This Prison Where I Live

Eine Filmkritik von Lida Bach

Schluss mit lustig

Eigentlich gehört Burmas berühmtester Komiker Zarganar auf die Bühne. Trotzdem darf er nur davor stehen. Denn das burmesische Militärregime hält Zarganars Humor für gefährlich. Sein scharfer Witz ist eine Waffe. Zarganar hat es gewagt, sie systemkritisch einzusetzen. „Zwischen uns liegen Welten“, sagt Michael Mittermeier. Während der zu den erfolgreichsten Komikern Deutschlands zählende Mittermeier seine Kunst unbehelligt ausüben darf, sitzt Zarganar im Gefängnis. Zu 59 Jahren Haft wurde er 2009 verurteilt. 2007 gab er trotz staatlichen Verbots dem britischen Dokumentarfilmer Rex Bloomstein heimlich ein Interview.
Damals bestand This Prison where I live für Zarganar bereits im metaphorischen Sinne. In seinem Heimatland Burma musste er sich wie ein Gefangener in einem unsichtbaren Käfig fühlen. Der Comedian stand unter totalem Auftrittsverbot. Jede Form der Publikation war ihm verboten, selbst sein Name durfte nicht in den Medien genannt werden. Die ebenso perversen wie grotesken Bemühungen des Regimes, den unliebsamen Künstler aus dem öffentlichen Bewusstsein zu tilgen, hatte den gegenteiligen Effekt. Überall erzählen die Menschen sich Zarganars Witze, jeder kennt ihn. Zumindest in Burma. „Niemand weiß, dass es Komiker in Burma gibt“, glaubt Mittermeier. Während die Deutschen in der internationalen Unterhaltungsbranche als humorlos gelten, ist Burma auf der komödiantischen Landkarte schlichtweg ein weißer Fleck. Nicht nur das will Michael Mittermeier in Rex Bloomsteins ergreifender Reportage ändern. Die Weltöffentlichkeit soll auf Zarganars Schicksal aufmerksam werden. Und den Preis, den Humoristen in anderen Ländern für ihre Witze zahlen. Die Narren genießen selten Freiheit, wenn sie wie Zarganar die Wahrheit sprechen.

In This Prison where I live ist er nur noch auf bisher ungezeigtem Archivmaterial präsent. Für seine regimekritische Kunst war er fünf Jahre in Einzelhaft gewesen, hatte physische und psychische Folter ertragen und stand unter permanenter Überwachung. Die Augen der Spitzel lauern in und über der Bevölkerung Burmas. Auch Mittermeier und Bloomstein fühlen sie in ihrem Nacken. „Wer weiß, wer die Informanten sind. Zeit, Touristen zu sein“, sagt der Regisseur. Ständig müssen sein Team und Mittermeier auf der Hut sein. Leiser sprechen, Scheinbesichtigungen durchführen, die Kamera verstecken. Bloomsteins Reportage verläuft nicht gradlinig, sondern zeigt offen Irrtümer der Filmcrew, wie die Annahme, eine bestimmte Mauer sei die des Gefängnisses oder sie seien nicht von der Polizei enttarnt. Die Widrigkeiten, die Unmöglichkeit, Zarganars Bekannte zu interviewen und Vorrecherche zu betreiben, machen die unsichtbare Bedrohung durch die Militärjunta fast physisch greifbar. Mittermeier scherzt dennoch. Wie Zarganar bekämpft er seinen Schrecken mit Humor. Die Angst steht ihm dabei ins Gesicht geschrieben, mehr noch der Zorn. Manchmal fehlen ihm schier die Worte, um seine Fassungslosigkeit über das Unrecht auszudrücken.

This Prison where I live zeigt keinen geltungssüchtigen Prominenten. Er zeigt aufrichtige Anteilnahme, verzweifeltes Engagement und die wahre Natur der auch in Deutschland immer wieder geforderte Zensur. „Ich würde gerne für Dich und Deine Freunde auf der Bühne auftreten“, sagte Zarganar Bloomstein bei ihrer ersten Begegnung. „Eines Tages.“ Applaus gebührt seiner außergewöhnliche Courage bereits jetzt. Trotz der tragischen Thematik ist Bloomsteins erschütterndes Dokument der Unmenschlichkeit durchstrahlt vom schillernden Witz Zarganars. Noch bei seiner Überführung ins Gefängnis scherzte der Künstler. Humor ist, wenn man trotzdem lacht. „Sie können einen Körper brechen, aber sie können keinen Verstand, kein Herz, keinen Geist brechen“, sagt Mittermeier, der die Tränen der Wut und Hilflosigkeit kaum zurückhalten kann.

„The greatest respect we can have for law and order is to question and challenge the people who are enforcing it“, sagte der für seine Äußerungen als Stand-up Comedian angeklagte Künstler Lenny Bruce. Vor Gericht stand er in keiner abgeschlossenen Militärdiktatur, sondern den USA. Das Ende von This Prison where I live ist niederschmetternd. Zarganar ist weiterhin im Gefängnis. Sein Gesundheitszustand hat sich drastisch verschlechtert. Und dennoch schließt This Prison where I Live in mit Lachen. Zarganar selbst provoziert es mit einem Witz, den er auf einer der Archivszenen erzählt. Politisch, systemkritisch – und komisch.

This Prison Where I Live

Eigentlich gehört Burmas berühmtester Komiker Zarganar auf die Bühne. Trotzdem darf er nur davor stehen. Denn das burmesische Militärregime hält Zarganars Humor für gefährlich. Sein scharfer Witz ist eine Waffe. Zarganar hat es gewagt, sie systemkritisch einzusetzen.
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