Tigerland (2000)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Übungsplatz für die Hölle

Innerhalb der Reflexion und Bewältigung des so genannten Vietnamkriegs, der im letzten Jahrhundert für alle Beteiligten eine entsetzliche, traumatische Katastrophe bedeutete, gibt es auch zahlreiche filmische Bemühungen zu diesem Thema. Die meisten Stoffe dieses schier unerschöpflichen Komplexes stammen aus den USA und schildern überwiegend die kriegerischen Auseinandersetzungen und die schrecklichen Folgen für die Menschen und die Gesellschaft, die damit verbunden sind, wobei der Fokus insgesamt deutlich auf der US-amerikanischen Perspektive liegt, auch wenn bei Zeiten schon einmal andere Ansätze zu beobachten sind. Der aus New York stammende Regisseur Joel Schumacher hat mit Tigerland einen ganz spezifischen Ausschnitt und Aspekt dieses Territoriums inszeniert, der sich ganz auf die in der Ausbildung befindlichen Soldaten und das Verhältnis untereinander sowie zu ihren Vorgesetzten konzentriert und in diesem Zuge die pathetisch konstruierte, pariotische Haltung auf den Prüfstand stellt, die in diesen abgeschotteten autoritären Einheiten vorherrscht und gleichzeitig die Geschichte eines hartnäckigen, humanistischen Anti-Helden erzählt.

Es ist von Anfang an kein Geheimnis, dass der Rekrut Bozz (Colin Farrell), der mit einigen anderen im Jahre 1971 auf seinen Einsatz in Vietnam vorbereitet wird, weder vom Militärdienst noch von diesem mörderischen Krieg etwas hält, der bereits so lange erbittert geführt wird. Das geht nicht ihm allein so, doch Bozz ist nicht bereit, sich widerstandslos in die harte Ausbildung einzufügen, was ihm immer wieder gehörigen Ärger einbringt. Durch einen gemeinsamen Baraufenthalt mit anschließendem Hotelvergnügen mit zwei Huren während des raren Ausgangs freundet er sich mit dem vorsichtigen Rekruten Paxton (Matthew Davis) an, der sich bemüht, seine gewaltigen Ängste vor dem Kriegsschauplatz in den Griff zu bekommen. Bald geht es ins berüchtigte Trainingslager in Louisiana, genannt Tigerland, wo die US-Army Bedingungen geschaffen hat, die denen in Vietnam sehr ähnlich sind. Diese letzte Phase vor dem Flug in die Kriegshölle gilt als enorm belastende Bewährungsprobe, und die Nerven der Soldaten liegen ohnehin bereits blank, während Bozz alles daran setzt, durch strategisches Agieren diejenigen Männer noch nachträglich vom Militärdienst zu befreien, deren übler Zustand ihnen kaum Überlebenschancen einräumt …

Auch wenn Tigerland, für den Colin Farrell mehrfach ausgezeichnet wurde, anfänglich die üblichen Elemente des Genres mit dem gängigen Charakterspektrum präsentiert, schlägt die Dramaturgie rasch die besondere Richtung ein, die diesem Film seine Ausprägung verleiht. Der Rekrut Bozz, dem später noch auf Grund seines glücklichen Gemüts für Provokationen ebenso wie für Ausbalancierungen größere Verantwortung übertragen wird, wird zu einem Symbol für die Absage an die Kriegsmaschinerie, die jeden verfügbaren Mann noch verwerten will, völlig ungeachtet seiner persönlichen Situation. Kaum merklich zunächst geht Bozz strategisch geschickt vor, um die Jungs noch vor dem Einsatz zu retten, deren Leben dadurch sicherlich bald beendet wäre. Er avanciert damit beinahe zu einer mystischen, undurchschaubaren Figur, die trotz heftiger Abneigung selbst in den Krieg ziehen wird und deren Schicksal konsequent verklärt bleibt. Ein interessanter, emotionaler und gut umgesetzter Ansatz, der zwar den lässigen Helden ein wenig blumig glorifiziert, durch sein stimmiges Konstrukt des zunehmend überirdischen Retters mit allzu menschlichem Verständnis jedoch eine metaphorische Ebene eröffnet, deren Perspektive und Eindringlichkeit Tigerland angenehm aus den gewöhnlichen Variationen dieses Themas hervorhebt.
 

Tigerland (2000)

Innerhalb der Reflexion und Bewältigung des so genannten Vietnamkriegs, der im letzten Jahrhundert für alle Beteiligten eine entsetzliche, traumatische Katastrophe bedeutete, gibt es auch zahlreiche filmische Bemühungen zu diesem Thema.

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