The Taking of Tiger Mountain

Eine Filmkritik von Gregor Ries

Treue, Ehre, Mut und Männerbünde

Nachdem er mit Flying Swords of Dragon Gate eine international erfolgreiche Mischung aus Hommage, Fortsetzung und Remake des legendären King-Hu-Klassikers Die Herberge zum Drachentor vorlegte, setzt Regisseur Tsui Hark mit dem ebenfalls in 3D angelegten The Taking of Tiger Mountain auf das gleiche Konzept. In China gehört der Stoff nach Qu Bos Roman Tracks in the Snowy Forest (1957) zur Populärkultur, so dass es kaum verwundert, dass sich Harks Adaption zum zehnterfolgreichsten chinesischen Film aller Zeiten entwickelte. Der Roman um den Kampf der PLA, der chinesischen People’s Liberation Army, gegen Banditen und Kriegsgewinnler in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg wurde schon als Oper und Propagandaepos Taking Tiger Mountain by Strategy (1970) bearbeitet, aus dem Prolog und Nachspann zugleich zitiert.
In der überflüssigen Gegenwartsrahmenhandlung wird ein junger Mann (Han Geng) durch den Filmklassiker in die Vergangenheit gezogen. Eine weihnachtliche Sichtung unter Freunden in einer Karaoke-Bar löst die Erinnerung an die verlustreiche Schlacht zwischen chinesischen Soldaten und einer Armada aus Plünderern und Gangstern aus, die sich 1946 nach Rückzug der japanischen Armee zutrug. Beherrscht wurde das Gebiet rund um den Tigerberg von Verbrecherkönig Lord Hawk (Tony Leung Ka-Fei), der in seinem unterirdischen Domizil rund 3000 Waffen hortete und über eine stattliche Armee verfügte, dank der er die Macht der nord-östlichen Region auf sich vereinen konnte.

Seinen Spitznamen Lord Hawk zog sich der Kingpin durch seinen Habicht zu, den er gelegentlich als Spion entsandte. Für Regisseur Tsui Hark bieten dessen Flüge die Gelegenheit, die entfesselte Kamera als Blick des räuberischen Vogels einzubauen, der als Quasi-Drohne Spitzeldienste übernahm. Zugleich erinnern diese Achterbahnfahrten an die Frühzeit des (stereoskopischen) IMAX-Films, wo der Zuschauer stets in ein schwindelerregendes Gefühl versetzt werden sollte.

Als Gegenspieler der skrupellosen Barbarenbande agieren die Soldaten Captain Shao Jianbo (Lin Genxin), den alle nach seiner Einheit nur „203“ nennen, und der real existierende Undercoveragent Yang Zirong (Zhang Hanyu), dem es mit viel Chuzpe und Kaltblütigkeit gelingt, die Organisation zu infiltrieren. Dort entdeckt er Gangsterbraut Qinglian (Yu Nan aus Speed Racer), die sich als entführte Mutter des Jungen Knotti entpuppt. Doch mehrere Angriffe und Versuche, das Machtgefüge in der verschneiten Region wieder zurecht zu rücken, schlagen fehl.

In seinem Weihnachts-Blockbuster vereint Tsui Hark zwischen zahlreichen Feuergefechten, Faustkämpfen, Marial Arts-Stunts, Intrigen, patriotischen Momenten und sentimentalen Einlagen, für die der kleine Junge Knotti („Kleine Möwe“) zuständig ist, all jene Ingredienzien, die zu den Erfolgsgaranten des asiatischen Kinos gehören. Zwar gleitet The Taking of Tiger Mountain nicht zum reinen Propagandastreifen ab, doch Anflüge an anti-japanischer Tendenz machen deutlich, dass sich Hark ebenso wie andere Genreregisseure, beispielsweise Johnny To bei Drug War, den Vorgaben und Erwartungen des chinesischen Kinos unterwarf. Hier wird Action nur geduldet, wenn man sie in einem historischen Kontext einfügt.

Wie schon bei Flying Swords of Dragon Gate erweist sich Harks Epos um Treue, Ehre, Mut und Männerbünde deutlich auf den 3D-Effekt ausgerichtet. Zu den Höhepunkten gehört eine spektakuläre Tigerattacke in den Schneewäldern als Mischung aus CGI-Trick und Tierdressur, in der die reißende Bestie mehrfach den Zuschauer anzuspringen scheint. Bei einer Länge von 140 Minuten treten allerdings häufiger Redundanzen auf. Weniger wäre mitunter mehr gewesen. Besonders zeigt sich dies im ausgedehnten Finale rund um die titelgebende Erstürmung des Tigerbergs. Hark bietet gleich zwei Schlussvarianten an: Ein aktionsreicher Zweikampf auf Lord Hawks Fluchtflugzeug erinnert an die legendäre Ära des amerikanischen Serials mit Reihen wie Drums of Fu Manchu, in der sich der furchtlose Protagonist stets aus ausweglosen Cliffhanger-Situationen befreien musste. Eindringlicher wirkt jedoch das dichte erste Finale in James Bond-Manier.

Zu den Pluspunkten zählt der kaum wieder zuerkennende Tony Leung Ka-fei (drehte mit Tsui Hark zuletzt Detective Dee und die Phantomflammen) als verschlagener Kriegsherr Lord Hawk, der hinter Perücke, dunkler Schminke und falscher Nase eine eindrucksvolle, böse Performance abliefert. Zeitweise interessiert sich Hark stärker für die Grabenkämpfe unter den kriminellen Clans als für die etwas farblosen Helden, unter denen sich noch eine tapfere Krankenschwester bewähren darf. Seine Mischung aus Kriegs-, Fantasy- und Gangsterabenteuer erweist sich als effektvoll und dynamisch inszeniert, hätte aber mit einem plausibleren, stringenten Plot besser funktioniert.

The Taking of Tiger Mountain

Nachdem er mit „Flying Swords of Dragon Gate“ eine international erfolgreiche Mischung aus Hommage, Fortsetzung und Remake des legendären King-Hu-Klassikers „Die Herberge zum Drachentor“ vorlegte, setzt Regisseur Tsui Hark mit dem ebenfalls in 3D angelegten „The Taking of Tiger Mountain“ auf das gleiche Konzept. In China gehört der Stoff nach Qu Bos Roman „Tracks in the Snowy Forest“ (1957) zur Populärkultur, so dass es kaum verwundert, dass sich Harks Adaption zum zehnterfolgreichsten chinesischen Film aller Zeiten entwickelte.
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Meinungen

Uwe Widmaier · 04.01.2015

Klasse gemachter Film mit hohem Unterhaltungswert. Super Action, da kann sich Hollywood warm anziehen wenn die Chinesische Filmindustrie so weitermacht.