The Wind That Shakes The Barley

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Ein düsteres Kapitel irisch-britischer Geschichte

Nun erscheint der Film auf DVD, der bei den Filmfestspielen in Cannes 2006 – überraschend, wie häufig in der Presse zu lesen war – mit der begehrten Goldenen Palme prämiert wurde. Die Jury um den Vorsitzenden Wong Kar-Wai entschied sich einstimmig für The Wind That Shakes The Barley als Sieger im Wettbewerb und begründete dies unter anderem damit, dass sich dieser politische Film beim Fachpublikum durch eine Perspektive des größten Mitgefühls ausgezeichnet habe. Den Titel hat sich Regisseur Ken Loach bei der gleichnamigen Ballade des irischen Dichters Rober Dwyer Joyce geborgt, deren Motiv der tragischen Rebellion von 1798 in Irland mit dem brisanten Thema seines Films korrespondiert: dem blutigen Kampf der Iren um Unabhängigkeit von der britischen Herrschaft in den frühen zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts.
Während sich in seiner Heimat Irland die politischen und sozialen Konflikte mit der britischen Kolonialmacht extrem zuspitzen und sich ein zu allem entschlossener, stetig wachsender irischer Widerstand organisiert, schickt sich der junge Arzt Damien (Cillian Murphy) an, nach London zu ziehen, um dort in einem Krankenhaus zu arbeiten. Doch kurz vor seiner Abreise erwacht unvermittelt sein Bewusstsein für die brutale Unterdrückungspraxis, der seine Landsleute ausgesetzt sind, denn er wird Zeuge, wie ein junger Nachbar von britischen Söldnern, den so genannten Black and Tans, zunächst gedemütigt und letztlich zu Tode geprügelt wird. Dieses traumatische Erlebnis verändert radikal Damiens Leben, der sich nun rasch dazu entschließt, seine Pläne aufzugeben und fortan für die Befreiung seines Landes zu kämpfen. Gemeinsam mit seinem Bruder Teddy (Pádraic Delaney), der bereits im Widerstand aktiv ist, schlägt sich der Arzt nun auf die Seite der Irish Republican Army (IRA) und schließt sich dem bewaffneten Kampf der Guerilla-Truppen an, die in verzweifelten militärischen Angriffen bemüht sind, den Feind zu schwächen.

Neben dem Leben im Untergrund stellen die Verbundenheit mit seinem Bruder und die Liebe zur tapferen Sinead (Orla Fitzgerald) die einzigen persönlichen Pfeiler in seinem Leben dar, doch als sich die offizielle Situation durch einen zweifelhaften Friedensvertrag mit den Briten im Dezember 1921 verändert, muss Damien begreifen, dass die tückischen Fallstricke der hohen Politik nicht nur die Wiederstandsbewegung in streitende Lager zersprengen, sondern auch die Beziehung zu seinem Bruder zu vergiften im Stande sind. Teddy befürwortet die neue politische Entwicklung, Damien hingegen hält weiterhin am Kampf für die absolute Unabhängigkeit Irlands fest, so dass die beiden Brüder schließlich als Todfeinde auf entgegengesetzten Seiten in den folgenden Bürgerkrieg ziehen.

Siebzig Jahre alt ist der britische Filmemacher Ken Loach mittlerweile, und nach wie vor ohne Wenn und Aber gnadenlos politisch. Wenig gefällig, sondern deutlich aufklärend ergreift er in seinem filmischen Schaffen Partei für die Unterdrückten und Unterlegenen, stets darum bemüht, harmonisierende Klischees zu zersetzen und einen humanistischen Blickwinkel von mitunter beißendem Realismus einzunehmen, der meist einen aktuellen Bezug nicht vermissen lässt. Ist The Wind That Shakes The Barley auch ein Film über Ereignisse in ferner Vorzeit, so sind deren direkte Folgen noch im heutigen Irland schmerzhaft spürbar. In einem Interview mit dem Bayerischen Fernsehen beantwortete er einmal die Frage nach dem Nutzen seines Engagements, das scheinbar nichts verändere, mit den Worten: „Ich bin kein Messias, der Segen bringend durchs Land zieht. Es reicht doch, wenn ich auf Mißstände aufmerksam mache. Die große Weltveränderung oder Weltrevolution durch Film habe ich mir schon lange abgeschminkt. Ich gebe denen eine Stimme, die man sonst nicht hört.“

Neben der handwerklich und schauspielerisch absolut gelungenen Inszenierung ist The Wind That Shakes The Barley ein Werk von einer gefühlvollen Tiefe, die in Verbindung mit durchaus poetischen Elementen und ebenso grausamen wie wunderschönen Bildern zu Herzen geht. Darüber hinaus ist es ein historisch sensibler Film über das gewalttätige Grauen von Unterdrückung, Widerstand und Krieg, der sich nicht scheut, Position zu beziehen und neben der realitätsnahen Darstellung der Auswirkungen der großen Geschichte den Fokus auf das individuelle Schicksal der Betroffenen richtet. Und es ist diese persönliche Ebene, die den Menschen innerhalb der politischen Tragödie als Leid Tragenden aufspürt und ihm eine Stimme verleiht, die den Zuschauer berührt, bewegt und nicht so bald wieder loslässt.

The Wind That Shakes The Barley

Nun kommt zum Jahresende jener Film bei uns in die Kinos, der bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes – überraschend, wie häufig in der Presse zu lesen war – mit der begehrten Goldenen Palme prämiert wurde.
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Meinungen

Uschi Grandel · 26.12.2006

Ganz hervorragender Film, der auch ein Verständnis für die historischen Wurzeln des Nordirlandkonflikts fördert. Koloniale Unterdrückung hat nicht nur in Irland lang andauernde Konflikte geschaffen.