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In dieser Tragikomödie spielt Johnny Depp einen Hochschullehrer, der alle Regeln über Bord wirft. Angesichts Depps privater Eskapaden bietet diese Konstellation filmischen Zündstoff. Ein feuriger Spaß oder laue Komödienkost?

The Professor (2018)

Eine Filmkritik von Falk Straub

Der entrückte Professor

Wayne Roberts‘ zweiter Spielfilm hat einen langen Weg hinter sich. Bereits Mitte 2017 gedreht, feierte er beim Zurich Film Festival im Oktober 2018 seine Premiere und startete im Mai 2019 in den USA. Hierzulande erscheint die Tragikomödie nur fürs Heimkino. Das dürfte, ebenso wie der überschaubare US-Start, zu großen Teilen am Hauptdarsteller liegen: Johnny Depp.

Zum deutschen Starttermin der DVD und Blu-ray macht Depp wieder einmal Schlagzeilen. Die Frage, ob er seine Ex-Frau Amber Heard während der Ehe körperlich misshandelt hat, steht im Sommer 2020 erneut vor Gericht. Dieses Mal in einem Verleumdungsprozess gegen die britische Zeitung The Sun, in dem Depp als Kläger auftritt. Die juristische Auseinandersetzung mit Heard lodert seit Jahren und dürfte angesichts des Inhalts von Wayne Roberts‘ Film manchen Verleiher abgeschreckt haben. Dabei ist die Tragikomödie weder schlecht gemacht noch sonderlich provokant.

Depp spielt Richard Brown, einen Professor, der an einem schicken Ostküsten-College englische Literatur lehrt. Seine Ehe mit der Künstlerin Veronica (wie immer großartig: Rosemarie DeWitt) ist schon lange am Ende, nun rast auch noch sein Leben dem Abgrund entgegen. Eine Krebsdiagnose wirft Richard aus der Bahn. Zur Abkühlung landet er erst einmal im Teich der Universität.

Den Kopf nun klar, vollzieht er einen radikalen Wechsel. Die aus Sterbe-Komödien bekannte Liste von Dingen, die unbedingt noch erledigt werden sollten, hat der Akademiker dabei nicht im Sinn. Richard will den kurzen Lebensrest schlicht und einfach in vollen Zügen genießen. Carpe diem, Baby! Was bei Richard bedeutet, alles aus seinem Alltag zu eliminieren, worauf er keine Lust hat und alles, was ihm Lust bereitet, zu verstärken.

Das Semester an der Uni bringt er fortan ohne feministische Literatur zu Ende und nur mit Student*innen, die sich für die Materie auch tatsächlich interessieren. Seiner Studentin Claire (Zoey Deutch) kommt er in einem Flirt gefährlich nahe und mit dem Studenten Danny (Devon Terrell) hat er einen filmisch nicht sonderlich geglückten Seitensprung. In seiner Freizeit frönt er dem Alkohol, Tabletten und Cannabis oder verhöhnt eine Krebs-Selbsthilfegruppe, zu der ihn sein wohlmeinender Kollege und bester Freund Peter (Danny Huston) schleppt.

In der Zusammenfassung klingt das ziemlich haarig, die Umsetzung bleibt verblüffend brav. An einem Film, der richtig provoziert, hat Roberts kein Interesse. Jede Grenzüberschreitung fängt das Drehbuch postwendend wieder ein, jeder Verstoß gegen die Political Correctness ist doppelt und dreifach abgesichert. Das sagt viel über das Filmemachen in diesen politisch aufgeheizten Tagen. Wer nicht über sich selbst und die eigene Peergroup lachen kann, der wird sich auch über die vielen harmlosen und einige sehr treffende Pointen dieses Films echauffieren.

Das Herumeiern um heikle Themen macht The Professor ziemlich schnell zu einem zahnlosen Tiger. Wer auf bissige Satiren steht, sollte sein Geld stecken lassen. Als gediegene Komödie mit mal lakonischem, mal sardonischem Humor funktioniert Roberts‘ zweite Regiearbeit hingegen gut. Das gehobene Milieu findet in einer gedämpften Farbpalette, in einer von Streichern geprägten Filmmusik und in einer Einteilung in Kapitel seine Entsprechung.

Roberts erzählt von einem Mann, der Angst vor der eigenen Courage bekommt. Seine plakativ zur Schau gestellte Weltverachtung und sein Zynismus sind lediglich Schutzschild. Tief drinnen hat dieser der Welt entrückte Professor ein gutes Herz, was er in wundervoll intimen Momenten mit seiner Frau und seiner Tochter Olivia (Odessa Young) beweist, die nach ihrem Coming-out auf seinen Zuspruch vertrauen kann.

