The Limits of Control

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Warten auf Jarmusch

Ein einsamer Mann (Isaach De Bankolé) auf einer Reise mit unbekanntem Ziel und in geheimer Mission, merkwürdige Kontaktpersonen, mit denen er Botschaften austauscht und Instruktionen für die nächste Etappe erhält, eine verführerische Frau (Paz de la Huerta), die sämtliche Register zieht, um den schweigsamen Fremden vom Pfade der selbst auferlegten Tugend abzubringen („no guns, no mobiles, no sex“, so lautet sein Credo) – das sind die Grundpfeiler der Story, auf die Jim Jarmusch seinen neuen Film The Limits of Control aufbaut. Was auf den ersten Blick wie ein Thriller im klassischen Gewande erscheint, entpuppt sich im Verlauf des Films jedoch als existenzialistisches Spiel mit der Wahrnehmung, mit Subjektivität und Imagination – also all dem, was auch den Zauber des Kinos ausmacht.
Trotz einer interessanten Grundprämisse und unzähligen bekannten Gesichtern wie Tilda Swinton, Gabriel Garcia Bernal, Bill Murray aber mag sich genau jener Zauber des Films in Jarmuschs neuem und recht kryptischen Werk nicht jedem Zuschauer erschließen.

The Limits of Control ist mehr eine Meditation als ein Film, er beschreibt eher einen Traum als eine Geschichte und erzählt eigentlich – nichts. Das Skript, auf dessen Grundlage gedreht wurde, bestand zu Beginn der Dreharbeiten aus wenigen Seiten, so berichtet Jarmusch. Und mit Verlaub – das merkt man an manchen Stellen auch. Um auf das schmale Gerüst der Story zumindest etwas Fleisch und Substanz zu bekommen, flicht Jarmusch einen Flickenteppich aus Urszenen des klassischen Thrillers, aus Elementen des absurden Theaters (mit schönen Grüßen an Samuel Beckett), Symbolen, Querverweisen und vor allem (Selbst)Zitaten, die Bezug nehmen auf Filme wie Ghost Dog (abermals entpuppt sich der schweigsame Killer als Anhänger fernöstlicher Philosophie und Lebensart), Coffee and Cigarettes (die unzähligen Espressi, die Isaach De Bankolé in sich hineinschüttet), Mystery Train (Youki Kudoh in einem Kurzauftritt) und Broken Flowers (die Blumen auf dem Asphalt). Außerdem gibt es jede Menge kleiner Verbeugungen vor Meistern wie Hitchcock, Orson Welles, Michelangelo Antonioni, diverse französische Regisseure (vor allem an Jean-Pierre Melville) und natürlich David Lynch.

Vor allem die verdrehte Traumlogik des Films, das Spiel mit bedeutsamen Symbolen, das Fehlen jeglicher Motivation für das Handeln der Personen scheinen direkt aus Filmen wie Lost Highway und Mulholland Drive übernommen. Die Atmosphäre aber ist eine vollkommen andere als bei Lynch. Statt der Finsternis der Nacht bevorzugt Jarmusch das gleißende Licht Spaniens, in dem Isaach De Bankolés metallisch schimmernde Anzüge noch besser zur Geltung kommen.

„Die besten Filme sind solche, an die man sich wie an einen Traum erinnert, von dem man nicht weiß, ob man ihn wirklich geträumt hat“, behauptet Tilda Swinton an einer Stelle. Nach diesen Maßstäben müsste The Limits of Control ein rundum gelungener Film sein. Dass dem nicht unbedingt so ist, liegt vor allem an der schieren Menge von vermeintlich bedeutsamen Zitaten, an der Holzschnittartigkeit der Figuren, gegen die selbst Darsteller wie Sylvester Stallone und Arnold „The Governator“ Schwarzenegger wie wahre Gesichtsakrobaten erscheinen, an der Vielzahl von Symbolen, MacGuffins und Wiederholungen, die einzeln und für sich betrachtet durchaus stimmig sind, in ihrer Ballung die Geduld des Zuschauers auf eine harte Probe stellen. „Entschuldigung, sprechen Sie spanisch?“, so wird der Fremde mit dem unbewegten Gesicht stets zu Beginn einer neuen Begegnung gefragt. Und immer wieder verneint er dies. Ein Gag, der sich schnell abnutzt und ins Leere läuft. Dass Kommunikation zwischen Menschen mitunter ein Ding der Unmöglichkeit ist, das kann man wahrlich auch eleganter demaskieren.

