The Town - Stadt ohne Gnade

Eine Filmkritik von Tomasz Kurianowicz

Der Weg nach Oben

Der Bankraub als filmisches Thema ist vermutlich so alt und traditionsreich wie das Medium Kino an sich. Insofern hat Ben Affleck mit seiner neuen Regiearbeit The Town — Stadt ohne Gnade ein Genre ausgewählt, das aufgrund der üppigen Anzahl an Vorgängerproduktionen und Kultfilmen den Anspruch, künstlerische Selbstständigkeit zu beweisen, zu keinem einfachen Unterfangen macht. Darüber hinaus wird man leidvoll zugeben müssen, dass Ben Affleck im Prozess seiner persönlichen Entwicklung nicht immer die beste Figur abgegeben hat: Qualitativ besehen, fühlt sich seine künstlerische Karriere an wie ein kurvenreiches Auf und Ab in einem Karussell.
Auch The Town ist in dieser Hinsicht ein zwiespältiges Werk: ein Gangsterfilm, der zwar durchaus spannende Momente aufzubereiten vermag, fesselnde dramaturgische Mittel allerdings viel zu oft auszusparen versucht. Schon die Story klingt recht simpel und wenig spektakulär: Doug MacRay (neben dem Schreiben des Storybords und der Regiearbeit hat Ben Affleck auch die Hauptrolle übernommen) treibt in einem der dunkelsten Vororte von Boston sein durchtriebenes Unwesen. In diesem Höllenloch, wo brutale Ganoven auf den Straßen Angst und Schrecken verbreiten, gilt Doug als besonders gewieftes Schlitzohr, da es ihm nicht nur gelingt, Banküberfälle effizient zu organisieren, sondern auch noch immer wieder galant vor den vielen ihn jagenden Polizisten zu entkommen.

Gleich am Anfang des Films wird der Zuschauer in den Grundkonflikt der Handlung hineingeworfen: Bei einem Überfall in einer Bank wird ein Mitarbeiter angeschossen, so dass die maskierte, sich um Doug scharende Ganovengruppe gezwungen ist, eine Geisel mitzunehmen, um sicher den Weg nach Draußen zu ertasten. Die Geisel Claire (Rebecca Hall) muss also nicht nur das Geld aus dem Safe holen, sie muss auch noch in Todesangst die nervös herumballernden Verbrecher begleiten, die sich hinter Plastik-Fratzen verstecken – um schlussendlich wieder in die Freiheit entlassen zu werden.

Später stellt sich jedoch heraus, dass Claire in der gleichen Gegend wohnt wie die Gangsterbande, so dass Doug die Frau hinterher besuchen muss, um die Verschwiegenheit und das Unwissen der zufällig hineingeratenen Bankangestellten zu testen. Diese wiederum ist seit dem Überfall traumatisiert. Bei der ersten Begegnung mit Doug glaubt sie noch fest daran, dass der dahergelaufende Mann einfach nur ein netter Typ ist, der ein Interesse für sie entwickelt. Ganz Unrecht hat sie damit nicht: Denn auch Doug beginnt die sich häufenden Begegnungen zu genießen, wobei ihn das Gefühl der Geborgenheit dazu motiviert, seine Biographie, den Weg zum Verbrecherberuf, schlicht: sein ganzes Leben als Ganove zu hinterfragen. Das Ergebnis lässt sich leicht imaginieren: Beide verlieben sich ineinander. Doug muss, um die Beziehung nicht zu gefährden, sein Geheimnis so lange wie möglich aufrecht erhalten, damit die Vertrauensbasis nicht zerstört wird. Klar ist jedoch auch, dass die Lüge irgendwann ans Tageslicht geraten muss.

Dieses psychologische Verwirrspiel funktioniert noch im ersten Abschnitt des Filmes, in weiteren Teilen verliert sich dann aber der Sinnbezug in purer Effekthascherei. So auch die Action-Szenen: Bei den verschiedenen Banküberfällen, die immer wieder die Doppelidentität des Gangsterbosses unterstreichen, zischen so viele Kugeln und Schüsse vorüber, so viele rauschhaft und affektiert durchgeführte Schießereien, dass man sich zu fragen beginnt, ob Ben Affleck hier eine Gangster-Parodie zu verwirklichen versucht, oder ob er das alles wirklich ernst meint. Für eingefleischte Action-Fans mag das noch reichen (zugegeben: die Karambolagen sind aufwendig in Szene gesetzt), wer aber Interesse an einem ansprechenden Storyboard hat, der wird die überall auffindbaren Action-Köder nicht ganz so einfach zu schlucken vermögen.

Enttäuschend ist auch eine zweite Sache: Die Premiere von The Town wurde vom amerikanischen Publikum auch deshalb mit Spannung erwartet, weil darin die schauspielerische Neuentdeckung Jon Hamm eine der tragenden Rollen spielt, nämlich den engagierten FBI-Chef Adam Frawley, der immer dicht an Dougs Sohlen klebt. Jon Hamm ist in den letzten Jahren vor allem durch sein Auftreten als jovialer und unverschämt cooler Werbefachmann Don Draper aufgefallen, den er in der faszinierenden und für das ganze Genre stilprägenden Serie „Mad Men“ verkörpert (mittlerweile läuft die Sendung in der vierten Staffel). Schauspielerisch bleibt Jon Hamm weit unter seinen Möglichkeiten, was wieder einmal zeigt, wie schwierig es ist, einerseits ein autonomes charakterliches Profil zu kreieren und damit aus bekannten Rollenmustern herausfallen zu wollen, und andererseits die eigene Fan-Gemeinschaft nicht zu enttäuschen – ein Spagat, der im Grunde nur scheitern kann.

Man sollte jedoch nicht zu streng sein: Alles in allem ist The Town kein schlechter Film, nur eben keiner, der in allen Details überzeugt. Trotzdem wird man nunmehr bilanzieren dürfen, dass Ben Affleck nach wechselhaften Kapiteln in seiner Karriere langsam wieder den Weg nach oben erklimmt. Und das ist doch schon mal eine ziemlich positive Nachricht.

The Town - Stadt ohne Gnade

Der Bankraub als filmisches Thema ist vermutlich so alt und traditionsreich wie das Medium Kino an sich. Insofern hat Ben Affleck mit seiner neuen Regiearbeit „The Town — Stadt ohne Gnade“ ein Genre ausgewählt, das aufgrund der üppigen Anzahl an Vorgängerproduktionen und Kultfilmen den Anspruch, künstlerische Selbstständigkeit zu beweisen, zu keinem einfachen Unterfangen macht.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen