Tricked (2012)

Eine Filmkritik von Martin Beck

Ihr schreibt, wir drehen

Also irgendwie kam das unerwartet. Paul Verhoeven, der Regisseur hinter Robocop und Total Recall, macht eine scharfe Biege und stoppt bei einem experimentellen Drama, dessen Geschichte auf einer „crowdsourcing“-Plattform namens „Ziggo Entertainment Experience“ zusammengeschnippelt wurde. Sprich: Die User konnten in Episoden-Häppchen bestimmen, was als nächstes passiert. Und nur ganz am Anfang, quasi als inhaltliches Sprungbrett, stand ein fünfseitiges Profidrehbuch (von Kim van Kooten).

Der „Trick“ bei diesem Experiment: Der ganze Produktionsprozess passte sich der Episodenform an, so dass die jeweils nächste Folge erst dann geschrieben und inszeniert wurde, wenn die davor vollständig beendet war. Auf diese Weise bewahrte man sich inhaltliche Überraschungen, die dann im Ganzen, übrigens ohne Episodenstruktur, eine wendungsreiche und tatsächlich nur schwer vorhersehbare Geschichte ergeben – allerdings angesiedelt in dem überschaubaren Umfeld einer Party.

Diese Party findet anlässlich des 50. Geburtstags eines erfolgreichen Unternehmers (Peter Blok) statt. Unter den Gästen ist auch seine ehemalige Geliebte (Sallie Harmsen), die ihm eher nebenbei mitteilt, dass sie schwanger ist. Während die Kinder des Mannes entweder Koks schnüffeln oder seltsame Photos machen, kriegt seine Ehefrau (Ricky Koole) eine Krise und ein sleaziger Kollege nutzt die Gelegenheit für ein kleines bisschen Erpressung. Hat der Unternehmer noch eine weitere Geliebte? Ist die Ex tatsächlich schwanger? Und wird die Ehefrau wirklich die angedrohte Scheidung durchziehen?

Es ist bei Tricked tatsächlich von Vorteil, den Produktionsprozess zu kennen, weswegen Paul Verhoeven den Film auch mit einer 20minütigen Doku beginnt. Diese Doku gewährt so weit Einblick, dass man das folgende Geschehen mit ganz anderen Augen aufnimmt. Und zwar nicht nur bezogen auf die erstaunlich lineare Handlung, die doch auf einer episodenhaften Produktion basiert, sondern auch bezogen auf viele inhaltliche Nuancen. Die Charaktere werden so klarer, man erkennt beiläufige Andeutungen und am Ende dann ist man fast so begeistert wie die (ein bisschen zu sehr) jubelnde Doku. Eines kann man Paul Verhoeven wirklich nicht vorwerfen: Dass er nur noch energielose Eigenplagiate fabriziert.

Was allerdings noch nichts darüber aussagt, ob Tricked denn nun ein gelungener Film ist oder einfach nur den Weg zum Ziel feiert. Diese ganze Entstehungsgeschichte plus die Doku sind tatsächlich so prominent plaziert, weil sich ohne Vorkenntnisse kaum wirkliche Spannung einstellen möchte – zumindest in Erwartung eines richtigen Films. Der Tricked eigentlich kaum ist, mit seiner Nettolaufzeit von einer Stunde und der preiswerten Inszenierung, inklusive Handkamera und TV-Flair. Das sich auch auf die Seifenoper-artige Handlung ausweitet, wenngleich aufgewertet mit durchaus spannenden Charakteren und einer leicht absurden Schräglage.

Tricked besteht vor allem als interessantes Experiment, der Film „dahinter“ gerät in die zweite Reihe. Auf Paul Verhoeven trifft das gleich auch noch zu, denn allzu viel musste er wohl nicht ackern, gerne ausgenommen die typisch scharf gezeichneten Figuren. Sein Beitrag hier ist vor allem der des nach wie vor extrem engagierten Namensgebers, der selbst mit grauen Haaren nicht im Establishment verenden möchte. Wer weiß, vielleicht ist Tricked ja vor allem eine neue Visitenkarte für Verhoeven? Wenn sich ole‘ Paule auf diesem Weg wieder in Erinnerung rufen kann, ist man gerne bereit, die leichte Enttäuschung über das rein filmische Erlebnis im Zaum zu halten.
 

Tricked (2012)

Also irgendwie kam das unerwartet. Paul Verhoeven, der Regisseur hinter „Robocop“ und „Total Recall“, macht eine scharfe Biege und stoppt bei einem experimentellen Drama, dessen Geschichte auf einer „crowdsourcing“-Plattform namens „Ziggo Entertainment Experience“ zusammengeschnippelt wurde.

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Meinungen

odettexyz · 07.06.2019

Ich hatte vorher einige Rezensionen gelesen und war darauf eingestellt, dass "Tricked" mit einer "Dokumentation" beginnt. Ich konnte also das Experiment genießen und mich über diesen Drehbuch-und Regie-Einfall freuen: Die ungewöhnliche Entstehungsgeschichte des Films (auf Niederländisch mit deutschen Untertiteln) ist ein Teil des Films, der im Original Steekspel heisst - Turnier, Wortgefecht.
Es gab 700 oder 7000 (?), jedenfalls sehr viele Menschen, deren Ideen und Sätze in das Drehbuch einflossen. Paul Verhoeven und sein Co-Autor entwickelten das Skript aus ursprünglich vier vorgegebenen Seiten, in die die Vorstellungen der Vielen einflossen. Während des ersten Teils des Films war Teil 2 noch nicht bekannt, während Teil 2 gedreht wurde, nicht der dritte Teil usw. Auch die Schauspieler wussten nicht, wie ihre Figur weiter agieren wird. Aus diesem verrückt schönen Konzept wurde ein ironischer, heiterer Film, der jedem Filmbegeisterten, incl. Drehbuchautoren und Regisseuren, Freude machen muss. Es entsteht der Eindruck, als sei Komik etwas Natürliches, wenn Menschen aufeinander treffen und ihre Beziehungen beginnen, leben, aufzulösen versuchen. Ein Schnitt (oder mehrere Stiche) - und es geht weiter. Manchmal in der Begleitung von Mozart, Rammstein und Satie.

Der Spielfilm nach dem Portrait wurde ziemlich lieblos synchronisiert, doch selbst das kann dem Film nichts anhaben.