Transsiberian (2008)

Eine Filmkritik von Katrin Knauth

Sprich niemals mit Fremden!

„Don’t talk to strangers!“ ist ein häufig gut gemeinter Rat, aber schwer zu beherzigen, wenn man sich ein enges Zugabteil mit wildfremden Leuten teilen muss. In Brad Andersons neuem Film Transsiberian wird genau dieser Umstand einem amerikanischen Ehepaar zum Verhängnis. Auf ihrer Reise mit der Transsibirischen Eisenbahn von Peking nach Moskau begegnen sie einem eigenwilligen jungen Liebespärchen. Eine fatale Begegnung, die mit Betrug, Verfolgung und Mord endet.

Für Roy (Woody Harrelson) und Jessie (Emily Mortimer) erfüllt sich mit der Zugreise nach Sibirien ein Traum. Sie waren noch nie soweit von ihrer amerikanischen Heimat entfernt, ihre Pässe sind nigelnagelneu, ihre Euphorie entsprechend groß. Die Faszination des fernen Landes hält Jessie, die Hobbyfotografin, in Bildern fest. Alles scheint perfekt bis Abby (Kate Mara) und Carlos (Eduardo Noriega) selbiges Abteil beziehen. Ein junges, wildes Backpacker-Pärchen, das nicht davor zurückschreckt, vor den Augen anderer intime Zärtlichkeiten auszutauschen. Jessie ist verwirrt, versucht jedoch mit der neuen Situation klarzukommen und sich mit den Fremden anzufreunden. Nichts soll den Urlaub trüben.

Doch alles kommt anders. Als der Zug in Irkutsk hält und sich die beiden Männer getrennt von den Frauen die Beine vertreten, ist Roy plötzlich verschwunden. Jessie sucht den ganzen Zug ab, aber erfolglos, keine Spur von ihrem Ehemann. Sie schöpft zum ersten Mal Verdacht. Steckt Carlos dahinter? Oder das korrupte, schnippische Zugpersonal? Sie steigt an der nächsten Station aus und mit ihr Carlos und Abby. Und natürlich ist Carlos nicht so unschuldig wie er tut, aber Jessie glaubt immer noch, dass er der good guy ist und schenkt ihm ihr Vertrauen.

Es wird hier nicht verraten, was Jessie passiert und ob ihr Ehemann wieder auftaucht. Doch was ganz harmlos anfing, endet in einem tödlichen Strudel aus Verfolgung, Gewalt und Mord. Als schließlich noch der vermeintliche Drogenfahnder Grinko (Ben Kingsley) und seine rechte Hand Myassa (Thomas Kretschmann) ins Spiel kommen, ist das abgründige Verfolgungsszenario perfekt. Spannung ist bis zum Ende garantiert.

Transsiberian ist nach The Machinist / Der Maschinist (2004), der seinerzeit ebenfalls im Panorama-Programm der Berlinale lief, Brad Andersons siebter Spielfilm. Der amerikanische Filmregisseur machte sich zunächst mit Independent-Filmen wie The Darien Gap (1996), Happy Accidents (2000) und Session 9 (2001) einen Namen. Nach der Aufführung von The Darien Gap auf dem Sundance Filmfestival ehrte ihn das Branchenmagazin Variety als einen der „Ten Leading New Independent Directors to Watch“. Dass Anderson großartige Filme inszenieren kann, hat er seitdem immer wieder bewiesen.

Mit Transsiberian ist Anderson ein weiteres Meisterwerk gelungen. Mit perfekt eingesetzten Thriller-Elementen lässt er seine Zuschauer genauso an den Verfolgungsjagden teilnehmen wie seine Figuren selbst und zieht einen immer tiefer in ein eiskaltes Verwirrspiel. Und obwohl Xavier Giménez’ großartige Bilder uns in eiskalte, abgelegene Landschaften führen, lässt die fesselnde Handlung unseren Puls immer ein paar Takte schneller schlagen.
 

Transsiberian (2008)

„Don’t talk to strangers!“ ist ein häufig gut gemeinter Rat, aber schwer zu beherzigen, wenn man sich ein enges Zugabteil mit wildfremden Leuten teilen muss.

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Meinungen

Martin Zopick · 26.01.2023

Bei diesem spannenden Winterthriller ist die Charakterzeichnung der Figuren besonders gut gelungen. Jessy (Emily Mortimer) ist skeptisch distanziert, trinkt nicht und fragt nach. Ihr Freund Roy (Woody Harrelson) ist etwas unbedarft, aber freundlich. Und dann ist da noch der supercoole Ben Kingsley, der recht ambivalent zwischen Drogendealer, Kommissar und Undercover Agent hin und herdriftet. Mit seinem Erscheinen ist die ganze Aufmerksamkeit des Zuschauers gefordert. Sonst versteht man einige Szenen später nicht.
Dabei fängt alles so harmlos an: eine muntere Reisegesellschaft fährt mit der Transsibirischen. Fast 30 Minuten sieht alles nach einem Werbefilm der Tourismusindustrie aus. Aber dann! Drogen sind im Spiel, wir wissen auch wer sie wo hat und können mit Jessy mitzittern. Es wird brutal. Den Kurieren geht es ans Leder, immer mit einer neuen Wendung verbunden. Am Ende kann man nicht so recht aufatmen. Da kommt noch so viel zusammen. Und Emily Mortimer spielt sie alle an die Wand. Ihre Mimik spricht Bände und das Drehbuch legt ihr auch die schönsten Sätze in den Mund ’Wenn du alle meine Dämonen tötest Roy, sterben vielleicht auch alle meine Engel!’ Aber auch Ben Kingsley äußert sich lyrisch über das Leben in der ehemaligen SU ’Damals lebten wir in der Finsternis, heute sterben wir im Licht.’
Spannend, voller Überraschungen, prominente Darsteller agieren überzeugend in wunderschöner Landschaft.

Schokoschnute · 21.12.2008

Ich fand den Film über weite Längen furchtbar langweilig. Man hätte einen Thriller daraus machen können, wenn man ihn auf max. 60 Minuten gekürzt hätte.

· 19.12.2008

Als ich den Film am FFF gesehen habe war ich enttäuscht. Ich erwartete Storymässig nicht zu viel, aber so wenig auch wieder nicht. Er bietet so gut wie keine Überraschungen kann nur mit normalen Repertoire an und versuchte krampfhaft am Ende ein Tam Tam zu machen.

Kai · 25.09.2008

Nach dem vielen Mist, endlich mal wieder ein spannender Thriller im Kino !

Roland · 28.08.2008

Wirklich ein erstklassiger Film! Spannend von der ersten bis zur letzten Minute!