Trash Humpers (2009)

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Bad Boy Harmony

Sind es wirklich die Dämonen der Kindheit oder ist die Geschichte, die Harmony Korine zur Begründung seines zutiefst absonderlichen Werkes Trash Humpers erzählt, nur ein perfider Trick, um uns an der Nase herumzuführen? In seiner Kindheit, so Korine in einem Statement, habe es in seiner Nachbarschaft eine Gruppe älterer Männer gegeben, die in den Gassen und Hinterhöfen herumhingen, wie man dies sonst nur von „halbstarken“ Jugendlichen kennt. Ständig betrunken habe er sie eines Nachts dabei beobachtet, wie sie mit Mülltonnen kopuliert und dabei gelacht hätten. Und Trash Humpers sei nun ein Film über diese Menschen. So weit, so gut…

Im kriseligen und verwackelten Amateurvideo-Stil auf VHS gedreht, beobachtet der Film zwei (freilich nur kostümierte und mittels Masken auf alt getrimmte) Greise und eine Frau bei – sagen wir mal – äußerst bizarren Formen der Freizeitbeschäftigung, bei denen das „Trash Humping“ nur eine (wenngleich gerne gezeigte) Art des Vergnügens darstellt. Vorzugsweise nachts durchstreifen die fidelen Rentner die Wohngegenden einer namenlosen Stadt und üben sich in nahezu jeder Form des Zerstörens und der Störung der öffentlichen Ordnung, so dass man sich an die derben Späße der MTV-Serie Jackass erinnert fühlt. Nahezu unverbunden reihen sich Exzess an Exzess, begleitet von abrupten Schnitten und heftigen Wacklern, die dem Geschehen trotz der Masken und der seltsamen Geräuschkulisse den Anschein des beinahe Authentischen geben bzw. den Eindruck vermitteln, man wohne hier einer besondern schrägen Form der Aktionskunst bei. Nicht von ungefähr erinnern die nächtlichen Aufnahmen der „Aktionen“ an jene Sequenzen aus Banksy – Exit through the Gift Shop, in denen der fiktive Dilettant Mr. Brainwash das Entstehen der „pieces“ der Street-Art-Künstler zeigt.

Auch technisch ist der Film ein Schlag ins Gesicht aller Technikfreaks und auf Perfektion bedachter Regisseure, die sich derzeit mit Digitalmätzchen, 3D-Projektionen und anderem Schnickschnack förmlich überbieten. Im Vergleich zu Trash Humpers sehen selbst mit der Handy aufgenommene Prügelvideos, wie sie im Internet kursieren, noch wie die Arbeit absoluter Vollprofis aus. Korine beschränkte sich beim Drehen nicht nur durch die Wahl alter und hoffnungslos überholter VHS-Kameras, sondern bearbeitete das so gedrehte Material noch nachträglich durch mehrfaches Überspielen und Kopieren auf verschiedenen alten VHS-Rekordern, um so möglichst viele Störquellen und andere Beeinträchtigungen auf das Material zu übertragen. Zusammen mit einer Regie, die sich alle Mühe gibt, ihr Eingreifen und Steuern zu verstecken, wirkt Trash Humpers wie ein rotzig heruntergekurbeltes Video aus einer lange zurückliegenden Zeit und aufgrund der Masken und dargestellten Handlungen beinahe schon wie Auszeichnungen aus einem in der Vergangenheit liegenden Geisterreich des absolut Bösen.

Trash Humpers ist ein Frontalangriff auf den guten Geschmack, den „american way of life“, auf alles Wohlanständige, ein rüder Ritt gegen jede Form der Ordnung und Moral und zeigt ein anderes, düsteres, verdorbenes Bild der Vereinigten Staaten als Ort, an dem nicht nur Neurosen, sondern ausgemachte Macken und die reine Boshaftigkeit die seltsamsten Blüten treiben. Ist das noch (Kunst)Kino, das Filme wie Idioten von Lars von Trier auf die Sptze treibt oder schon Performancekunst in Gefolgschaft von Künstlern wie Paul McCarthy? Oder vielleicht gar nichts von beidem, sondern einfach nur Mega-Trash, der nichts will außer ein größtmögliches Maß an Verwirrung und Provokation zu sein? Die Antwort bleibt jedem selbst überlassen – und sie ist wahrlich nicht leicht zu finden.

Mit seinem neuen Film treibt Harmony Korine, der seine Karriere mit Drehbüchern von Larry Clarke (Ken Park, Kids) begann und der später als amerikanischer Zweig der Dogma95-Bewegung in Erscheinung trat, seine Karriere als einer der bekanntesten und umstrittensten Außenseiter des US-Indie-Kinos konsequent weiter voran. Sein indifferenter Blick in die Abgründe des „White Trash“ balanciert auf dem schmalen Grat zwischen unverhohlenem Voyeurismus und einer langatmig ausgebreiteten Apotheose des Hässlichen und bereitet am Ende in seiner rüden Zusammenballung von Perversion, Schmutz und nihilistischer Zerstörungswut beinahe schon körperliche Schmerzen. Dass jemand das soeben Gesehene nach dem Verlassen des Kinos selbst im realen Leben nachstellen möchte, dürfte man im Falle von Trash Humpers eher ausschließen können – zu befremdlich und abartig, aber auch verrätselt erscheinen viele der Aktionen. Vielleicht ist das ja eine der Intentionen Korines – die Widerwärtig- und Sinnlosigkeiten des realen Lebens so ungeschminkt zu zeigen, dass man sich nur angeekelt abwenden kann. Sollte dem so sein, so muss man feststellen, dass dieses Experiment als nahezu geglückt gelten muss.
 

Trash Humpers (2009)

Sind es wirklich die Dämonen der Kindheit oder ist die Geschichte, die Harmony Korine zur Begründung seines zutiefst absonderlichen Werkes „Trash Humpers“ erzählt, nur ein perfider Trick, um uns an der Nase herumzuführen?

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Meinungen

Naomi Sample · 21.07.2022

Unbestritten ein Meisterwerk. Filmisch und moralisch kaum zu ertragen, aber ein ganz besonderer Film mit einen feinen Blick auf den Menschen.

Snacki · 28.11.2011

Ein Film wie ein Orkan