The Body

Eine Filmkritik von Martin Beck

Jeder Tod ist ein Mord, bis das Gegenteil bewiesen ist

Manchmal darf man sich schon fragen, welche seltsamen Hürden in Deutschlands Kinos anscheinend existieren, dass so große und tatsächlich auch gute Filme wie The Body geradewegs im Heimkino ausgewertet werden – trotz der Eröffnung des Sitges-Festivals und vielgelobten Vorführungen auf dem letztjährigen Fantasy Filmfest. Ein Thriller, der Brian De Palma anno Blow Out oder Dressed to kill zur Ehre gereichen würde. Mit Spannung, guten Darstellern und einer stylishen Inszenierung. Europäische Genrekunst auf hohem Niveau. Und wesentlich besser als viele US-Thriller, die stattdessen die Kinosäle beglücken.
Ah, Moment. The Body kommt aus Spanien, das dürfte hier tatsächlich der Grund für den Platz zwischen den Schubladen-Stühlen sein. Weder Almodovar noch L.A.-Beton, da fällt natürlich schon das Damokles-Schwert, denn nur über filmische Qualität geht außerhalb von Festivals kaum noch etwas weiter. Was wirklich eine Schande ist, denn alleine der Umstand einer großen europäischen Genreproduktion sorgt für ein wohlwollendes Grundinteresse, das durch den weiteren Umstand eines sehr guten Drehbuchs und der sehr guten Produktion eigentlich jeden Tatort-Jünger zu einer Neuordnung der sonntäglichen Prioritäten animieren sollte. In letzter Konsequenz kapieren muss man das alles nicht.

Aber gut, dann also Heimkino, eine regenumpeitschte Nacht in einem Leichenschauhaus und ein Wächter, der in panischer Angst vor *etwas* flieht. Inspektor Jaime Peña (José Coronado) entdeckt, dass die Leiche von Mayka Villaverde (Belén Rueda) spurlos verschwunden ist und verdächtigt schon bald den Witwer (Hugo Silva) und seine Geliebte (Aura Garrido). Die eindeutig zu früh aus dem Leben geschiedene Tote war vermögend, so dass eine Obduktion eventuell Knast bedeuten könnte. Doch wieso dann der panische Wärter – hat er vielleicht sogar gesehen, wie sich ein Thriller durch die Auferstehung einer Toten zu einem handfesten Horrorfilm wandelt?

Das Schöne an The Body ist, dass er lange Zeit den Zuschauer auf spannende Fährten schickt und der Horrorabzweig, der durchaus handfeste Schocks auf der Pfanne hat, nochmal neue Frische in das sowieso schon packende Geschehen wirft. Regisseur Oriol Paulo, der zuvor das Drehbuch für den ebenfalls sehenswerten Julia’s Eyes verfasste, kanalisiert hier Brian De Palma pur und bedient sich auf virtuose Weise im Genreschrank – einem Schrank, der vielleicht keine bahnbrechenden Neuerungen enthält, aber, sofern denn die Inszenierung so sicher und straff voranschreitet wie hier, auf jeden Fall dichte Spannung erzeugen kann.

Und genau das ist es doch, was ein Thriller erreichen soll: Dichte, handfeste Spannung, geschickt aufgebaut durch ein wendungs- und nuancenreiches Drehbuch, das über ein durch die Bank exzellentes Hauptdarsteller-Quartett souverän bei der Stange hält…und erst ganz am Ende, bei der finalen Auflösung, ein, zwei Haken zuviel macht. Auf dem Fantasy Filmfest wurde demjenigen, der das Puzzle vorab errät, großzügigerweise ein Freibier versprochen – was gerne auch auf ein Einfamilienhaus hätte ausgebaut werden können, weil tatsächlich niemand darauf kam. Was zum einen für den Film spricht, der hier wirklich überraschen kann, doch zum anderen auch gegen den Film spricht, denn „konstruiert“ ist für den erfolgenden Paukenschlag ein definitiv zu mildes Wort.

Man ist nach The Body etwas ratlos, ob man das Ende nun genial oder Quatsch finden soll, doch auf keinen Fall dürfen die letzten Minuten dazu führen, das definitiv fällige Lob über Gebühr abzuschwächen. Oriol Paulo empfiehlt sich als energisches Regietalent, das die seltene Gabe besitzt, einen Genrefilm weder zu laut noch zu leise zu inszenieren. Es müsste schon mit wankenden Leichen zugehen, wenn a) der Mann nicht bald in Amerika dreht und b) nicht bald ein US-Remake in Produktion marschiert. Wer weiß, vielleicht wird es ja doch noch möglich sein, (die Geschichte von) The Body regulär in den deutschen Kinos zu sehen.

The Body

Manchmal darf man sich schon fragen, welche seltsamen Hürden in Deutschlands Kinos anscheinend existieren, dass so große und tatsächlich auch gute Filme wie „The Body“ geradewegs im Heimkino ausgewertet werden – trotz der Eröffnung des Sitges-Festivals und vielgelobten Vorführungen auf dem letztjährigen Fantasy Filmfest. Ein Thriller, der Brian De Palma anno „Blow Out“ oder „Dressed to kill“ zur Ehre gereichen würde.
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