Gut möglich, dass genau diese Ent-Täuschung, dieses Bloßstellen des Kinos als rein subjektives Konstrukt, als geschickte Manipulation und als Tagtraum mit vielen losen Enden Jarmuschs erklärtes Ziel mit The Limits of Control ist. Dass er mit der Wahl seiner (zugegebenermaßen großartigen, von Wong Kar-wais Stammkameramann Christopher Doyle eingefangenen) Bilder und der vielen Loops und Endlosschleifen eher auf intuitives Verstehen denn auf Rationalität und Stringenz seiner Geschichte baut. Dass der somnambule Fluss der Erzählung mit seiner Langsamkeit und seinen endlosen Wiederholungen den Zuschauer in einen Zustand zwischen Traum und Wirklichkeit versetzen soll, ihn hypnotisieren will. Jedoch darf es nicht verwundern, dass dem so mancher Besucher nicht folgen kann oder mag.

Tiefschürfendes philosophisches Lehrstück oder ein gewaltiger Bluff, der mit allen Tricks zu kaschieren versucht, dass er letzten Endes nichts zu sagen hat: Die Meinungen über diesen neuen Jarmusch dürften extrem auseinanderklaffen – und zeugen immerhin vom Mut des Regisseurs, nach dem recht gefälligen Vorgänger Broken Flowers volles Risiko zu gehen. Selbst auf die Gefahr hin, damit einen gigantischen Flop zu landen.

„Reality is arbitrary“, so heißt es am Anfang des Films. Das kann man übersetzen mit „Die Realität ist beliebig“, aber auch mit „Die Realität ist willkürlich“. Zwischen diesen beiden Polen oszilliert auch The Limits of Control und gibt damit Jarmuschs Fangemeinde ein verrätseltes Stück Kopfkino mit auf den Weg. Ob sie sich auf dieses Spiel einlässt oder nicht, ist vollkommen offen.

The Limits of Control

Ein einsamer Mann (Isaach De Bankolé) auf einer Reise mit unbekanntem Ziel und in geheimer Mission, merkwürdige Kontaktpersonen, mit denen er Botschaften austauscht und Instruktionen für die nächste Etappe erhält, eine verführerische Frau (Paz de la Huerta), die sämtliche Register zieht, um den schweigsamen Fremden vom Pfade der selbst auferlegten Tugend abzubringen („no guns, no mobiles, no sex“, so lautet sein Credo) – das sind die Grundpfeiler der Story, auf die Jim Jarmusch seinen neuen Film The Limits of Control aufbaut.
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Meinungen

Hannes · 14.10.2009

Essenz eines Krimis? Auf das wesentliche reduziert??
Ne, kann ich null nachvollziehen!
Der Film ist eine Aneinanderreihung von Bildern, die sehr gut gelungen sind, aber so was wie eine Handlung oder Geschichte kann ich nun wirklich nicht erkennen. Nur ein paar Deckanstöße, das ist aber zu wenig für einen Film der so hoch bewertet wird.

Claudia · 23.07.2009

L A N W E I L I G!!!

Frank · 10.06.2009

Das ist die Essenz eines Krimis. Wer statt der ausufernden Krimis mal etwas sehen möchte, was sich wirklich auf das wesentliche reduziert ist hier sehr gut bedient. Selten so einen guten Film gesehen.

Matthias · 07.06.2009

Der Kameramann bzw. Herr Jarmusch hätten einen Fotoband veröffentlichen können, in dem sie die nett gewählten Perspektiven im Film der Allgemeinheit zeigen. Der Film ist sonst ein langweiliges, esoterisch angehauchtes Machwerk, mit dem man den Kinobesucher nicht hätte langweilen sollen. Wer wirklich durchdachte Erzählweise im Film sehen möchte, sei nach wie vor auf Altmeister der Kino-Bild-Erzählsprache, Robert Bresson (*1901 – t1999) verwiesen. Jim Jarmuschs letztes Machwerk kann man in der Pfeife rauchen. Neben dem, für die spanische Folklore typischen Klischees wie „Flamenco“, fehlte im Film nur noch etwas Stierkampf, Paella, Dali und unaufgearbeitete Franco-Ära. Unverständlich, warum sich die Kritik überschlägt. Die meisten begnügen sich, ein paar amüsante Filminhalte nachzuerzählen, sonst gibt wohl auch nix dazu zu sagen?!

matthias · 06.06.2009

Ein wunderbarer Film. Er ist wie ein Traum und ich bin nicht sicher ob ich ihn hatte. Einer der besten Filme des Jahres mit eindrucksvollen Bildern Christopher Doyles! Klasse Jim!!