To Write Love on Her Arms

Eine Filmkritik von Falk Straub

Wahn und Wirklichkeit

Filme über Krankheiten sind beliebt, schließlich ist das Drama und mancher Schauspielpreis garantiert. Nathan Frankowskis To Write Love on Her Arms wählt einen anderen, visuellen Ansatz.
Wenn Renee (Kat Dennings) mit ihren Freunden Dylan (Mark Saul) und Jessie (Juliana Harkavy) montagmorgens ihre triste High School betritt, sich die drei ihre Kopfhörer aufsetzen und ihre Playlist abspielen, dann weicht das Alltagsgrau einem farbenfrohen Anstrich. Der lange Gang zwischen den Spinden ist von warmem Licht durchflutet, die Menge tanzt im Takt. Der Musiker Travie McCoy mischt sich heimlich unter sie, als ob er selbst ein Schüler wäre, und gibt die Zeilen seines Songs Akidagain wieder, denen Renee in diesem Moment lauscht. Eine Sequenz, die Renees blühende Fantasie visualisiert, die aber auch ihre Krankheit versinnbildlicht.

Renee hat eine bipolare Störung. Ihre Stimmungen wechseln, ihre Vorstellungskraft spielt ihr Streiche. Nach einem traumatischen Erlebnis überwiegen die schlechten Tage. Renee endet depressiv, voll auf Droge und im Selbstzerstörungsmodus. In ihren linken Unterarm hat sie sich das Wort „Versagerin“ tief unter die Haut geritzt. Das Publikum ist Zeuge dieser Wandlung: In einer Montagesequenz fährt die Kamera langsam auf Renee zu. Sie sitzt auf einer Couch, die Menschen um sie feiern. Während der Fahrt wechseln die Personen im Raum ebenso wie Renees Frisuren. Aus einem normalen Wohnzimmer wird eine billige Absteige. Zwei Jahre ziehen in Sekunden vorbei.

Regisseur Nathan Frankowski findet für das Innenleben seiner Hauptfigur beeindruckende Bilder wie diese.
Auch später, als sich Renee verzweifelt an ihre alten Freunde wendet, wechselt der Film in ihre Perspektive. Dylans Chef David (Rupert Friend) war selbst abhängig. Mit seiner Hilfe geht Renee in den Entzug. Dylan, Jesse und Davids Freund Jaime (Chad Michael Murray) stehen ihr bei. Neben gelungenen Darbietungen von Kat Dennings und besonders Rupert Friend sind es vor allem die Einbrüche des Wahns in die Wirklichkeit, die To Write Love on Her Arms zu einem sehenswerten Film machen. Trotz eines minimalen Budgets sind die Effekte gelungen, auch weil sich Frankowski nicht nur auf den Rechner verlässt, sondern von Stop-Motion über Puppenspiel bis zu cleveren Schnittfolgen seine Tricks breit fächert.

Renee selbst erlangt schließlich unfreiwillige Berühmtheit. Jaime schreibt ihre Geschichte auf, veröffentlicht sie im Internet und sieht staunend zu, wie sich das Thema in den sozialen Netzwerken verselbstständigt. So oder so ähnlich ist das tatsächlich passiert. Die gemeinnützige Organisation, die der echte Jaime 2006 unter dem Namen To Write Love on Her Arms, kurz TWLOHA, gründete, gibt es heute noch.

Trotz der Nähe zu den historischen Fakten begeht Frankowski nicht den Fehler, TWLOHA in den Himmel zu heben. Auch verharmlost der Film Renees Krankheit nicht. Der Kampf gegen die Sucht dauert ein Leben lang an. Einfach ausradieren kann Renee sie ebenso wenig wie die Narben auf ihrem Arm, aber positiv (um-)gestalten. Auch dafür steht der Filmtitel. Eine große Hilfe ist ihr dabei die Musik – im Film wie im wahren Leben. Die echte Renee singt mittlerweile in einer Band.

To Write Love on Her Arms

Filme über Krankheiten sind beliebt, schließlich ist das Drama und mancher Schauspielpreis garantiert. Nathan Frankowskis „To Write Love on Her Arms“ wählt einen anderen, visuellen Ansatz.
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