U ri Sunhi

Eine Filmkritik von Baeatrice Behn

Das Genie steckt im Detail

Letztendlich ist es eine Frage des Blickwinkels. Wenn man es positiv ausdrücken will: Auf Hong Sang-soo ist Verlass. Die negative Variante lautet: Hong Sang-soo macht irgendwie immer den gleichen Film. Zumindest wenn man große Veränderungen erwartet. Doch so einfach ist das nicht. Bei diesem Filmemacher steckt die Genialität ganz tief im Detail. Besser gesagt in den kleinen Variationen, die sich innerhalb jedes Filmes verstecken.
Und so ist auch U ri Sunhi ein Film der kleinen Momente und Veränderungen. Sunhi hat an der Universität Regie studiert und ist danach ein Jahr lang untergetaucht. Nun ist sie wie aus dem Nichts wieder da und auf der Suche nach ihrem Professor. Diesen will sie bitten, ihr ein Referenzschreiben auszustellen, mit dessen Hilfe sie in den USA weiterstudieren kann. Aber was tun, wenn die Studentin sehr still war, sich vor allem gedrückt hat und nicht gerade atemberaubende Leistung gezeigt hat? Der Professor verspricht zu helfen unter der Bedingung, dass er die Wahrheit sagen darf. Das tut er zum Leidweisen Sunhis auch, doch diese beweist plötzlich ungeahnte Sturheit. Zudem ist der Professor nicht das einzige Problem. Da gibt es noch zwei andere Männer, zwei Liebhaber um genau zu sein, die sie ebenfalls hat stehen lassen und mit denen sie sich wieder trifft. So folgt man Sunhi bei ihren vielen Begegnungen, die jedes Mal nahezu gleich ablaufen: Es wird viel zu viel gesoffen, es wird geredet, sinniert und evaluiert. Dann das Ganze von vorn. Aber eben mit einer kleinen Änderung im System. Eine andere Idee, ein kurzer Moment anderen Verhaltens. Und wieder beginnt das Spiel von vorn.

Eigentlich könnte das sehr dröge werden, doch das ist es nicht. Denn Hong Sang-soo spielt mit fabelhafter Intelligenz seine Wiederholung durch, stets mit langen Einstellungen und einer fast unbeweglichen Kamera. Ein einziger Schwenk ist in U ri Sunhi zu sehen, ansonsten gibt es nur die für den Filmemacher typischen Zooms. Und zwar immer jeweils einer pro Sequenz. Was aber ist der Sinn dieser Übung? Man könnte ihn leicht verpassen, wenn man nicht aufmerksam ist. In den feinen Nuancen steckt eine Philosophie, ein langsames Ausloten des Lebens. Dass der Mensch eine Wahl hat, ist klar, wie diese sich allerdings durch kleine Momente des „sich anders Entscheidens“ verändern können, das ist genau, worum es hier geht. Der Film ist, so könnte man abschließend konstatieren, ein Plädoyer für mehr Glauben an sich selbst und seine Entscheidungen und ein Abrücken von der Einfachheit des Fatalismus.

Trotz aller innewohnenden Philosophie ist U ri Sunhi aber auch überaus heiter. Der Humor speist sich aus der tiefen Menschlichkeit und dem liebevollen Umgangs mit den Figuren. Vor allem Sunhi selbst darf ein wenig schräg und gestresst sein, ohne dabei jemals in die Falle der hysterischen Frau zu geraten, in der zurzeit so viele amerikanische Frauenfiguren stecken.

U ri Sunhi

Letztendlich ist es eine Frage des Blickwinkels. Wenn man es positiv ausdrücken will: Auf Hong Sang-soo ist Verlass. Die negative Variante lautet: Hong Sang-soo macht irgendwie immer den gleichen Film. Zumindest wenn man große Veränderungen erwartet. Doch so einfach ist das nicht. Bei diesem Filmemacher steckt die Genialität ganz tief im Detail.
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