Log Line

UglyDolls zieren schon seit 2001 die Kinderspielzimmer der Welt, nun haben die hässlichen Puppen einen eigenen Kinofilm bekommen, für den man in der englischsprachigen Version Kelly Clarkson, Pitbull und Charlie XCX als Synchronsprecher gewinnen konnte.

UglyDolls (2019)

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Brave Puppen finden ihren Platz

Im bunten Uglyville, wo alles ein bisschen schräg, keine Wand gerade und alles bunt ist, leben die UglyDolls – sie scheinen jeden Tag zu feiern, gemeinsam und mit viel Spaß, aber für Moxy (Lina Larissa Strahl) ist das nicht genug. „Jedes Kind braucht eine Puppe, jede Puppe braucht ein Kind“, singt sie, und hofft darauf, dass heute, genau dieser Tag, nun der Tag werde, an dem sie von einem Kind ausgesucht wird.

Irgendwann schafft sie es wirklich, ihre Freund_innen Lucky Bat (Tilman Pörzgen), Ox (gesprochen von Florian Halm, Gesang: Tommy Amper), Babo (Tilo Schmitz/Toby Heinz), Ugly Dog (Jan-David Rönfeldt/Thomas Hohenberger; in der englischsprachigen Fassung Pitbull und Wage (Tanja Geke/Petra Scheeser) zu einer Expedition jenseits des Ausstoßschachtes zu bringen – da, wo die UglyDolls aussortiert werden, alle dreiäugig oder asymmetrisch oder unförmig oder halt ein fliegendes, einäugiges Einhorn.

Die seltsame Truppe bewegt sich also in die Tiefen der Spielzeugfabrik hinein, der sie alle entstammen, und landen schließlich vor einem großen Tor zum „Institute of Perfection“. Hier sollen Puppen zu perfekten Spielzeugen geformt werden, erfahren sie, und gleich am Anfang werden all die anderen Puppen – vorher gesichtslose Prototypen – in Mädchen- und Jungenpuppen zurechtgestanzt und einsortiert . Nur die UglyDolls passen da nicht rein, ein Warnsignal hupt und eine Stimme sagt: „Ich habe leider kein Foto für dich“. Perfektion, Sauberkeit, Makellosigkeit – das wird hier erwartet, und die UglyDolls sind jedenfalls eher chaotisch und undiszipliniert. Sie kommen trotzdem rein und sorgen erst einmal für große Aufregung.

Hoch über der Stadt des Instituts läuft, so scheint es, auf einem riesigen Bildschirm ein Dauerwerbeclip, in dem ein hübsches kleines Mädchen eine hübsche kleine Puppe im Arm hält – und Moxy träumt sich natürlich in diese Puppe, in diesen Spot hinein: Das ist das Leben, das sie sucht. Und Chefpuppe Lou (Konrad Bösherz/Pat Lawson) gibt Moxy, vermeintlich gnädig, eine Chance: Wenn sie durch sein Trainingsprogramm gehe und am Ende erfolgreich eine „Challenge“ bestehe, dann dürfe sie auch in die große Welt da draußen zu einem Kind.

Alison Pecks Drehbuch für UglyDolls zieht natürlich ihre grundsätzliche Weltperspektive aus einem Konzept, das schon die Toy Story-Filme groß gemacht hat: Dass Spielzeug ein Eigenleben mit ganz großen Gefühlen hat und sein Selbstbewusstsein vor allem daraus zieht, von einem Kind geliebt zu werden. Zuletzt hat A Toy Story – Alles hört auf kein Kommando eine ähnlich kinderlose Figur wie Moxy zu seiner Antagonistin gemacht, die am Ende Erlösung findet, weil sie, wie der Film suggeriert, die Erwartungen des Kindes erfüllen kann.

Dass sie ungenügend sein könnte, diese Sorge treibt Moxy an, das ist ja schließlich Credo und Conditio-sine-qua-non für Uglyville, aber der Film braucht ihre Hoffnung auf ein „besseres“ Leben als Katalysator für seine Handlung: Wen alle sich in ihr Schicksal fügten, gäbe es schließlich keine Bewegung. Und eigentlich wäre Lou ein hervorragender Antagonist, ein Musterpüppchen, das von allen im „Institute“ angehimmelt wird, ein Paradebeispiel vor allem dafür, wie Zuneigung geheuchelt wird (sinngemäß: Ich beschimpfe euch als hässlich, weil ich euch so liebe – damit ihr euch weiterentwickeln könnt!) und die Reaktionen darauf ausgenutzt werden.

Visuell schlägt sich die Widerborstigkeit und Besonderheit der UglyDolls nur begrenzt nieder – klar, die UglyDolls haben im Gegensatz zu den Püppchen im „Institute“ alle Fell, unvollständige Zähne, komische Extremitäten und so, aber das ist weit weg von der abjekten Gruseligkeit, die zum Beispiel die zerlegten, zersprengten Spielzeuge des bösen Nachbarjungen in Toy Story auszeichnete. In UglyDolls ist alles niedlich, Uglyville hat halt ein wenig den Charme des Selbstgebauten, wo alles aus Kartonverpackungen zusammengesetzt ist, während im „Institute“ Häuser, Wege und Bäume normiert, rechtwinklig und langweilig wirken.

