Dabei besagt The Secret nichts wirklich Neues. Vom Glauben, der Berge zu versetzen versteht, weiß bereits die Bibel, und so mag sich auch nach dem Film nicht so recht die Erkenntnis einstellen, worin denn nun das Titel gebende Geheimnis bestehen mag, wenn doch die Kraft des positiven Denkens und Manifestierens bereits seit langem bekannt ist und genutzt wird. Das wirklich Neue an The Secret ist lediglich, in welchem Umfang die Techniken der Affirmation und Selbstsuggestion verabsolutiert und zum obersten Gesetz des Universums erhoben werden und in welcher Weise sie zu einem Geheimnis umgedeutet hätten, dass „die Mächtigen“ der Menschheit Jahrtausende lang vorenthalten hätten, um sie in Unwissenheit und Not hausen zu lassen, während die Weisen ein glückliches und erfülltes, weil gewolltes Leben führen konnten. Das klingt viel eher wie der Plot für einen Fantasy-Roman über die Verschwörung finsterer Mächte als wie ein Ratgeber-Buch. Doch vielleicht sind das ja die nötigen Dramatisierungen und Zuspitzungen, die aus dem Buch einen Kassenschlager machten. Doch wie wusste schon G.K. Chesterton, der Erfinder des Pater Brown: „Wenn die Menschen nicht mehr an Gott glauben werden sie nicht nichts glauben, sie werden alles glauben.“

In letzter Konsequenz zu Ende gedacht bedeutet das Gesetz der Anziehung auch, dass Menschen, denen unfassbares Leid widerfahren ist, selbst Schuld an ihrem Zustand und ihrer eigenen Lage tragen: Ob millionenfacher Hungerstod in Afrika, der Holocaust, unheilbare Krankheiten, Kriege, private Tragödien – nach dem propagierten Gesetz der Anziehung sind dies keine Schicksale, sondern lassen sich zurückführen auf negatives Denken, auf die Macht der Gedanken, die ebenso wie im Guten auch im Bösen alles bewirken können. Wollen wir so etwas wirklich denken? Keine Frage – wir haben unser Schicksal auch selbst in der Hand. Und auf dem Weg, die eigenen Geschicke zu lenken, ist positives Denken ein wichtiger Schritt. Allerdings stellt sich nach dem Betrachten schon die Frage, was dann mit all denen sein soll, die offensichtlich nicht fest genug geglaubt haben? Sollen wir wirklich verächtlich an ihnen vorbei gehen, sie belächelnd, weil sie im Spiel des Lebens die Verlierer sind und wir die Gewinner?

Mit Sicherheit ist an der hier vertretenen Theorie einiges dran – und die Techniken von NLP bedienen sich der gar nicht so geheimen Geheimnisse. Ob man es allerdings mit der (All-)Macht der Gedanken so weit treiben muss wie Rhonda Byrne, das sei dahingestellt. Doch letzten Endes ist es jedem selbst überlassen, woran er glaubt und nach welchen Prinzipien er sein Leben ausrichtet. Und nun machen Sie die Augen zu und wünschen sich etwas – vielleicht wenn Sie fest genug dran glauben, wird ja etwas draus. Ich wünsche mir jetzt auf jeden Fall erstmal mehr aufregende und gelungene Filme im Kino. Und für den Anfang würde es mir reichen, wenn dieser Film besser geraten wäre als er es ist. Ein Dokumentarfilm ist The Secret jedenfalls nicht. Dafür ist er zu unausgewogen und stellt sich zu sehr in den Dienst der Sache von Rhonda. Er ist die mal mehr, mal weniger gelungene visuelle Umsetzung eines Gedankengebäudes, das offensichtlich einem tiefen Bedürfnis der Menschen nach einen selbst bestimmten und vor allem glücklichen Leben Rechnung trägt.