The Meyerowitz Stories (New and Selected)

Eine Filmkritik von Beatrice Behn

Eine ganz sichere Nummer

Irgendwo zwischen den frühen Woody-Allen-Filmen, Wes Andersons The Royal Tenenbaums und natürlich Noah Baumbachs eigenen Filmen schwebt die Netflix-Produktion The Meyerowitz Stories (New and Selected) und erinnert an viele klassische amerikanische Ensemblefilme mit smarten Dialogen und neurotischen New Yorkern. Also alles irgendwie bekannt und klassisch. Nur dass hier zwei Comedians mitspielen, von denen man in letzter Zeit eigentlich nicht mehr viel Gutes gesehen hat: Ben Stiller und Adam Sandler.

Irgendwo in Manhattan lebt Harold Meyerowitz (Dustin Hofmann), ein jüdisch-amerikanischer Künstler, dessen ruhmreiche Tage schon länger vorbei sind. Sein ehemaliger Studienkollege hat schon die erste Retrospektive im MoMa laufen, da krepelt Harold in seinem Studio vor sich hin und schimpft auf die Welt. Seine vierte Ehefrau (wunderbar dauerbesoffen: Emma Thompson) ist esoterische Alkoholikerin, die nie was Normales kochen kann: Es gibt Haifisch, Taube und viel Schnaps. Um sein angeschlagenes Ego wiederaufzubauen, versuchen Harolds Kinder ihm auch eine Retro zu organisieren. Danny (Adam Sandler) ist allerdings selbst am Ende der Fahnenstange angelangt. Seine Frau lässt sich scheiden, die Tochter geht aufs College und er selbst hat trotz musischem Talent seit Jahren keinen festen Job gehabt. Da hilft es auch nicht, dass sein Vater ihm ständig vorhält, was für ein Loser er sei und dass sein Halbbruder Matthew (Ben Stiller) viel erfolgreicher mit seiner Firma sei. Und dann gibt es noch Jean (Elizabeth Marvel), die Tochter, die Harold eigentlich nie beachtet und die wie ein graues Mauerblümchen immer im Raum ist, obwohl sie kaum jemand bemerkt. Sie ist seit ihrer Kindheit gewohnt, keinen Platz in der geringen Aufmerksamkeitsspanne der Familie zu haben. Dafür sind alle Mitglieder viel zu neurotisch und egozentrisch – und vor allem ist Harolds Ego dafür viel zu groß. Doch die Geschwister müssen sich jetzt, nach Jahren, in denen sie einander faktisch kaum gesprochen haben, wieder treffen und sich mit all den Familienneurosen auseinandersetzen. Denn das Familienoberhaupt hat sich bei einem Sturz, verursacht vom Familienpudel, eine lebensgefährliche Hirnverletzung zugezogen und wird es vielleicht nicht überleben.

The Meyerowitz Stories (New and Selected) ist klassisches amerikanisches Ensemblekino Woody Allenscher Tradition: verrückt-neurotische Charaktere, absurde Momente, intellektuelle Dialoge, die mit Raffinesse und einer ordentlichen Portion Ironie so schnell hin- und herfliegen, dass man kaum folgen kann. Weder als Zuschauer noch als Figur, wobei letztere eh nicht zuhören, sondern nur selbst sprechen wollen. Über sich. Doch so dominant Harold am Beginn des Filmes ist, er leitet Gespräche, seine Belange stehen an erster Stelle, seine Einschätzungen von Menschen und Situationen sind die, die letztendlich allgemeingültig werden, ist er es nur am Anfang. Denn seine Erkrankung gibt der wahnsinnigen Familiendynamik eine neue Wendung. Denn jetzt, da Harold mal die Klappe hält und nicht er Mittelpunkt von allem ist, dürfen die anderen mal ran. Und so entfaltet sich im weiteren Verlauf vor allem eine Dynamik zwischen den beiden ungleichen Brüdern Matthew und Danny, die sich endlich mal auf einander einlassen können und sich mit viel Reden und ein paar Schlägen ins Gesicht neu zu ordnen versuchen.

Grundsätzlich macht Noah Baumbach hier, was er am besten kann. Mit einem kleinen Ensemble entwickelt er eine spezifische Familiendynamik, die er nach und nach untersucht und ausbaut, bis seine Figuren, die allseits verloren scheinen, irgendwie etwas Halt bekommen. Ungewöhnlich ist dabei nur, dass er Stiller und Sanders ins Boot holt, die beide eher für ihre seichten Komödien bekannt sind. Doch diese verbale und intellektuelle Herausforderung tut beiden gut. Vor allem Stiller zeigt hier, dass er doch ein guter Schauspieler ist, der durchaus tiefe Charaktere zu zeichnen vermag – er gibt sich nur selbst kaum die Chance dazu.

Doch trotzdem ist bei aller Liebe The Meyerowitz Stories (New and Selected) nicht Baumbachs bester Film. Er vermag zwar handwerklich genau zu liefern, was man erwartet, er geht aber darüber nicht hinaus. Wer genau das liebt, wird hier bekommen, was er/sie sucht. Doch es entsteht auch die Vermutung, dass Baumbach sich langsam in die Allensche Ecke schreibt und dort bleibt. Eine Weiterentwicklung seiner eigenen Handschrift und Ideen wäre genau das, was man sich jetzt von ihm erhofft; sein Talent lässt jedenfalls vermuten, dass noch großes Potential in ihm schlummert. Doch mit The Meyerowitz Stories (New and Selected) liefert er eine ganz sichere Nummer, die weder ihn noch das Publikum irgendwie weiterbringt.

The Meyerowitz Stories (New and Selected)

Irgendwo zwischen den frühen Woody-Allen-Filmen, Wes Andersons The Royal Tenenbaums und natürlich Noah Baumbachs eigenen Filmen schwebt die Netflix-Produktion The Meyerowitz Stories (New and Selected) und erinnert an viele klassische amerikanische Ensemblefilme mit smarten Dialogen und neurotischen New Yorkern.

  • Trailer
  • Bilder

Meinungen