The Unforgiven (2013)

Eine Filmkritik von Gregor Ries

Amerikanisch-asiatischer Eastwood-Transfer

Erbarmungslos / Unforgiven von 1992 erfuhr nach The Good, the Bad & the Ugly / Zwei glorreiche Halunken) ein weiterer Clint Eastwood-Klassiker einen asiatischen Transfer. Während Kim Jee-woons koreanisches Remake The Good, the Bad, the Weird mehr auf Action und bizarre Charaktere baute, geht Lee Sang-il in seiner japanischen Fassung des Spätwesterns Erbarmungslos den umgekehrten Weg. Stärker als im Original verlangsamt er den Rhythmus des düsteren Epos und zeigt sich an einem Spannungsbogen eher desinteressiert.

Dazu verlegte er David Webb Peoples Plot ins Jahr 1880, ans Ende der Shogun-Ära und den Beginn der Meiji-Zeit. Ken Watanabe (Batman Begins, Inception) verkörpert den stoischen ehemaligen Auftragskiller Jubei, der seiner mörderischen Profession längst abschwor. Als verwitweter Bauer versucht er mühsam, seine beiden Kinder zu ernähren, was sich angesichts des kargen Landes als aussichtsloses Unterfangen erweist. Sein früherer Waffenbruder Kingo (Akria Emoto) überredet ihn zu einem neuen Auftrag. Im hohen Norden der Insel Hokkaido setzten Prostituierte ein Kopfgeld auf zwei Brüder aus, die einer der ihren das Gesicht zerschnitten und mit einer recht milden Strafe davon kamen. Allerdings stehen die Täter weiterhin unter der Obhut des sadistischen Gesetzeshüters Oichi (Kôichi Satô), der Waffenträger grundsätzlich verabscheut und sie demütigt. Auf ihrem mühsamen Weg schließt sich den beiden Reisenden der schwatzhafte Goro (Yûya Yagira) an, der ebenfalls auf eine Laufbahn als bezahlter Mörder hofft.

Im Wesentlichen hält sich Lee Sang-il an die vertraute Handlung, die er mit einigen Rückblenden zu Jubeis kriegerischem Werdegang angereichert hat. Extremer als im Vorgänger demontiert Sang-il Mythen, entlarvt harte Kämpfer als weinerliche Schwächlinge, Helden als gebrochene Existenzen und Gesetzeshüter als brutale Egoisten. Gegen den selbstherrlichen Oichi erscheint der von Gene Hackman im Original gespielte Sheriff Daggertt wie eine Ausgeburt an Tugendhaftigkeit. Dagegen wirkt Samurai Jubei als Relikt einer untergegangenen Epoche, der sich als Vertreter des Edo-Shogunats nicht mit dem Zeitenwandel und den Widrigkeiten seiner Existenz arrangieren kann.

Ihren Reiz erlangt die Neuauflage durch die Verlegung des historischen Schwanengesangs in die verschneite Bergwelt Hokkaidos, was für lyrische Bilder sorgt. Dem steht die mitunter eruptive Gewalt entgegen, die einen harten Kontrast zur Schönheit der Landschaft liefert. Der steten Diskriminierung sieht sich gleichfalls der Stamm der Ainu ausgesetzt, von dem Möchtegern-Killer Goro abstammt. Letztlich muss sein Wunsch nach Bewährung an Erwartungshaltungen und Widrigkeiten scheitern.

Wiederholt überspitzt Lee Sang-il Genreelemente und lässt Erwartungen bewusst ins Leere laufen. In der Dekonstruktion des Samurai-Westerns baut er auf zerdehnte Momente, wie im schier entlosen Showdown, in dem kaum ein Angriff oder ein Zweikampf wirklich gelingen will. In seiner kunstvollen Legendenzertrümmerung verfolgt Lee Sang-il die mühsame Odyssee seines Trios mit teils bitterem Humor, aber auch einigen qualvoll überhöhten Sequenzen, die sein Werk von der US-Vorlage abhebt.

The Unforgiven (2013)

Mit „Erbarmungslos“ / „Unforgiven“ aus dem Jahre 1992 erfuhr nach „The Good, the Bad & the Ugly“ / „Zwei glorreiche Halunken“ ein weiterer Clint Eastwood-Klassiker einen asiatischen Transfer. Während Kim Jee-woons koreanisches Remake „The Good, the Bad, the Weird“ mehr auf Action und bizarre Charaktere baute, geht Lee Sang-il in seiner japanischen Fassung des Spätwesterns „Erbarmungslos“ den umgekehrten Weg.
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