The Autopsy of Jane Doe

Eine Filmkritik von Falk Straub

Body of Evidence

Für seinen jüngsten Film hat Trollhunter-Regisseur André Øvredal die Weiten der norwegischen Landschaft gegen die beklemmende Enge eines amerikanischen Familienbetriebs getauscht. In The Autopsy of Jane Doe seziert er gemeinsam mit Brian Cox und Emile Hirsch als Leichenbeschauer das Horrorgenre.
Der Tod ist für Austin Tilden (Emile Hirsch) Alltag. Seit 1919 betreibt seine Familie in einem kleinen Nest in Virginia das örtliche Leichenschauhaus. Als Sheriff Burke (Michael McElhatton) spät nachts einen außergewöhnlichen Fund durch die Schwingtür rollt, ist es für Austin selbstverständlich, die anstrengende Arbeit an der Seite seines Vaters Tommy (Brian Cox) einem gemütlichen Abend mit seiner Freundin Emma (Ophelia Lovibond) vorzuziehen. Dass er eigentlich gar nicht in Tommys Fußstapfen treten will, hat er ihm noch nicht gesagt. Dafür sei später noch Zeit, denkt Austin. Das Publikum weiß es besser und sieht den beiden dabei zu, wie sie zu Rockmusik aus dem Radio und Donnergrollen des herannahenden Unwetters tief in den Körper der namenlosen Toten (Olwen Catherine Kelly) dringen, die der amerikanische Polizeisprech als „Jane Doe“ bezeichnet.

Ian B. Goldberg und Richard Naing wollten mit ihrem Drehbuch etwas Neues schreiben, anstatt die immer gleichen Horrorfilmtropen zu bemühen, wie sie in einem der zahlreichen Interviews des Bonusmaterials verraten. In den ersten, starken 45 Minuten ist ihnen das zweifelsohne gelungen. Hier stimmt einfach alles: von der komplizierten Vater-Sohn-Beziehung samt komplexer Figuren über das klaustrophobische Setting und die Einheit von Handlung, Ort und Zeit bis hin zu solch simplen, aber allzu häufig vernachlässigten Kniffen, dass prägnante Aussagen der Figuren bereits den ganzen Film in nuce enthalten. Kein Wunder also, dass ihr Skript 2013 auf Hollywoods Black List stand, die begehrte, aber noch unverfilmte Drehbücher anführt.

Regisseur Øvredal, den alle Beteiligten im Bonusmaterial als äußerst akribischen Filmemacher beschreiben, setzt Goldbergs und Naings Vorlage mit extremem Stilwillen um. Kameramann Roman Osin bannt die stimmungsvollen Sets in Bilder, die gleichermaßen schön anzuschauen und Furcht einflößend sind. Ganz behutsam baut Øvredal die Spannung in dieser räumlich streng begrenzten Versuchsanordnung bis zum Zerreißen auf. Das hat nicht wenige aus Cast und Crew an Genreklassiker wie Ridley Scotts Alien (1979) oder Stanley Kubricks Shining (1980) erinnert. Als das Übernatürliche dann aber in die Welt der Wissenschaftler einbricht, immerhin erfrischend anders, als man vermuten mag, geht vieles furchtbar schnell. Vor allem Tommy Tilden wirft seine so penibel eingeführte Ratio viel zu einfach über Bord, um sie zwanzig Minuten später plötzlich wiederzufinden. Und den bis dato subtilen Grusel tauscht Øvredal gegen ein paar platte Jump Scares ein. Das ist schade, insgesamt aber immer noch um Längen besser als ein Großteil der Horrorware, die es jährlich in die Kinos schafft. Schade also auch, dass keiner einer solch mutigen Herangehensweise an das Genre eine Chance gibt, auf der großen Leinwand zu reüssieren.

The Autopsy of Jane Doe

Für seinen jüngsten Film hat „Trollhunter“-Regisseur André Øvredal die Weiten der norwegischen Landschaft gegen die beklemmende Enge eines amerikanischen Familienbetriebs getauscht. In „The Autopsy of Jane Doe“ seziert er gemeinsam mit Brian Cox und Emile Hirsch als Leichenbeschauer das Horrorgenre.
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