Es bleibt das Gefühl, Potenzial verschenkt zu haben. Vor allem die Beziehung zwischen Richard und seinen Studierenden wird sträflich vernachlässigt. Und auch die im Seminar besprochene Literatur kommt zu kurz. Lehren fürs Leben sind darin ebenso wenig zu finden wie in Richards zwischen Rührung und Rührseligkeit schwankenden Ansprachen, die nicht über Kalenderspruch-Niveau hinauskommen.

Letzten Endes geht es Roberts aber wohl genau darum: Um einen Mann, der sich in allen Lebenslagen erhaben hält und hart landet, weil ihm selbst im Angesicht des Todes nichts Besseres einfällt als schon tausendmal Gesagtes. Eben das erzählt der Filmemacher – nicht überragend, aber gut. Mit seiner Mischung aus Charme, Chuzpe und Verschrobenheit ist Johnny Depp dafür genau der Richtige.

The Professor (2018)

Eines Tages bekommt Richard eine niederschmetternde Diagnose: Plötzlich sieht sich der ausgebrannte College-Professor mit einer unheilbaren Krankheit und dem unweigerlichen Ende seines Daseins konfrontiert. Er beschliesst, sein Leben komplett umzukrempeln und jegliche Konventionen über Bord zu werfen. Die restliche Zeit, die ihm noch bleibt, möchte Richard in vollen Zügen auskosten – so frei und ungestüm wie nur möglich. Dabei lässt er keine Sünde aus – er trinkt, raucht, stürzt sich in sexuelle Eskapaden und legt sich mit jedem an, der ihm in den Weg kommt. Ein Akt der Befreiung, der Richard zurück ins Leben holt. Doch die Zeit läuft ihm unaufhaltsam davon.

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Meinungen

Silvio · 09.10.2023

Da wurde ein ganz dünnes Süppchen gekocht. Plattitüden, leer laufende Dialoge, lächerliche Weisheiten. Aus dem Thema selbst, hätte man etwas machen können. Vor allem das Ende ist so plump: Der sterbenskranke Prof verlässt die Familie, kommt an eine Kreuzung und statt auf der Strasse nach links oder rechts zu fahren, wählt er den Weg geradeaus durch ein Feld. Wow, sowas von unkonventionell! Lächerlich!

Paco Amaro · 25.02.2021

Filmisch nicht perfekt - genau wie das Leben
Lässt sich ein auf eine präsentes, wenig attraktives Thema ein
Wirkt länger nach als so manch anderer 10/10 Darbietung - hier kommt es einfach darauf an,
ob der Betrachter sich in das Thema einlässt.
Die schwächsten Szenen sind die letzten 10min - da gibt es andere Filme die schwächeln gerne auch mal 120min und mehr.
J.D. wirkt so zerrissen, wie die Situation selbst - passt

Lothar Wolf · 18.08.2020

Das eigentliche Drama ist das grundlegende Unvermögen des Literaturprofessors und des Autors den durch die Problematik eines nahenden Todes möglichen Zugang zu grundlegenden existenziellen Kernfragen sich in irgendeiner Form, sei es z. B. durch eine Katharsis , zu nähern. Im Gegenteil, es wird das Bild einer oberflächlichen Gesellschaft , die sich zu „Tode“ amüsiert aufgezeigt und es wird versucht, nach typischer amerikanischer Manier, aus dem Müll noch Lebensweisheiten zu machen

Holger · 20.09.2023

Leider ist das Leben oft nicht so philosophisch wie manch einer sich wünscht. Der Film ist deshalb für mich sehr dicht an fiktiven Wirklichkeit und schaft es eine schwieriges Thema mit einer guten Mischung aus Abstand und Nähe zu transportieren. Ich hab mich sehr gut unterhalten gefühlt. Ein Film der zum Nachdenken anregt.

Michi · 11.04.2019

Johnny Depp ist einfach ein unendlich wandelbarer facettenreicher Schauspieler - hier einmal wieder in einer tragischen aber dennoch komischen Rolle als Richard, der erfährt dass er nur och 6 Monate zu leben hat und diese 6 Monate so gut es geht ausfüllen will, mit allen Absurditäten und Ereignissen, die das Ganze dann so mit sich bringt. Ein Film zum Lachen und zum Weinen, aber auch viel zum Nachdenken - Zeit ist kostbar, und man muss einfach jede Sekunde geniessen solange man kann.... Ein wirklich schöner kurzweiliger Film mit einem brillianten Johnny Depp!