Turn Me On

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Raus aus Skoddeheimen

„Berg. Leere Straße. Mehr leere Straße. Leere Straße mit einem Traktor. Dumme Schafe, dumme Heuballen, dumme Trampolinmädchen“ — so beschreibt die 15-jährige Alma (Helene Bergsholm) ihr Heimatdorf Skoddeheimen in Norwegen am Anfang des Films Turn Me On und begrüßt das Ortseingangsschild mit ausgestrecktem Mittelfinger.
Aber Langeweile ist nicht ihr einziges Problem: Sie kann nur noch an Sex denken! Deshalb hat sie regelmäßigen Kontakt mit Stig von einer Telefonsex-Hotline, gibt sich an unpassendsten Orten Fantasien hin und befürchtet, dass ihre Mutter sie bei der Selbstbefriedigung gehört hat. Vor allem aber träumt sie von dem schüchternen Artur (Matias Myren), der die Erfüllung all ihrer Sehnsüchte sein könnte. Auf einer Party kommt er ihr dann näher – und piekst sie mit seinem Schwanz. Das behauptet Alma zumindest gegenüber ihrer besten Freundin Sara (Malin Bjorhovde) und deren Schwester Ingrid (Beate Stofring), ohne auch nur annähernd die Konsequenzen zu erahnen. Die blonde Ingrid, selbst in Artur verliebt, behauptet, Alma hätte sich das ausgedacht, auch Artur streitet alles ab. Und so wird aus Alma die ausgestoßene „Schwanz-Alma“, der selbst die kleinen sozialen Freuden eines Teenager-Daseins in einem Kaff verwehrt sind.

Regisseurin Jannicke Systad Jacobsen hat mit Turn Me On eine charmante Coming-of-Age-Komödie gedreht, die sich mit gelegentlichem Voice over und Sequenzen ihrer sexuellen Fantasien ganz auf die Perspektive der Protagonistin einlässt. Damit setzt sie die Tradition erfolgreicher Filme wie Fucking Åmål fort und rückt eine weibliche Figur sowie deren Sehnsüchte in den Mittelpunkt. Dabei ist Alma kein Objekt der Begierde, sondern der Film dreht sich um ihre Begierden. Für Alma ist die sexuelle Lust ein selbstverständlicher Teil ihres Lebens, deshalb will sie ihre Sexualität einfach nur erfahren.

Doch sie merkt immer wieder, dass sie damit ihrem Umfeld vor den Kopf stößt und anscheinend nicht „normal“ ist. Ihre beste Freundin Sara verbringt ihre Freizeit lieber mit Briefen, die sie an Todeskandidaten in den USA schreibt, und versteht Alma daher nicht. Schmerzlich ist das Verhalten der Mutter (Henriette Steenstrup, Ich reise allein), die keine Nähe zu ihrer Tochter sucht und sie sogar als „unnormal“ bezeichnet. Dabei macht Alma im Prinzip nichts anderes als 15-jährige Jungs: sie spielt gerne an ihrem Körper herum und guckt sich Sex-Magazine an. Doch das wird sogar in Filmen eher Jungs als Mädchen zugestanden.

Es ist ein besonderes Verdienst des Films, dass er – obwohl Sex eine zentrale Rolle spielt und auch deutlich gezeigt wird – niemals platt oder peinlich wird, sondern stets einen leichten, verschrobenen Ton beibehält. Dazu trägt überdies bei, dass alle Darsteller sehr natürlich agieren. Insbesondere Hauptdarstellerin Helene Bergsholm lässt mit ihren ungelenken Versuchen, Artur näherzukommen, ihren Schwierigkeiten mit sich selbst und ihrem Körper, die ganzen Unsicherheiten eines Teenagers, deutlich werden. Sie sind in diesem Film niemals kleine Erwachsene, sondern stets Heranwachsende – also zwischen Kind und Erwachsenem. Diese Unsicherheiten spiegeln sich zudem mit leichter Unschärfe und dem sehr hellen, fast weißen Farbschema, das auf die Unschuld in Almas Begehren hinweist, in den Bildern wider.

Turn Me On ist ein vielversprechendes Debüt der Regisseurin Jannicke Systad Jacobsen – und ein herrlich verschrobener Film, der einem letztlich sehr charmant vor Augen führt, dass es ganz normal ist, sich unnormal zu fühlen.

Turn Me On

„Berg. Leere Straße. Mehr leere Straße. Leere Straße mit einem Traktor. Dumme Schafe, dumme Heuballen, dumme Trampolinmädchen“ — so beschreibt die 15-jährige Alma (Helene Bergsholm) ihr Heimatdorf Skoddeheimen in Norwegen am Anfang des Films „Turn me on“ und begrüßt das Ortseingangsschild mit ausgestrecktem Mittelfinger.
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