The Free World

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Emotionale Grenzüberschreitung

„Zeig‘ mir einen Helden, und ich schreibe dir eine Tragödie“, soll der US-Autor F. Scott Fitzgerald einmal gesagt haben. Auch Jason Lew verbindet in The Free World das Heroische mit dem Tragischen: Der Regiedebütant, der bereits als Drehbuchautor (bei Gus Van Sants Restless), Schauspieler und Kameramann aktiv war, schildert eine Geschichte, die sehr emotional, aber niemals sentimental ist. Er liefert großes Empathiekino – bei dem einem, wenn überhaupt, dann erst im Nachhinein auffällt, dass die Erzählweise zuweilen holprig ist.
Der Protagonist des Films, verkörpert von Boyd Holbrook, hieß einst Martin und landete als junger Mann hinter Gittern – für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat. Im Gefängnis lernte er sich zu behaupten und fand zum muslimischen Glauben, weshalb er sich in Mohammed – kurz Mo – umbenannte. Auch nach seiner Entlassung wird Mo von der örtlichen Polizei wie ein Krimineller behandelt; zu den wenigen Personen, die ihm gänzlich ohne Vorbehalte begegnen, zählt die Tierheimbetreuerin Linda (Octavia Spencer), für die er mit viel Engagement arbeitet. Als eines Nachts die blutverschmierte Polizistengattin Doris (Elisabeth Moss) im Heim auftaucht und ohnmächtig wird, gerät Mo in Panik und nimmt die Frau mit zu sich nach Hause. In seiner spärlich eingerichteten Wohnung kommen die beiden sich näher; alsbald müssen sie ihr Refugium jedoch verlassen, da Doris als Hauptverdächtige im Mord an ihrem brutalen Ehemann gesucht wird.

The Free World zerfällt in mehrere Teile, die nicht alle gleich stark sind. Die Einführung des Helden sowie die Genese der Beziehung zwischen Mo und Doris sind äußerst eindrucksvoll – was zum einen der ausgezeichneten Arbeit der Kamerafrau Bérénice Eveno (mit zahlreichen wirkungsvollen Nah- und Großaufnahmen) zu verdanken ist und zum anderen dem hohen Maß an Kraft und Können, das Boyd Holbrook (Narcos) und Elisabeth Moss (Mad Men) in ihrem Spiel erkennen lassen. Beide Rollen erfordern die ganze Bandbreite an Gefühlen, von Angst und Panik über zaghafte Regungen der Hoffnung bis hin zur völligen Verzweiflung – und das Duo bewältigt diese Aufgabe mit Bravour. Ohne Kitsch werden hier zwei Menschen dargestellt, die im anderen etwas Kostbares entdecken und angesichts der Möglichkeit eines Lebens zu zweit über sich selbst hinauswachsen. Das ist – schlicht und ergreifend – wunderschön. Erfreulich ist auch, dass Mos Glaube ernst genommen wird und, fernab von spiritueller Verklärung, als wichtiges Element seines Daseins eingefangen wird.

Wenn sich Mo und Doris auf die Flucht begeben, entfernt sich die Inszenierung streckenweise von der intimen Erfassung der Figuren und reiht diverse Standardsituationen aneinander, die das Lovers-on-the-Run-Narrativ mit sich bringt. Da man zu diesem Zeitpunkt allerdings schon so tief in das Geschehen hineingezogen wurde, fallen diese schwächeren, konventionelleren Momente nicht allzu sehr ins Gewicht – zumal der Film in seinen finalen Szenen zur vorherigen Intensität zurückfindet und abschließend durch einen einfachen, aber perfekten Kunstgriff die Transzendenz der Liebe zwischen Mo und Doris illustriert. Es kann eine ‚freie Welt‘ für die beiden geben – selbst wenn das feindliche Umfeld sie gefangen zu halten versucht.

The Free World

„Zeig‘ mir einen Helden, und ich schreibe dir eine Tragödie“, soll der US-Autor F. Scott Fitzgerald einmal gesagt haben. Auch Jason Lew verbindet in „The Free World“ das Heroische mit dem Tragischen: Der Regiedebütant, der bereits als Drehbuchautor (bei Gus Van Sants „Restless“), Schauspieler und Kameramann aktiv war, schildert eine Geschichte, die sehr emotional, aber niemals sentimental ist.
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