Thief - Der Einzelgänger (5-Disc Ultimate Edition)

Eine Filmkritik von Thorsten Hanisch

In der Hitze der Nacht

Die Geschichte ist so zielgerichtet wie der Protagonist: Frank (James Caan), ein hochtalentierter Tresorknacker, der sein halbes Leben hinter schwedischen Gardinen verbrachte, hat sich mit Kumpel Barry (James Belushi) darauf spezialisiert, Banken auszuräumen. Tagsüber markiert er den Gebrauchtwagenhändler, nachts wird das Einbruchswerkzeug ausgepackt. Doch Frank ist nicht nur darauf aus, so viel Moos wie möglich einzusammeln, er hat ein weitaus größeres Ziel: Eigentlich will er ein normales, bürgerliches Leben mit einer eigenen Familie.
Da kommt Jessie (Tuesday Weld) gerade recht, die zwar keine Kinder kriegen kann, ansonsten jedoch die perfekte Ergänzung zum etwas grobschlächtigen, aber an sich herzensguten Dieb ist. Allerdings reicht der Kassenstand noch nicht für einen Neuanfang, zumal ihm die letzte Beute von einer Gangsterbande abgeknöpft wurde. Frank will das Geld wieder, doch dies entpuppt sich als gar nicht so einfach, weil sich auch korrupte Polizisten gerne etwas dazuverdienen möchten und sich an seine Fersen heften. Der gestresste Dieb macht die Bande ausfindig, aber es winkt nicht nur sein Geld, es wartet auch ein neuer Job: Bandenboss Leo (Robert Prosky) möchte den Profi-Räuber unter seine Fittiche nehmen und besorgt, ganz väterlicher Freund, dem kinderlosen Paar sogar das sehnlichst gewünschte Baby. Doch nach dem ersten erfolgreichen Coup wird klar, dass sich Frank dem Teufel verkauft hat.

Wer „Michael Mann“ sagt, sagt früher oder später auch „Männerfilm“, das ist aber eigentlich nur eingeschränkt richtig, denn obwohl Mann sich vor allem in späteren Filmen wie Miami Vice (2006) ganz gerne innerhalb dieser Kiste bewegt, durchbrechen Filme wie Thief dieses Siegel doch auf subtile Weise. Zunächst einmal sind alle Zutaten vorhanden: ein charismatischer Anti-Held, Autos, Waffen. Doch die zentrale Szene in Manns Film ist nicht etwa einer der spektakulär eingefangenen Raubzüge, es ist auch keine Schießerei oder ein sonstiger Schauwert, es ist vielmehr eine schlichte Dialogszene in einer Bar: Frank und Jessie tauschen in knapper Form ihre Lebensgeschichten aus, Frank erläutert darüber hinaus, dass er einzig und allein überlebt hat, weil ihm egal ist, was mit ihm passiert. Was bis hierher noch „cool“ klang, nach Erhaben- und vor allen Unangreifbarkeit, wird gleich daraufhin aufgeweicht: Er zeigt Jessie eine Collage, die er im Knast angefertigt hat, auf der sein bürgerlicher Traum vom Eigenheim mit Frau und Kindern zu sehen ist. Und sie, Jessie, soll die Frau sein, wie er ihr mit so unendlich, so wahnsinnig viel Sehnsucht im Blick klarmacht. Doch es hilft alles nichts, Frank ist in dieser patriarchalischen Hölle gefangen, dieser Welt aus Reaktion und Gegenreaktion, aus Ausbeuter und Ausgebeuteten; er muss am Ende realisieren, dass sein großer (nicht nur amerikanischer) Traum geplatzt ist, ja, dass es für Träume in dieser Welt einfach keinen Raum gibt.

Thief ist trotz allerlei „Männerfilm“-Komponenten kein „Männerfilm“, seine Protagonisten werden nicht zelebriert, nichts ist hier glamourös, egal ob Polizisten oder Gangster, alle sind sie einsame Fische, die im metallisch-kalt glänzenden Großstadt-Tümpel tagtäglich nach dem größten Brocken Futter jagen, was den Thriller ein Stück weit auch zur bitterbösen Kapitalismus-Allegorie macht (selbst das Kinderglück von Frank und Jessie muss schlussendlich auf dem Schwarzmarkt organisiert werden).

Jessie ist in dieser finsteren Welt eindeutig Hoffnungsträgerin (Frauenfiguren sollten in den kommenden Filmen von Mann mehr und mehr zur reinen Staffage vorkommen), die mit ihrer warmherzigen Art im steilen Kontrast zu ihrer Umgebung steht, aber auch ihr ist kein Glück beschert. So wie Jessie einst von ihrem Ex-Mann ausgebeutet wurde, soll schlussendlich Frank – der den Fehler gemacht hat, sich zu öffnen, sich verwundbar zu zeigen – ausgebeutet werden. Dieser kann sich selbst sowie Jessie zwar retten, doch nur wenn er wieder einen großen Schritt zurück macht, wieder zu dem Mann wird, zu dem er nie wieder werden wollte, wenn er sich der Realität stellt, sich der Welt, aus der er kommt, wieder beugt: einer Welt, in der es keinen Platz für ein „Wir“ gibt.

Es ist kaum zu glauben, dass es sich bei Thief um ein Debüt handelt, die wahre Klasse wird vielleicht auch erst deutlich, wenn man den Film mit späteren, weitaus weniger souveränen Arbeiten wie dem bereits erwähnten Miami Vice oder Public Enemies (2009) vergleicht: Mann erreicht hier eine formale Geschlossenheit wie im weiteren Verlauf seiner Karriere nur noch selten. Die phasenweise regelrecht surrealen Bilder sind eine Wucht, der Schnitt rasiermesserscharf und der fantastische Elektronik-Soundtrack von Tangerine Dream (die in den kommenden Jahren ebenso stark wie Mann abbauen sollten) untermalt das Geschehen punktgenau, verschmilzt mit den Bildern zu einer Einheit, einem funkelnden, technoid-kalten Juwel, mit einem zärtlich-wehmütigen Herzen.

Die „Ultimate Edition“ von OFDB Filmworks ist tatsächlich ultimativ, es ist kaum vorstellbar, dass eine Edition mit noch mehr auftrumpfen kann: drei verschiedene Fassungen des Films, zwei Audiokommentare, ein neues Interview mit James Caan, der Trailer, eine ausführliche (über einstündige!) Analyse der Films von F.X. Feeney, eine isolierte Musik- und Effektspur, eine (ältere) Dokumentation über Michael Mann, ein altes Interview mit James Cann, das kurz nach der Fertigstellung von Thief geführt wurde, ein Mini-Filmposter und ein Booklet. Und das alles in einem ausklappbaren Digipack, das in einem erfreulich stabilen Schuber steckt. Besser geht’s nicht.

Thief - Der Einzelgänger (5-Disc Ultimate Edition)

Die Geschichte ist so zielgerichtet wie der Protagonist: Frank (James Caan), ein hochtalentierter Tresorknacker, der sein halbes Leben hinter schwedischen Gardinen verbrachte, hat sich mit Kumpel Barry (James Belushi) darauf spezialisiert, Banken auszuräumen. Tagsüber markiert er den Gebrauchtwagenhändler, nachts wird das Einbruchswerkzeug ausgepackt.
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