Triple 9

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Korrupte Cops und eine fehlgeleitete Geschichte

Es ist ein klassischer Beginn: In einer regnerischen Nacht sitzen Männer in einem Auto und sprechen über einen geplanten Coup. Sie haben vor, eine Bank in Atlanta zu überfallen. Der Clou: Sie sind keine gewöhnlichen Gauner, sondern eine Bande korrupter Cops und ehemaliger Elitesoldaten. Doch eine altbekannte Genre-Regel besagt, dass im Zweifelsfall die Gier jeden Banküberfall ruiniert – und sie bewahrheitet sich auch in John Hillcoats Triple 9: Beim Überfall werden nicht nur die geplanten Bankschließfächer ausgeräumt, sondern auch noch Taschen mit Geld mitgenommen, in denen eine Farbbombe steckt, die während der Flucht explodiert. Sie sorgt zweifellos für schöne Actionbilder, führt aber zu mehr noch Gewalt und erschwert nicht nur die Flucht, sondern die nun nötigen Schießereien und Mätzchen erhöhen den Druck auf die ermittelnden Polizeikollegen und somit auch auf die Räuber. Zudem stellt sich heraus, dass die korrupten Cops und Ex-Soldaten nicht gänzlich freiwillig agieren: Michael Atwood (Chiwetel Ejiofor) wird von der derzeitigen Chefin der örtlichen Russenmafia, Irina Vlaslov (Kate Winslet), erpresst. Sie hat das perfekte Druckmittel: seinen Sohn, der zugleich ihr Neffe ist. Und wenn Michael ihn nicht verlieren will, muss er einen weiteren, allerletzten Coup durchführen. Und hierzu gibt es abermals eine bekannte Genreregel: der letzte Coup misslingt immer.

Triple 9 könnte ein richtig guter Genrefilm über korrupte Polizisten sein. Der erste Überfall ist packend und bester Heat-Manier inszeniert, durch den professionellen Hintergrund der Räuber und interne Verwicklungen in der Polizei entsteht eine düstere Ausgangssituation. Aber in dem Moment, in dem das Verhalten von Michael ein persönliches Motiv erhält und der letzte Coup eingefordert wird, zerfasern die einzelnen Handlungsstränge. Der Russenmafia-Teil soll wohl für eine Instanz sorgen, die noch ‚böser‘ ist als die Räuber, damit die Zuschauer auch mit ihnen mitfiebern. Aber das wäre bei einem Schauspieler wie Chiwetel Ejiofor sicher nicht nötig gewesen. Wesentlich effektiver wäre es gewesen, sich auf die Beziehungen innerhalb dieser Gruppe zu konzentrieren, deren Verbindungen und Loyalitäten stets nur im Dialog behauptet werden, im Film aber nicht zu erleben sind.

Hinzu kommt dann noch ein weiterer Handlungsstrang: Damit die Bande den angeblichen letzten Coup begehen kann, brauchen sie ein spektakuläres Ablenkungsmanöver, das titelgebende ‚999‘, der Funkcode für „Officer down“. Also müssen sie einen Kollegen töten. Als Opfer gucken sie sich Marcus Belmonts (Anthony Mackie) neuen Partner Chris Allen (Casey Affleck) aus – doch natürlich tötet man nicht einfach einen Kollegen. Und erst recht nicht, wenn sich dieser nach anfänglichen Schwierigkeiten nicht nur als aufrecht und engagiert erweist, sondern einem gerade noch sehr geholfen hat. Damit erhält der Film weitere moralische Abstufungen, aber auch die nutzt Triple 9 nicht aus, sondern verbleibt beständig an der Oberfläche, an der möglichst alle Handlungsstränge miteinander verstrickt werden sollen. Deshalb sieht man mit an, wie der seltsam verloren wirkende Casey Affleck hektisch kaugummikauend versucht, neben seinem neuen Partner zu bestehen – und nichtsahnend vom Tod bedroht ist, während sein Onkel (Woody Harrelson) der Cop-Bande immer näher kommt. Anthony Mackie, Chiwetel Ejiofor, Norman Reedus oder Aaron Paul bekommen kaum Raum, ihre Figuren zu entwickeln oder auch nur deren Profil zu schärfen. Sogar Woody Harrelson spielt im Prinzip, was er schon in unterschätzten Rampart gezeigt hat – nur fehlt ihm hier ein Widerpart. Und bei der von Kate Winslet gespielten hochtoupierten russischen Obergangsterin, die beständig beim Kochen und Backen gezeigt wird, fragt man sich, ob sie bewusst als Karikatur angelegt ist.

Deshalb können auch der im Grunde genommen angenehm nüchterne Tonfall des Films und die düstere Grundstimmung nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in diesem Film viel zu viele Verwicklungen und Klischees gibt. Und so sollte Triple 9 ein Genreepos in der Tradition von Michael Manns Heat sein, aber obwohl dessen ästhetisches Erbe offensichtlich ist, fehlt John Hillcoats Film, was beispielsweise Sicario hatte: die Raffinesse einer guten, differenzierten Geschichte – und der nötige Atem, sie zu erzählen.
 

Triple 9

Es ist ein klassischer Beginn: In einer regnerischen Nacht sitzen Männer in einem Auto und sprechen über einen geplanten Coup. Sie haben vor, eine Bank in Atlanta zu überfallen. Der Clou: Sie sind keine gewöhnlichen Gauner, sondern eine Bande korrupter Cops und ehemaliger Elitesoldaten. Doch eine altbekannte Genre-Regel besagt, dass im Zweifelsfall die Gier jeden Banküberfall ruiniert – und sie bewahrheitet sich auch in John Hillcoats „Triple 9“.

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