Underdogs

Eine Filmkritik von Paul Collmar

Auf den Hund gekommen

Es gibt Themen, die lassen einen Regisseur nicht mehr los. Im Falle von Jan Hinrik Drevs ist es die Kombination niedlicher Vierbeiner und harter Jungs, die im Knast sitzen. Bereits vor sieben Jahren entstand der Dokumentarfilm Dogsworld, in dem der Regisseur ein Resozialisierungsprogramm der besonderen Art in einem New Yorker Gefängnis schildert, das den Namen „Puppies behind bars“ (auf Deutsch: „Welpen hinter Gittern“) trägt: Dort wurden inhaftierte Schwerverbrecher zu Blindenhundeführern ausgebildet – und zeigten in den abschließenden Interviews erstaunliche Veränderungen: Die harten Jungs waren weich geworden, hatten gelernt mit Verantwortung umzugehen und sich für eine gute Sache zu engagieren.
Freilich waren die Ergebnisse noch nicht mit einer gelungenen Resozialisierung gleichzusetzen, doch sie bildeten zumindest den ersten Schritt – sofern bei den Inhaftierten eine Wiedereingliederung überhaupt im Bereich des möglichen war. Drevs zeigte sich von der Atmosphäre in der speziellen Abteilung des Hochsicherheitstrakts und der engen emotionalen Bindung, die die Häftlinge zu den Hunden aufbauten, so beeindruckt, dass ihn die Idee seitdem nicht mehr losließ. Mit Underdogs legt Drevs nun einen Spielfilm vor, der das sperrige Thema der Resozialisierung mit erfrischend klischeefreien Betrachtungen des Knastalltags verbindet – ein Experiment, das ebenso wie „Puppies behind bars“ durchaus gelungen ist.

Der Strafgefangene Mosk (Thomas Sarbacher, der als Darsteller der Sat1-Serie Der Elefant – Mord verjährt nie eher auf der anderen Seite des Gesetzes steht.) ist ein Kerl wie ein Bär: Enorme Muskelpakete und ein schroffes Auftreten machen schnell deutlich, dass mit diesem Mann nicht gut Kirschen essen ist. Skrupel oder gar Gefühle zeigt Mosk nicht, denn das gilt im harten Knastalltag als Zeichen von Schwäche. Und die ist im Gefängnis fehl am Platz – wer hier Schwäche zeigt, gerät leicht unter die Räder und findet sich rasch am unteren Ende der Knasthierarchie wieder. Dumm nur, dass ausgerechnet Mosk, der wie besessen für die gefängnisinternen Meisterschaften im Gewichtheben trainiert, nach dem Willen der Gefängnisdirektorin Gloria Cornelius (Clelia Sarto) an einem Projekt teilnehmen soll, bei dem Häftlinge Hundewelpen zu Blindenhunden ausbilden sollen. Doch je mehr der wegen Totschlags Verurteilte die Teilnahme ablehnt, desto mehr besteht die resolute Direktorin darauf und droht ansonsten mit der Sperrung für die Knastmeisterschaften.

Widerwillig lässt sich Mosk auf die neue Aufgabe ein und beginnt gemeinsam mit Döner (Kida Ramadan), Prell (Ingo Naujoks) und Forster (Thorsten Merten) die Ausbildung, die von dem Hundetrainer Wache (Hark Bohm) geleitet wird. Als sich eine Beziehung – Grundlage für die erfolgreiche Ausbildung – zwischen Mosk und seinem vierbeinigen Schützling nicht einstellen will, droht das Scheitern des gesamten Projekts. Der Druck auf Mosk wird größer, nicht nur seitens der Direktorin, sondern auch von seinen Mitgefangenen…

Süße kleine Hunde und der harte Knastalltag – diese Kombination könnte leicht missraten. Bei Jan Hinrik Drevs’ Underdogs aber ist daraus mit einigen Abstrichen ein ungewöhnlicher Gefängnisfilm geworden, der mehr zu bieten hat als die in etlichen Filmen und Fernsehserien verbreiteten Klischees über das Leben hinter Gittern. Dass der Film nicht nur vom unbestreitbaren Charme der niedlichen Hundchen lebt, liegt nicht allein an Drevs’ souveräner Regie und am Drehbuch, das mit atmosphärischer Dichte und viel Dialogwitz auftrumpft, sondern auch an einem engagierten Darstellerensemble, bei dem vor alle Thomas Sarbacher als unnahbarer und verschlossener Totschläger gefällt.

Ganz ohne den Griff in die emotionale Mottenkiste kommt aber auch dieser Film nicht aus, und man fragt sich wieder einmal, warum heutzutage nahezu jede Story durch eine Liebesgeschichte auf- bzw. abgewertet werden muss. „Human interest“ in allen Ehren, doch die Geschichte um das ungewöhnliche Projekt hätte auch ohne die sich andeutende Liebesgeschichte funktioniert und nimmt dem Film manches von seiner Authentizität und Glaubwürdigkeit.

Beim Filmfest Oldenburg feierte der Film übrigens eine ganz besondere Weltpremiere und wurde im großen Saal der JVA Oldenburg Insassen des Gefängnisses und ausgewählten Besuchern des Filmfestivals gemeinsam vorgeführt.

Underdogs

Es gibt Themen, die lassen einen Regisseur nicht mehr los. Im Falle von Jan Hinrik Drevs ist es die Kombination niedlicher Vierbeiner und harter Jungs, die im Knast sitzen.
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Meinungen

Ruth Asucaris · 29.08.2009

Ein wunderbarer Film, der berührt in jeder Hinsicht. Wäre doch eine Überlegung wert für unsere Justiz?! Sehenswert und zum Nachdenken.

· 08.08.2008

habe den film ls premiere in der jva moabit erlebt - der alltag ist recht realistisch und der film hat meiner meinung nachden spagat zwischen film und wirklichkeit klasse hinbekommen ohne etwas allzusehr zuverklären

Eva Feldheim · 28.07.2008

Er ist kriminell geworden, weil er immer nur "NEIN" bekommen hat und lernt nun durch den Hund, wie man ein JA bekommt, UND WAS MAN ALLES DAFÜR TUN MUSS, um dieses JA zu bekommen.

Nach sechs Jahren Arbeit im Knast kenne ich viele Gefangene, für die das Erstere gilt und das Zweite gelten könnte.

Der Film ist bezaubernd. Die Darsteller sind glaubhaft, vor allem die caninen. Als Herr und Hund sich langsam der Schwelle nähern, die man überschreiten muss, damit eine Beziehung entsteht, muss der Herr um den Hund herumgehen und sich dann rittlings über ihn stellen. Solange der Menschenherr mit dem Hundeknecht interagiert, springt der Hund entsetzt auf, wenn das Bein ankommt. Als die Beziehung angeknüpft wird, zuckt er halb hoch und bleibt dann zitternd liegen. Als sie funktioniert, liegt er entspannt - ich meine, er lächelt ;-) Ein spannungsvoller, glaubhafter, anrührender Film.

Ich hoffe jetzt, dass unsere (wie im Film schöne, - nein, das ist nicht nur ein Cliché!) Anstaltsleiterin den Film auch sieht und dass das Folgen haben wird...

Ingrid · 24.07.2008

Ein klasse Film! Habe ihn mit meinem Freund in der Preview gesehen. Zum Lachen und was fürs Herz - ein rundum gelungener Kinoabend! Sehr zu empfehlen!

Christiane St. · 21.07.2008

Ich wünsche mir, das manche Gefangene so das Vertrauen zu der Menschheit und Umwelt zurückbekommen. Klasse Film !!!