Das Gesetz der Familie (2016)

Eine Filmkritik von Sonja Hartl

Die Zwänge der Traditionen

Ein Sohn will den kriminellen Familienverband verlassen, aber der Vater ist dagegen. Das ist die klassische Geschichte, die Adam Smith in seinem Regiedebüt Das Gesetz der Familie erzählt. Interessanter wird sie durch zweierlei: Zum einen gehört diese Familie zu den irischen Travellers – sie sind ein „fahrendes Volk“, auch tinker genannt. Und zum anderen werden Vater und Sohn von Brendan Gleeson und Michael Fassbender gespielt.

Dass Chad Cutler (Michael Fassbender) nicht ganz zum Rest seiner Familie passt, wird auf den ersten Blick deutlich: Er ist der einzige, der ein Oberhemd trägt – zwar gelegentlich zur seidigen Jogginghose, dennoch ist es ein Zeichen der Bürgerlichkeit in diesem Kreis der Wohnwagen, in deren Mitte ein Feuer brennt. Mit seiner Frau Kelly (Lyndsey Marshall) und seinen beiden Kindern lebt er dort, aber ihnen ist wichtig, dass ihre Kinder zur Schule gehen. Chad kann weder lesen noch schreiben, weil für seinen Vater Colby (Brendan Gleeson) die Schule Zeitverschwendung ist. Alles, was er wissen muss, hat er von seinem Vater gelernt, so wie dieser es von seinem Vater lernte. Deshalb hält Colby religiöse Reden über die Erde, die eine Scheibe ist, über die Evolution, die eine Lüge ist – und wer etwas anderes sagt, der behauptet damit, dass sein Vater gelogen hätte und begeht großen Verrat. Ihren Lebensunterhalt bestreiten die Cutlers mit Einbrüchen und Diebstählen, dazwischen verbrennen sie Schrott und narren die Polizei in Autorennen. Aber Chad hat genug von diesem Leben, er ahnt, dass er früher oder später von der Polizei erwischt werden wird und will deshalb sesshaft werden. Jedoch ist er ein äußerst gehorsamer, ja, höriger Sohn und wagt es deshalb nicht, seinem Vater etwas von seinen Plänen zu sagen.

An dieser Stelle könnte nun ein Konflikt zwischen Vater und Sohn ausbrechen, die längst überfällige Rebellion der jüngeren Generation, die vor allem ihren Nachkommen eine Perspektive widmen will. Aber dafür hätte das Drehbuch von Alastair Siddons mehr von den Traditionen und Leben dieser Familie erzählen müssen. Stattdessen verharrt der Film im Stillstand des Jetzt, in dem sie in einem Wohnwagenkreis leben, aber die Gründe und die Ortswahl nicht erklärt werden. Zudem scheinen die Polizisten die Familie schon lange zu kennen, bei einem klingt sogar Eifersucht durch, dass Kelly Chad geheiratet hat. Aber da deren Sohn schon zur Schule geht, müssen die Cutlers ziemlich lange an diesem Ort gelebt haben. Hinzu kommt, dass Colby von Chads Plänen weiß und nur darauf lauert, dass es sein Sohn auf eine Konfrontation angekommen lässt. Denn er weiß sehr gut, dass sich niemand mit ihm anliegen will.

Wenngleich die Handlung hier nach einem Drama klingt, gibt es immer wieder komische Momente, ja, regelrechte Lacher, die intendiert scheinen, aber noch mehr zur Konfusion beitragen. Anscheinend will dieser Film zugleich Kriminalgeschichte als auch charmant-schrulliges Indie-Familiendrama sein, aber letztlich entsteht nur eine ziemlich wilde Mischung verschiedener Tonlagen und gibt es zu viele Einfälle und Momente, die sich nicht einfügen und innerhalb des Films begründen lassen. Dazu gehört Gordon (Sean Harris), ein Mitglied der Familie, das offensichtlich psychisch gestört ist, aber vor allem die gesamte Zeit mit freiem Oberkörper herumläuft und Dinge verfeuert. Daher bleiben die Autojagden, die sich Chad wahlweise mit einem Hasen oder der Polizei liefert, die eindeutigen Höhepunkte des Films. Rasant gedreht von der Kamera von Eduard Grau (A Single Man), zeigen sie den Adrenalinrausch und den Spaß, den Chad bei der Sache hat, bei der er wirklich gut ist. Hier gibt es auch funktionierende lustig-coole Momente, in denen stets Zigaretten eine Rolle spielen.

Dennoch entsteht sukzessive der Eindruck, dass der Film weitaus mehr Potential gehabt hätte. Aber er lässt konsequent die interessantesten Geschichten liegen. Beispielsweise deuten die wenigen Einstellungen von Chads Tochter (Kacie Anderson) auf eine hochspannende Entwicklung, auch seinem Sohn Tyson (Georgie Smith) wäre mehr Raum zu gönnen. Hier hätte man wirklich etwas über den Alltag, das Leben in dieser Familien und dessen Folgen erfahren können. Und sogar Brendan Gleeson und insbesondere Michael Fassbender zeigen in zu wenigen Szenen, wozu sie wirklich fähig sind. Wenn Brendan Gleeson im Verhör sitzt oder mit seinem Enkel spricht, dann ist die Präsenz und Überzeugung zu spüren, die in anderen Szenen fehlt. Michael Fassbender wird einiger Freiraum gelassen, die Beziehung zu seinem Vater auszugestalten, aber er nutzt sie nicht und fügt sich deshalb kaum in diese Welt und Familie. Deshalb bleibt auch die letzte Wendung des Films unglaubwürdig: Hier soll man auf einmal Sympathie für die Cutlers und ihren Lebensstil empfinden. Jedoch hat der Film dafür in den vorhergehenden rund 85 Minuten keinerlei Gründe geliefert. Sicherlich gibt es Momente der Nähe, der rauen Zärtlichkeit und körperlichen Zuneigung, weitaus eindrucksvoller ist aber die Sturheit und Beharrlichkeit des Vaters. Er hält seine Familienmitglieder zurück, herrscht wie ein Patriarch über sie. Und was an blindem religiösen Glauben an einen Menschen sowie der Überzeugung, dass die Erde eine Scheibe ist, gut sein soll, erschließt sich nicht.
 

Das Gesetz der Familie (2016)

Ein Sohn will den kriminellen Familienverband verlassen, aber der Vater ist dagegen. Das ist die klassische Geschichte, die Adam Smith in seinem Regiedebüt „Das Gesetz der Familie“ erzählt. Interessanter wird sie durch zweierlei: Zum einen gehört diese Familie zu den irischen Travellers – sie sind ein „fahrendes Volk“, auch „tinker“ genannt. Und zum anderen werden Vater und Sohn von Brendan Gleeson und Michael Fassbender gespielt.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen