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Soderbergh hat mit dem iPhone einen Thriller gedreht, der ein großes Mysterium aufbaut und es selbst mit dem Hintern direkt wieder einreißt. Unsane ist quasi die Thriller-Variante eines Click-Bait-Artikels: Ihr werdet nicht glauben, was als nächstes geschieht!

Unsane - Ausgeliefert (2018)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Alte Ideen, neues Telefon

„Ist sie es oder ist sie es nicht?“, fragt sich das Presseheft zu Steven Soderberghs neuem Thriller Unsane, in dem Claire Foy versehentlich in eine Psychiatrie eingewiesen wird. Doch das ist gar nicht ihr größtes Problem. Vielmehr begegnet sie dort dem Mann, der sie seit zwei Jahren stalkt und nun plötzlich als Pfleger in der Klinik auftaucht. Oder bildet sie sich das nur ein und ist wirklich verrückt? 

Diese Frage ist die Grundprämisse von Unsane – und sie wäre gar nicht so schlecht, würde der Film sie nicht faktisch nach den ersten zwanzig Minuten einfach lapidar selbst beantworten. „Ist sie nicht!“ schreit es einem da förmlich von der mit iPhone-Bildern gefüllten Leinwand zu und dahin ist jeglicher Suspense, den Trailer und Presseheft hier aufbauen wollten. Und nun? Was ist ein Psychothriller, dessen Thrill verloren ist? Ist er noch psycho? Oder wenigstens ein wenig Psycho? Ja, in der Tat, es lassen sich doch einige Verweise auf Filme wie Misery, Einer flog übers Kuckucksnest etc. finden, doch das macht es nur schlimmer. Denn nachdem die Luft aus dem Mysterium einmal raus ist, verweilt Unsane in diesen Zitaten, spult das Psychothriller-Genre-Grundrezept einmal ab und wird dabei zu einer filmischen Variante eines Click-Bait-Artikels. Ihr werdet nicht glauben, was als nächstes geschieht! Bei Nummer 8 habe ich mich voll erschreckt!

Sawyer Valentini (Claire Foy) ist dabei unsere damsel in distress, allerdings mit einem Twist. Denn dieses Fräulein ist aggressiv. Es gibt auch einen Grund. Nein, nicht den Stalker, der ihr das Leben zur Hölle gemacht hat, sondern ihren Vater. In einer kurzen, sie küchenpsychologisch einordnenden Szene mit ihrer Mutter erfährt man, dass sie den Vater verlor, als sie 15 Jahre alt war und seitdem emotionale Mauern errichtet hat, die nicht einmal ihre Mutter durchdringen kann. Doch hinter diesen Mauern lebt eine Frau, die zwar klug ist und auch ganz schön hart sein kann, aber in Unsane immer wieder die gleichen himmelschreiend dummen Fehler begeht, die es für klassisch orientierte Psychothriller braucht, damit es dem Antagonisten nicht so schwerfällt, sein Opfer zum Opfer zu machen. Also verhält sie sich immer wieder aggressiv, obwohl sie weiß, dass sie damit ihren Aufenthalt in der Anstalt verlängert; oder sie versteckt sich unbeholfen, anstatt zu flüchten, wenngleich sie mehrmals erwähnt, was für eine hervorragende Joggerin sie ist. 

„Lauf, Mädel!“ möchte man ihr zuschreien, doch das wäre unfair David Strine (Joshua Leonard) gegenüber. Der ist ein bisschen moppelig, trägt Brille und hat jetzt schon so viele Leute ermordet, um endlich mit seiner Auserwählten Sawyer zusammen zu sein. Strine sieht nicht nur aus, sondern verhält sich auch so eingleisig wie ein Stalker/Killer aus einem klassischen, etwas eckigen 1980er-Jahre-Film, der eben Hilfe braucht, um sein Opfer zum eben diesem zu machen. Und dies wiederum benötigt Sawyer, um der derzeit gängigen Idee einer „starken Frau“ zu entsprechen, die sich in den meisten Filmen daraus zu ergibt, dass ein weibliches Opfer sich zu wehren beginnt. Dabei gibt es hin und wieder gute Szenen, ja sogar recht kluge und scharfsinnige Dialoge, doch diese verpuffen so schnell wie der Einsatz der wundervollen Juno Temple, die hier wieder nur eine verrückte Nebenfigur mimen darf. Aber da ist sie nicht allein. Für eine Weile bekommt Sawyer einen Freund zur Seite, der ihr hilft die Handlung mit einem eingeschmuggelten Telefon voranzutreiben und in diesem Film, der sonst nur dumme oder böse Menschen kennt, einen guten hinzuzufügen. Dass er dabei gleich die Mary-Sue-Trope bedient: geschenkt. Er macht es eh nicht lang, die Psychothriller-Gesetze wollen es so. 

