The Aggression Scale

Eine Filmkritik von Rochus Wolff

Gewalt im Familienversuch

Der Umzug kommt etwas überstürzt, aber, so erklärt es Maggie (Lisa Rotondi) ihrer herzlich wenig begeisterten Tochter Lauren (Fabianne Therese), sie hat mit ihrem noch ziemlich neuen Freund Bill (Boyd Kestner) eben diese Chance ergriffen – neues Haus, keine Geldsorgen mehr. Aber Lauren ist auch wenig begeistert, dass sie sich so sehr um ihren neuen Stiefbruder Owen (Ryan Hartwig) kümmern soll, der nicht gerade ein Beispiel für sympathische Offenheit ist, sondern lieber im Keller des neuen Heims lebende Spinnen mit Blasrohrpfeilen aufspießt. Aber dann wird es unangenehm, weil ein paar gedungene Killer auftauchen, die das Geld zurück haben wollen, das Bill aus einem geheimen Bankkonto des Gangsters Bellavance geklaut hat… Bellavance hat noch ein paar Tage, bis er wieder in den Knast muss, und möchte sich mit dem Geld rasch und endgültig absetzen.
The Aggression Scale ist eigentlich ein eher typisches Beispiel für das Home-Invasion-Genre, in dem unliebsame Eindringlinge auf mehr oder minder unschuldige Familienmitglieder losgelassen werden. Aber solche Konstellationen haben immer auch den Beigeschmack einer Versuchsanordnung, und so wie der Film seinen Titel aus einer psychologischen Messgröße ableitet, lässt er dann anschließend den Zuschauer genüsslich beobachten, wie sich aus der Veränderung einiger Parameter ein doch etwas anderes Endergebnis bildet.

Im Grunde drehen Regisseur Steven C. Miller und Drehbuchautor Ben Powell an zwei Schrauben: zum einen bekommen die Gangster von ihrem neurotisch wirkenden Chef (der von Genre-Gesicht Ray Wise verkörpert wird) einen recht allumfassenden Mordauftrag, den sie völlig ohne moralische Hemmungen umsetzen – und zum anderen ist Owen ein rechter Soziopath, den sein Vater erst aus der geschlossenen Anstalt holen musste, in der er wegen seiner gewalttätigen Verhaltensweisen gelandet war. The Aggression Scale stellt also die kaltblütigen Berufsmörder einem jungen Mann gegenüber, der Gewalt eher als Spiel betrachtet und das nun zum ersten Mal – und gewissermaßen sozial sanktioniert – gegen die Angreifer anwenden kann. Das ist gewissermaßen eine realistischere Variante auf Kevin allein zu Haus, in dem seinerzeit der mörderische Kampf eines Kindes gegen zwei Einbrecher als Komödie verkauft wurde. Es wird blutig werden.

Gelegentlich bricht sich in den Konstellationen, in den unverhältnismäßigen Ausbrüchen brutaler Gewalt, ein böse schwarzer Humor Bahn, der dann auch später im ungleichen Kampf des Teenagers gegen die Verbrecher immer wieder auftaucht. Dann spielt Miller auch ein wenig mit der Rolle von Gewalt im Kino – mehr als einmal werden explizite Bezüge zu Filmen à la Rambo II — Der Auftrag hergestellt, ohne dass das allerdings besondere Bedeutung für den Film bekäme; erst das Finale ist in seiner ganzen Geste wieder ein Verweis auf pathetische Befreiungsschläge, die realistischerweise nicht in der Wirklichkeit, sondern allenfalls im Kintopp zu finden sind.

Und so wird dann in den letzten Momenten eine höchst cinematographische Wahlverwandtschaft begründet, deren Bindung sich daraus gründet, dass in einer grausamen, brutalen Welt ein wenig soziopathischer Geist nicht unbedingt schadet. Und auch wenn der noch sehr junge Hartwig als Owen hier eine ziemlich großartige Figur macht: Den Kindern sei das nicht zur Nachahmung empfohlen. !Children, please don’t try this at home. Or anywhere else.!“

The Aggression Scale

Der Umzug kommt etwas überstürzt, aber, so erklärt es Maggie (Lisa Rotondi) ihrer herzlich wenig begeisterten Tochter Lauren (Fabianne Therese), sie hat mit ihrem noch ziemlich neuen Freund Bill (Boyd Kestner) eben diese Chance ergriffen – neues Haus, keine Geldsorgen mehr. Aber Lauren ist auch wenig begeistert, dass sie sich so sehr um ihren neuen Stiefbruder Owen (Ryan Hartwig) kümmern soll, der nicht gerade ein Beispiel für sympathische Offenheit ist, sondern lieber im Keller des neuen Heims lebende Spinnen mit Blasrohrpfeilen aufspießt.
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