The Take

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Hoffnung für ein gebeuteltes Land

Einstmals galt der argentinische Staatspräsident Carlos Meném als Hoffnungsträger, die seit jeher schwierige wirtschaftliche Lage des südamerikanischen Landes entscheidend zu verbessern. Mittels radikaler Privatisierung aller Staatsbetriebe, einer bedingungslosen Unterwerfung an die Vorgaben des Internationalen Währungsfonds und durch den Aufbau eines undurchschaubaren Kreditsystems, das vor allem den privaten Konsum ankurbeln sollte, schafften Meném und sein Wirtschaftsminister Domingo Cavallo Anfang der Neunziger die Wende. Das Bruttoinlandsprodukt stieg rasant, und schon bald galt das einstmalige Sorgenkind Lateinamerikas als neoliberaler Musterknabe.

Die Ernüchterung folgte schnell: Die enormen Steigerungsraten beruhten nicht auf tatsächlicher wirtschaftlicher Effizienz, sondern schlicht auf finanziellen Spekulationen, die schließlich das ganze Land an den Rand des Staatsbankrottes trieben. Die Dummen waren wieder einmal die kleinen Leute, die sich viele Produkte aufgrund enormer Teuerungsraten und der Kopplung des Peso an den US-Dollar nicht mehr leisten konnten. Zugleich machten sich die privatisierten Unternehmen daran, im Dienste der Effizienzsteigerung massenhaft Mitarbeiter zu entlassen. Das Land versank in Armut, bis es im Jahr 2001 schließlich zum endgültigen Knall und zu teils gewalttätigen Protesten kam.

Doch es gibt auch Menschen, die den Weg aus der Depression fanden. Zu ihnen zählen die Arbeiter des Autoteile-Zulieferers „Forja San Martin“, die nach langen Streitigkeiten vor Gericht die Fabrik einfach selbst übernahmen und seither als Kooperative führen – und zwar höchst erfolgreich. Jeder Arbeiter ist im gleichen maße stimmberechtigt und zugleich Anteilseigner am basisdemokratischen Unternehmen – ein kleines Fünkchen Hoffnung, ein Strohhalm inmitten einer ausweglos scheinenden Situation. Rund 200 Fabriken werden derzeit in Argentinien auf ähnliche Weise geführt, aus dem anfänglichen kleinen Widerstand der entlassenen Arbeiter ist eine landesweite Bewegung geworden, die allerdings noch die Minderheit darstellt. Die Erfahrungen zeigen, dass das Beispiel Schule machen könnte.

The Take / Die Übernahme von Avi Lewis und seiner Frau, der prominenten Globalisierungskritikerin Naomi Klein (No Logo) ist kein Dokumentarfilm im herkömmlichen Sinne, dazu fehlt es zu sehr an der Objektivität und Ausgewogenheit der Betrachtung. Niemals lässt Lewis auch nur den geringsten Zweifel daran aufkommen, auf wessen Seite seine Sympathien liegen – Politiker und Bosse jedenfalls kommen in The Take / Die Übernahme denkbar schlecht weg. Und so ist der Film denn auch am ehesten als kämpferisches politisches Pamphlet anzusehen.

Lewis und Klein packen eine Menge Stoff in die knapp eineinhalb Stunden Film, und so ist es nicht verwunderlich, dass manche historischen Aspekte doch sehr gerafft und zu verknappt erscheinen, um sich ein wirklich umfassendes Bild von der Lage in Argentinien zu machen. Doch als Ausgangspunkt für eine weitere Vertiefung zum Problemkreis „Schatten der Globalisierung“ ist der Film allemal bestens geeignet, zumal er Mut macht, das Heft selbst in die Hand zu nehmen und solidarisch zu handeln.
 

The Take

Einstmals galt der argentinische Staatspräsident Carlos Meném als Hoffnungsträger, um die seit jeher schwierige wirtschaftliche Lage des südamerikanischen Landes entscheidend zu verbessern.

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Meinungen

hawk rdb · 09.10.2006

ein ergreifender film, der zeigt, wie stark "wir" sind, wenn wir uns organisieren! und: eine andere welt ist möglich!!!