The Theatre Bizarre

Eine Filmkritik von Lida Bach

Theater des Grauens

Hereinspaziert! An diesem Abend sind die Türen unverschlossen, obwohl sie eigentlich vor langer Zeit zugesperrt wurden. Der Eingang des Theatre Bizarre erwartet mit offenen Armen das Publikum zu einer lüsternen Umklammerung des Makaberen. Freie Platzwahl! Das große Kasperletheater spielt auf Wunsch einer einzelnen Dame. Aus ihrem trübsinnigen Zimmer zieht es die junge Enola Penny (Virginia Newcomb) in das alte Theater auf der anderen Straßenseite, in dem der monströse Zeremonienmeister Peg Poett (Udo Kier) sechs abgründige Geschichten orchestriert.
Die Vorstellung eröffnet eine szenische Lesung über Okkultismus, inszeniert von Richard Stanley. Genau genommen ist der Beitrag Mother of Toads des Regisseurs ja eine Zusammenarbeit, da ihm der Plot wahrhaftig durch sein Ouija-Brett direkt aus dem Dämonenreich übermittelt wurde. Romantik, auf dass die Zuschauer auf den Doppelsitzen für Pärchen näher zusammenrücken, bietet Buddy Govinazzos I love You. Dessen grausame Gefühlssektion weicht der schieren Fleischeslust in Tom Savinis Wet Dreams. Klingt der Titel selbst nicht nach einer Anspielung auf den Traum, der Savinis Episode inspirierte? Oder ist das Begehren nur ein Partner des Todes, über den Douglas Bucks kontemplatives Folgesegment The Accident sinniert? Weil Blicke töten können, examiniert sie Karim Hussains buchstäbliches Spektakel Vision Stains, bei dem es um die sensationalistische Lust am Spektakel und die perverse Psychologie von Exhibitionismus und Voyeurismus geht, die auf dem Grund jeder (Zur)Schaustellung lauert. Der fast ans Ende der morbiden Maskerade verdrängte Psychothriller weckt den Appetit auf Horror, den David Gregorys Sweets schlussendlich stillt.

Um die von sechs Genre-Veteranen inszenierten Kurzfilme herum konstruiert Jeremy Kasten den genüsslich-exzentrischen Handlungsrahmen. Theatre Guignol prunkt auf dem, was im figürlichen und wörtlichen Sinne die Bühne des cineastischen Horrorkabaretts ist. In angemessen clowneskem Make-up führt ein vergnüglicher Udo Kier durch die vom Grottenschlechten (Mother of Toads, der das in H. P. Lovecrafts Erzählungen beschworene unaussprechlich-abgründig-uralte Böse bündelt mit einer nicht jugendfreien Version von „Küss den Frosch“) über Guilty Pleasures (Sweets, dessen süßlicher Sadismus zwischen einer morbiden Intonation des Refrains von Iggy Pops Candy und sarkastischer Gesellschaftskritik schwankt) bis zum Grausam-Genialen (The Accident, dessen intellektueller Schrecken die kalte Absolutheit und Unergründlichkeit des Todes ist) als gespenstisch belebte Bauchrednerpuppe, die nicht zufällig an Michael Redgraves heimtückischen Puppenpartner „Hugo“ aus Dead of Night erinnert.

Der Vergleich mit dem wohl besten Episoden-Gruselfilm mag auf den ersten Blick nachteilig für die von David Gregory produzierte Kinoanthologie scheinen, tatsächlich zeigt er die dramaturgische Crux der cineastischen Abkömmlinge von Weird Tales, Twilight Zone und den Geschichten aus der Gruft. Nicht nur die Qualität, auch Atmosphäre, Szenerie und Stimmung variieren stark von Segment zu Segment, abhängig vom individuellen Stil des Regisseurs und dessen Wahl des Genres, das bei The Theatre Bizarre von Monsterhorror über Splatter bis zu Thriller und Drama reicht. Seine Unberechenbarkeit und Willkür machen den filmischen Wechselbalg erst zu der faszinierenden Monstrosität, deren scheinbare Missbildung eine eigene Form des Ebenmaßes ist.

The Mother of Toads evoziert im an Dario Argento erinnernden Episodentitel und dem Pyrenäen-Setting ferne Erinnerungen an den italienischen Giallo, der eine Symbiose mit dem Okkult-Horror H.P. Lovecrafts eingeht, bevor I love You das Ende einer pathologischen Beziehung exhumiert. Regisseur Savini persönlich unterzieht seinen Protagonisten (James Gill) in Wet Dreams einer Freudschen Traumdeutung, aus der The Accident in die unterkühlte Realität eines von einem kleinen Mädchen (Mélodié Simard) beobachteten Unfalltodes erwacht. Sowohl The Theatre Bizarre selbst als auch die Rahmenhandlung um das Theatre Guignol sind eine Verbeugung vor dem historischen Horrortheater Grand Guignol. Exakt 50 Jahre nach dessen Schließung öffnet The Theatre Bizarre mit einer würdigen Hommage.

The Theatre Bizarre

Hereinspaziert! An diesem Abend sind die Türen unverschlossen, obwohl sie eigentlich vor langer Zeit zugesperrt wurden. Der Eingang des „Theatre Bizarre“ erwartet mit offenen Armen das Publikum zu einer lüsternen Umklammerung des Makaberen. Freie Platzwahl! Das große Kasperletheater spielt auf Wunsch einer einzelnen Dame. Aus ihrem trübsinnigen Zimmer zieht es die junge Enoal Penny (Virginia Newcomb) in das alte Theater auf der anderen Straßenseite, in dem der monströse Zeremonienmeister Peg Poett (Udo Kier) sechs abgründige Geschichten orchestriert.
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