Was auch nicht lang hält, ist die hauchdünne Patina von Sozialkritik, die der Film einbaut, dann aber fix wieder vergisst. Denn zu Sawyers Dilemma gesellt sich neben dem Stalker noch der Fakt, dass sie einem Versicherungsschwindel zum Opfer wird. Sie ist nicht zufällig in der Psychiatrie gelandet, sondern die Firma, der die Anstalt gehört, weist gern Patienten zwangsweise ein, bis deren Krankenversicherungen nicht mehr zahlen. Zu Recht mag man an dieser Stelle die Frage stellen, wie Stine wissen konnte, dass sie ausgerechnet dort hinfährt, um Hilfe zu suchen, und es ausgerechnet ihr geschehen wird, dass sie in dieses korrupte System gezogen wird. Aber um eine kohärente Erzählung geht es Soderbergh hier eben nicht.

Wichtiger als Kohärenz und eine Story, die sich nicht sofort selbst erklärt und ab da einfach den Rest abspult, ist Soderbergh bei Unsane sein iPhone-Experiment. Nun ist er nicht der erste, der dieses Peripheriegerät für kinematographische Zwecke einsetzt – ein jüngstes und brillantes Beispiel für die Bildermacht des Smartphones ist Tangerine. Doch Soderberghs Nutzung ist durchaus einmalig. Während Sean Baker alles aus dem Gerät herausgekitzelt hat, was machbar ist, geht Soderbergh eher einen robusten Weg. Einmal nutzt er einen Farbfilter, einmal eine Nachtsicht, dann eine Untersicht, doch ansonsten ist sein Einsatz sehr geradlinig und pragmatisch. Das Resultat sind Bilder, die leicht verzerrt sind und deren Optik an die budgetarmen Filme des Brian de Palma erinnern: ein bisschen dreckig, ein bisschen zerrig, ein paar komische Winkel und Kanten hier und da. Interessant, zumindest für eine Weile. Doch nicht genug, um Unsane zu einer ästhetischen Übung zu machen, die es sich leisten kann, ihre Geschichte im Stich zu lassen, um auf der visuellen Ebene zu verweilen und diese wirken zu lassen. Die iPhone-Ästhetik passt schon zum Thema und gibt dem Film den Hauch einer Idee, dass hier ad hoc gefilmt wurde. Doch es reicht bei weitem nicht und es schmerzt zusehends, dass er hier die Möglichkeiten, vor allem mit Subjektivitäten zu arbeiten, gar nicht so recht genutzt hat. Ein wenig geht er in die Blair-Witch-Found-Footage-Ästhetik, doch dieser Ausflug bleibt zu kurz und unentschlossen. 

Man merkt dem Film seine Unentschlossenheit an. Die Spiel- und Experimentierfreude scheint schnell verbraucht, der Rest wird verraten, abgespult und aufgegeben. Zurück bleibt das schale Gefühl, auf eine Idee hereingefallen zu sein, die im Werk selbst dann gar nicht ausgeführt wird. 

Unsane - Ausgeliefert (2018)

Eigentlich hatte er ja seinen Abschied von der Kinoleinwand verkündet, doch wie bereits Logan Lucky zeigte, kann es Steven Soderbergh wohl doch nicht lassen. In seinem neuen Kinofilm Unsane — Ausgeliefert, der komplett auf einem iPhone gedreht wurde, geht es um eine junge Frau, die gegen ihren ausdrücklichen Willen in eine Nervenheilanstalt eingeliefert wird. Und dort wird sie mit ihrer größten Angst konfrontiert — wobei allerdings unklar ist, ob dies real oder nur eine Ausgeburt ihrer Fantasie ist.

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Meinungen

HansJuergen · 05.04.2018

Der Film war komplett unnötig. Über die Hälfte des Films ist weder spannendes noch gruseliges passiert. 7€ umsonst.-.