Traumfabrik Kabul

Eine Filmkritik von Christian Horn

Kinobilder gegen Unterdrückung

Wenn es um die Rechte der Frauen in Afghanistan geht, blickt die westliche (Medien-)Welt oftmals mit einer gewissen missionarischen Überlegenheit auf das Gesellschaftssystem im fernen Islamstaat. Mit Traumfabrik Kabul startet nun ein Dokumentarfilm in den deutschen Lichtspielhäusern, der dieses Thema aus der Perspektive einer afghanischen Frau schildert, die sich – selbst Opfer der männerdominierten Gesellschaft ihres Landes – aktiv für die Selbstbestimmung der Frauen in ihrem Heimatland einsetzt.
Mit einer teilnehmenden Kamera begleiten Regisseur Sebastian Heidinger und sein kleines Team die afghanische Polizistin, Schauspielerin und Filmemacherin Saba Sahar bei ihrem Versuch, die afghanischen Frauen über ihre Rechte aufzuklären. Hierfür produziert Sahar kleine Aufklärungsfilme, die sie mit ihrem „Mobile Cinema“ in möglichst vielen Provinzen ihres kriegszerrütteten Heimatlandes zur Aufführung bringen will – ein Unterfangen, das in einigen entlegenen Winkeln Afghanistans nicht ungefährlich ist. Die mit einfachen Mitteln hergestellten Infofilme zeigen beispielsweise eine verheiratete Frau, die von ihrem Ehemann verprügelt wird und mit ihrer Tochter die Ausweglosigkeit der Lage thematisiert, oder eine junge Frau, die Polizistin werden will und deren Vater deshalb in der Moschee Rat einholt: Es sei in Ordnung, dass eine Frau den Beruf der Polizistin ergreift, da Männer weibliche Verdächtige nicht abtasten dürfen, erklärt der dortige Mullah. Markante Ausschnitte aus diesen Filmproduktionen zeigt Traumfabrik Kabul als Einspieler zwischen den dokumentarischen Beobachtungen und vermittelt damit nicht nur einen Einblick in die Ziele und Arbeitsweise der Protagonistin, sondern lässt auch Rückschlüsse auf die Alltagsrealität in Afghanistan zu.

Eine große Stärke von Traumfabrik Kabul liegt abseits des eigentlichen Themas: Ganz nebenbei gewährt der Film Einblicke in das alltägliche Treiben auf den Straßen Kabuls und in den ländlichen Gegenden Afghanistans. So begleitet die Kamera Saba Sahar beispielsweise in ein Einkaufszentrum, wo die emanzipierte wie kämpferische Filmemacherin eine Burka trägt, weil die Verkäufer ihr dann Rabatte gewähren – wenn Sahar komplett verschleiert in einem Geschäft steht und Stöckelschuhe anprobiert, vermittelt der Dokumentarfilm ganz unaufdringlich ein plastisches Bild des Lebens in Afghanistan. Ein weiterer dieser Momente ist eine Szene, in der Sahar in einer der afghanischen Provinzen ein Mädchen trifft, das die Familie durch den Verkauf selbst gemachten Joghurts ernährt und der aufgeklärten Frau aus der Stadt mit interessierter Schüchternheit begegnet.

In Bezug auf das „Mobile Cinema“ und die Filmproduktionen steht der Kampf um die Finanzierung des Projekts an oberster Stelle. So erklärt Saba Sahar, die afghanischen Behörden und die ansässigen Hilfsorganisationen seien vornehmlich am Thema „Sicherheit“ interessiert, während die Thematisierung der Frauenrechte eher in den Hintergrund rückt. Doch wenngleich sich immer mal wieder ein Gefühl der Hilflosigkeit einschleicht, macht Sahar, die als junges Mädchen selbst einen vorbestimmten Mann heiraten musste, mit ihrer Aufklärungsarbeit weiter – als erste afghanische Frau, die eine offizielle Lizenz als Filmemacherin besitzt, ist das in gewisser Weise wohl ihre missionarische Pflicht.

Traumfabrik Kabul

Wenn es um die Rechte der Frauen in Afghanistan geht, blickt die westliche (Medien-)Welt oftmals mit einer gewissen missionarischen Überlegenheit auf das Gesellschaftssystem im fernen Islamstaat. Mit „Traumfabrik Kabul“ startet nun ein Dokumentarfilm in den deutschen Lichtspielhäusern, der dieses Thema aus der Perspektive einer afghanischen Frau schildert, die sich – selbst Opfer der männerdominierten Gesellschaft ihres Landes – aktiv für die Selbstbestimmung der Frauen in ihrem Heimatland einsetzt.
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