Kelly Asburys Film ist deshalb so unerträglich, weil hier wirklich alles nur Oberfläche ist: Von den glatten Bildern dieser einfachen Welt, Computeranimationen zwar auf dem technischen Stand der Zeit, aber ohne jede Individualität, über die absolut vergessenswert-poppigen Songs bis hin zu den Motivationssprüchen und „positiven Botschaften“, die bis zum Schluss nicht über das intellektuelle Niveau billiger Kalendersprüche hinauskommen. Nichts hier ist echt, nichts hat Tiefe oder Komplexität. Das ist Verdummungskino der plattesten Art, eine reine Verkaufsveranstaltung für noch mehr massenproduziertes Spielzeug – nur halt vermeintlich „hässliches“.

Der Film entkommt bis zum Ende den bereits in seinen allerersten Szenen gezeigten Bildern nicht: Da werden die Puppen und Plüschtiere in einer graublauen Maschinenwelt, auch scheinbar ohne jeden menschlichen Eingriff, in Masse und Eintönigkeit produziert. Die „UglyDolls“ sind in dieser Logik der Ausschuss, der eigentlich vernichtet werden soll, in der Fabriklogik nicht unterschieden von reinen Stoffresten und abgebrochenen Knöpfen.

Der vollständigen Eintönigkeit aller anderen Spielzeuge wird im Einheitslook der Puppen im „Institute of Perfection“ gespiegelt – sie unterscheiden sich nur durch Kleinigkeiten, ein wenig Haarfärbung hier, Sommersprossen da, Pony oder Pferdeschwanz, die zu entscheidenden Unterschieden aufgeblasen werden, ob Lou mich nun besser leiden kann? Man sieht diese Puppen an mit ihren Standardgesichtern, den immer gleichen süßen Stupsnasen, großen Augen und schlanken Körpern und blickt in einen Abgrund der Konformität. Es ist, als blättere man durch das Instagram-Portfolio einer Influenzer-Marketing-Agentur mit den immergleichen langhaarigen jungen Frauen, die sich eigentlich nur in Haarfarbe, Details im Kleidungsstil und Wahl des Fotofilters unterscheiden.

 „Schönheit“ wird hier als kapitalistische Zurichtung, ja ganz und gar automatisierte, nachgerade fordistische Produktion beschrieben, in der jede Abweichung von der Norm schon zum Ausschluss als ugly führt. Natürlich gibt sich der Film UglyDolls den Anschein, eine Kritik dieser Normierungsideologie zu sein – deshalb die ironischen Anspielungen auf Casting-Shows wie Germany’s Next Topmodel oder The Voice. Deshalb natürlich auch ein Ende, in dem die Verkörperung dieses Normgedankens, Lou (Mode-Wahlspruch: „Wählt nicht aus, was euch, sondern, was anderen gefällt!“), diskreditiert und vom Thron gestoßen wird.

Aber nichts und niemand ist in diesem Film wirklich hässlich – „Ugly“ ist gewissermaßen eine negative Zuschreibung, bei der all jenes, was womöglich wirklich schwierig zu ertragen wäre, schon gar nicht mehr mitgemeint, weil: gar nicht vorstellbar ist.

 Dass aber die UglyDolls, die es seit 2001 gibt (und ja, die Uglydoll-Hauptfiguren aus dem Film kann man natürlich seit Jahren kaufen), inzwischen selbst eine Marke sind – es gibt Kleidung, Rucksäcken, Bettwäsche, Computerspiele, Bücher, Bettwäsche, Kekse, Armbanduhren und, nun ja, auch noch in Massenproduktion hergestellte Plüschtiere –, die den gleichen kapitalistischen Prinzipien folgt und sich halt der Nische bedient, auf vermeintliche Unvollkommenheit zu setzen. Diesen inneren Widerspruch kann der Film eben nicht auflösen.

In der Marktlogik des Films (am Ende findet Moxy ein Zuhause bei einem Mädchen, das ihre eigene Unvollkommenheit in ihrem neuen Spielzeug gespiegelt sieht) wird eben in der Fabrik nicht ausgesondert, sondern auch der Ausschuss findet schon noch einen Platz – man muss ihn nur den Kindern wie den Puppen richtig verkaufen.

UglyDolls (2019)

Die „UglyDolls“ sind eine Mischung aus Kuscheltier und Puppe, die seit einiger Zeit die Kinderzimmer erobern und die bewusst schräg gestaltet sind. Nun kommt der Film zum Spielzeug-Trend.

 

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen

Katinka · 19.10.2019

Ich kann die Kritik nur bedingt gutheißen. Der Film ist ab 3 Jahre! Wer einen Action Film mit Gruselmonster sehen will, sollte in ES oder Anabelle gehen. Warum sollen die unvollkommenen Puppen denn automatisch hässlich bzw gruselig sein? Ist etwa jeder Mensch der nicht perfekt ist automatisch angsteinflösend grässlich?
Der Film hat nicht die Mega berauschende vielschichtige, temporeiche Story, das stimmt. Aber, wie ich schon sagte, er ist ja auch ab 3 Jahre... und genau für die jüngsten bedeutet weniger oft mehr. Es wurde sich auf das wesentliche Konzentriert: du bist wundervoll, genau so wie du bist!
Und wenn diese Massage sogar bei meiner 4 jährigen Tochter ankommt, dann hat dieser Film verdammt viel richtig gemacht!