The Story of Film (2011)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Abenteuer Filmgeschichte

Als eine Odyssee bezeichnet der aus Nordirland stammende Filmkritiker und Dokumentarfilmer Mark Cousins sein fünfzehn Episoden umfassendes Werk The Story of Film – Die Geschichte des Kinos, und dieser Begriff beschreibt treffend sowohl das über 900 Minuten umfassende Resultat seiner reichhaltigen Recherchen, professionellen Analysen und persönlichen Betrachtungen in Sachen Film als auch die abenteuerliche Atmosphäre von Aufbruch und Innovation, die das Kino und seine Geschichte seit Beginn dieser Unterhaltungs- und Kunstform der bewegten Bilder gegen Ende des 19. Jahrhunderts versprühen.

Filmemachen, so räsoniert Mark Cousins, dessen Präsentation in der deutschen Synchronisation vom Autoren und Filmkritiker Knut Elstermann mit gleichsam wohlklingender Stimme gesprochen wird, ist die Kunst, dem Zuschauer das Gefühl zu vermitteln, dabei zu sein. Von Thomas Edison und den Brüdern Lumière bis hin zum digitalen Kino des 21. Jahrhunderts ereignet sich hier unter Einbeziehung der unterschiedlichsten Aspekte filmischer Gestaltung eine packende Historie des Lichtspiels, die zwar chronologisch angeordnet ist und thematische Schwerpunkte setzt, aber immer wieder bestimmte Techniken und Motive zu einer filigranen Gesamtschau verknüpft. Zwischen der ersten Episode „Die Welt entdeckt eine neue Kunstform“ (1895-1918) und dem abschließenden Beitrag „Der Film schließt den Kreis und die Zukunft des Kinos“ (seit 2000) erscheinen detailverliebte bis überblickende Darstellungen und Reflexionen beispielsweise über das westeuropäische Kino, New American Cinema und die Expansion des Weltkinos, wobei Mark Cousins durchaus einige berühmte Filmwerke berührt, aber auch im westlichen Kulturkreis weniger bekannte Arbeiten aus Asien und Afrika sorgfältig und mit Scharfblick würdigt. Diese globale Ausrichtung im Sinne der Wahrnehmung und Visualisierung marginalisierter Filmkünstler ist ein zentrales Anliegen dieser Dokumentation: Da Filmgeschichte in ihrer gewöhnlichen Form häufig von Exklusion und Rassismus geprägt war und ist, hat sich Mark Cousins für eine weitaus offenere Perspektive entschieden, die einige überraschende Aspekte beleuchtet und eindrucksvoll die schillernde Vielfältigkeit des internationalen Kinos transportiert.

Facettenreich kommentierte Filmausschnitte bilden den Kern von The Story of Film, der von Interviews und Archivaufnahmen mit Regiegrößen wie Bernardo Bertolucci, Samira Makhmalbaf, Lars von Trier und Roy Andersson sowie zahlreichen weiteren Filmschaffenden und Schauspielern umgeben wird. Es ist gleichermaßen erstaunlich wie aufschlussreich, welch Spezifitäten in technischer, künstlerischer, politischer philosophischer, sozialkritischer und weiterer Hinsicht sich in einer einzelnen Szene manifestieren können, und Mark Cousins versteht es mit seiner präzisen Beobachtung und seinem umfangreichen Experten-Wissen ganz ausgezeichnet, den Blick seines Publikums für Implikationen zu schärfen, die bei der schlichten Sichtung eines Films gewöhnlich kaum ins Auge fallen, aber für ein tieferes Verständnis seines Ausdrucks von immenser Bedeutung sind.

Fans, die Filme als undurchdringliche, magische Erlebniswelt zur Unterhaltung und emotionalen Aufwühlung favorisieren, wird The Story of Film kaum ansprechen, doch wer ergründen mag, auf welche Weise die Faszination einer Sequenz oder Gesamtkonstruktion auf filmischem Terrain entsteht, wird in dieser ausführlichen Dokumentation einen bildenden Schatz finden, der nicht nur über hundert Jahre Filmgeschichte umfasst, Zusammenhänge transparent macht und kleine Tendenzen wie große Bewegungen skizziert, sondern vor allem die Entdeckungsfreude und das Vergnügen an der Kunstform Film fördert, die einst als Sensation begann und mittlerweile längst in den unterschiedlichsten Ausformungen ein alltägliches, höchst beliebtes Phänomen darstellt.

Die schlichte Tatsache, dass im Grunde der Schnitt das konstituierende Merkmal für den Film ist, der Abwechslungen, Gleichzeitigkeiten und auch Abläufe verschiedener Realitäten bestimmt, erscheint in den anschaulichen Ausführungen Mark Cousins als spannende Rekonstruktion einer kuriosen Innovation, und dergleich gelingt ihm die Präsentation zahlreicher Filmkunstpartikel – von den allseits beliebten aus der Traumfabrik Hollywoods bis hin zu den geschmähten oder oftmals lange ignorierten der mutigen Avantgarde aus der weiten, ideenreichen Welt des Kinos mit seiner enormen Visualisierungskraft, die kulturelle Grenzen ebenso markieren kann wie bei Zeiten destillieren lässt.
 

The Story of Film (2011)

Als eine Odyssee bezeichnet der aus Nordirland stammende Filmkritiker und Dokumentarfilmer Mark Cousins sein fünfzehn Episoden umfassendes Werk „The Story of Film – Die Geschichte des Kinos“, und dieser Begriff beschreibt treffend sowohl das über 900 Minuten umfassende Resultat seiner reichhaltigen Recherchen, professionellen Analysen und persönlichen Betrachtungen in Sachen Film als auch die abenteuerliche Atmosphäre von Aufbruch und Innovation, die das Kino und seine Geschichte seit Beginn dieser Unterhaltungs- und Kunstform der bewegten Bilder gegen Ende des 19. Jahrhunderts versprühen.

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