Über Wasser

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Quell des Lebens

Verschwindend gering erscheinen die Probleme, die sich durch die Verknappung der weltweiten Erdölreserven abzeichnen, gegenüber dem, was ein Zuviel oder Zuwenig (je nach Region) an Wasser für die Menschheit bedeuten wird. Und der Kampf um das Wasser ist bereits längst in vollem Gange: Rund 1,1 Milliarden Menschen, so schätzt man, haben am Tag weniger als 20 Liter des kostbaren Gutes zur Verfügung, nur knapp ein Fünftel der Weltbevölkerung lebt in Verhältnissen, die an Wasser- und Abwasserleitungen angeschlossen sind. 436 Millionen Menschen leben in Staaten, in denen das Wasser bereits knapp geworden ist – und die Tendenz zeigt weiter steil nach oben. Denn zwischen 1940 und 1990 hat sich der weltweite Wasserverbrauch vervierfacht und die Weltbevölkerung verdoppelt. Kein Wunder also, dass während des Weltwassertags in Den Haag prognostiziert wurde, dass im Jahre 2020 bereits 3,3 Milliarden Menschen (das entspricht 37 Prozent der Weltbevölkerung) bereits unter Wassermangel leiden werden.
Zugegeben, die Zahlen klingen zunächst abstrakt. Doch der Regisseur Udo Maurer gibt dem Schreckgespenst ein konkretes und zudem menschliches Gesicht: In seinem Film Über Wasser zeigt er in drei Geschichten, was es bedeutet, wenn Überschwemmungen, Dürre oder Wasserverschmutzung den Menschen zusetzen. Kasachstan, Bangladesch und die Slums von Nairobi sind die Stationen seiner Reise auf den Spuren des Wassers. Und bei jeder Station sind die Probleme der Menschen vor Ort zwar vollkommen unterschiedlich, aber mehr als existenziell: In Bangladesch sind Überschwemmungen an der Tagesordnung. Die Monsumstürme sowie der Anstiege des Meeresspiegels bedrohen im am dichtesten besiedelten Flächenland der Erde (hier leben im Durchschnitt mehr als 1000 Einwohner pro km2) , doch die Bauern haben sich an die ungünstigen Lebensumstände längst angepasst. Im Handumdrehen verstehen sie es, das Dach ihres Hauses auf ein Boot zu verladen, um im Falle einer Flutkatastrophe all ihren Besitz einzuladen und sich eine neue Bleibe zu suchen.

Ganz anderer Art sind die Probleme in Kasachstan, wo die sich ausbreitende Dürre das viergrößte Binnengewässer der Erde, den Aralsee in seiner Gestalt erheblich verändert hat. Längst ist das ehemals durchgehende Gewässer in mehrere Teile getrennt. Die Folgen sind ebenso surreal anmutend wie schwerwiegend: Schiffe, die wie von Zauberhand mitten in der Wüste vor sich hinrosten und ein melancholischer Kapitän, Fischer, denen die Fische abhanden gekommen sind und Städte, in denen nur noch sowjetische Propagandafilme vom einstigen Reichtum erzählen. Und wäre diese Episode nicht wahr, so würde man sie für den symbolschweren Traum eines Regisseurs halten.

Gelbe Kanister spielen die Hauptrolle in der dritten Episode, die im Slum Kibera in Nairobi angesiedelt ist. Auch hier ist Wasser ein wichtiges Gut. Und die Versorgung mit dem kostbaren Nass liegt in den Händen gewiefter Geschäftemacher, die sich das Wasser gut bezahlen lassen und gleich auch noch eine zynisch anmutende Erklärung für ihr Monopol haben: Warum, so fragt einer von ihnen rhetorisch, soll jeder Mensch den gleichen Zugang zu Wasser haben? Die Finger der Hand seien doch auch nicht gleich lang.

Die Episoden und die Interviews mit den Menschen sprechen vollkommen für sich selbst, weswegen Udo Maurer es sich auch leisten kann, außer den wichtigsten Rahmendaten jedes vorgestellten Landes auf weitere Off-Kommentare vollkommen zu verzichten. Trotzdem gelingt es dem Film, die verzwickten Zusammenhänge von Wasserknappheit, Dürre sowie Überschwemmungen und den Ursachen dafür mit den damit einhergehenden persönlichen und gesellschaftlichen Folgen zu erläutern und dies teilweise in beeindruckende Bilder voller Symbolkraft zu fassen, die die Augen öffnen für die wirklich existenziellen Nöte von Menschen in verschiedenen Regionen der Welt. Der sorglose Umgang mit dem wertvollen Gut Wasser, er wird nach diesem Film zumindest schwerer fallen. Und damit ist ja ein Anfang schon einmal gemacht.

Über Wasser

Verschwindend gering erscheinen die Probleme, die sich durch die Verknappung der weltweiten Erdölreserven abzeichnen, gegenüber dem, was ein Zuviel oder Zuwenig (je nach Region) an Wasser für die Menschheit bedeuten wird.
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