zweieinhalb Stunden währende Finale der Millennium -Trilogie durchstehen muss. Noch weniger für die Sieg-Larsson-Leser, welche die wenig stringente Verfilmung der an die 900 Seiten dicken Buchvorlage ernüchtern dürfte. Erst recht aber für den, welcher sich der ermüdenden Tortur unterzieht, die gesamte rund siebenstündige Filmtrilogie anzusehen. Packend an Vergebung ist weder die Handlung noch dessen Inszenierung, sondern das Alfredsons Werk beweist, wie die geschickte Kombination von Stereotypen und Kalkulation zum Phänomen werden kann.
Der zweite Teil Verdammnis endete mit einem klassischen Cliffhanger. Nachdem sie ihren Vater Alexander Zalachenko (Georgi Staykov), der sie mit Hilfe ihres im wahrsten Sinne gefühllosen Halbbruders Niedermann (Mikael Spreitz) ermorden wollte, mit einer Axt verwundet hat, wird die schwer verletzte Computerhackerin Lisbeth Salander (Noomi Rapace) in ein Krankenhaus transportiert. Während Lisbeth dem ihr drohenden Gerichtsprozess entgegensieht, bekommt sie es mit dem altbekannte Krankenhausproblem lästiger Zimmernachbarn zu tun. Ihr Vater liegt im selben Hospital und plant Lisbeths Ermordung. Doch Agenten des Geheimdienstes, mit dem Zalachenko involviert war, geben den Ereignissen eine unerwartete Wendung. Nur auf einen Verbündeten kann Lisbeth, die weiterhin um ihr Leben bangen muss, sich noch verlassen: Journalist Michael Blomkvist (Michael Nyqvist), Herausgeber des auf die Enthüllung politischer und wirtschaftlicher Machenschaften spezialisierten „Millennium“-Magazins. Blomkvist sucht fieberhaft nach Beweisen, um Lisbeth zu entlasten. Der unbeugsamen jungen Frau droht eine erneute Einweisung in die Psychiatrie, wo sie als Kind die Bekanntschaft des durchtriebenen Dr. Teleborian (Anders Ahlbom Rosendahl) machte. Nicht der einzige Widersacher, dem Lisbeth erneut in die Augen sehen muss.

In Großaufnahme zeigt Alfredson, wie aus Lisbeths Körper eine Kugel entfernt wird, welche sie töten sollte. Die frühe Szene ist mehr als einer der blutigen Effekte, die den Thriller spicken. Lisbeths Verletzung soll an ihre Menschlichkeit und Verwundbarkeit, physisch und psychisch , erinnern. Beide werden ernsthaft in Frage gestellt, als die mehrfach angeschossene Heldin sich aus dem Grab schaufelt, in welchem sie eine Nacht unter der Erde verbracht hat. Nimmt man diese Szene als exemplarisch für die vielen Tode von Lisbeth, wäre „Auferstehung“ ein passenderer Titel für Vergebung gewesen. Doch die deutschen Fassungen der Filmadaptionen von Sieg Larssons Vorlagen beweisen genau wie die deutschen Übersetzungen der Romane wenig Gespür für eine schlüssige Verknappung der komplexen Romantitel des verstorbenen schwedischen Autors. Das Luftschloss, das gesprengt wurde nannte Larrson den dritten Band der „Millennium“-Trilogie. Der Titel spricht die in ihrer Vergangenheit begründete Wut, welche Lisbeth zunehmend auslebt, an, eine Wut, welche Vergebung zwar exzessiv, jedoch wenig authentisch inszeniert. Die in den vorangegangenen Romanverfilmungen Verblendung und Verdammnis von der mysteriösen Nebenfigur zur Heldin gewachsenen Lisbeth, mit glühendem Zorn gespielt von Noomi Rapace, wird zur personifizierten Rache. Die im Titel erwähnte „Vergebung“ widerfährt da niemandem. „Zalachenko schießt seine Tochter an, dann steht sie aus dem Grab auf, um ihm eine Axt in den Schädel zu hauen.“, sagt Dr. Teleborian: „Es ist wie eine klassische griechische Tragödie.“ Letztes mag für die Blutrünstigkeit und die epische Länge gelten, nicht aber für intellektuellen Anspruch und Tiefe. Alfredson will nicht die Seelen seiner Figuren erforschen oder moralische Zwiespälte ergründen, sondern schafft einen auf psychische und emotionale Schocks ausgerichteten Thriller, schnörkellos, aber wenig subtil inszeniert.

Vergebung erinnert mehr an einen Horrorfilm, in dem von Chemikalien bis zum Bolzenschußgeräte alles als Waffe dient. Lisbeth gleicht dem „Final Girl“, der klassischen Heldin des Horrorkinos, und ist somit keineswegs die Ausnahmefigur, welche die Kinoplakate der Filmreihe vermarkten. Lisbeths Unbesiegbarkeit und die komplizierten Verwicklungen der übrigen Figuren sind zu konstruiert und unwahrscheinlich, um Spannung zu wecken. „Ich glaube das einfach nicht.“, ruft einer der Schurken, als Lisbeth wieder einmal einem Mordanschlag entkommt. Da ist er nicht der einzige. Es bleibt der freilich recht zwiespältige Trost, dass die Filmtrilogie mit Vergebung beendet ist. Dennoch wird schon über neue Abenteuer Lisbeths und Blomkvists gemunkelt. Winken Einnahmen, kennen Filmproduzenten eben kein Erbarmen.

Vergebung

„Vergebung“ ist keine leichte Sache. Weder für Regisseur Daniel Alfredson, der nach „Verdammnis“ zum zweiten mal einen Roman des 2004 verstorbenen norwegischen Erfolgsautors Sieg Larsson auf die Leinwand bringt, noch für die Kinozuschauer, die das zweieinhalb Stunden währende Finale der „Millennium“ -Trilogie durchstehen muss.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen