Teen Spirit

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

England: Twelve points!

Den „Eurovision Song Contest“, der seit 1956 veranstaltet wird, kennt jeder. Ob man ihn mag oder nicht – die Riesenshow mit allerlei (auch musikalischen) Albernheiten und Bewertungen wie „Germany: Zero points!“ hat längst Kultstatus erlangt. Wesentlich jünger und weitaus unbekannter hingegen ist der „Junior Eurovision Song Contest“, der seit dem Jahre 2003 existiert. Hierbei sind Teilnehmer im Alter von zehn bis 16 Jahren zugelassen. Der Clou beim „Junior Eurovision Song Contest“: Die Kinder treten ausschließlich mit selbst geschriebenen Liedern an, die in ihrer jeweiligen Landessprache vorgetragen werden. So richtig hat sich der kleine Ableger der Eurovisons-Schlagerparade bislang aber noch nicht durchsetzen können, die Zukunft des Spektakels steht nicht zuletzt wegen einiger Beschwerden über den großen Druck, der auf den Teilnehmern laste, in den Sternen.
Davon ist in Teen Spirit wenig zu spüren. Der britische Regisseur Jamie Jay Johnson hat einen mitreißenden Dokumentarfilm über die Veranstaltung gedreht, der ganz nebenbei wundervolle Porträts von Kindern aus ganz Europa zeichnet, von ihren Träumen, Wünschen, Hoffnungen erzählt und von einer Zeit, die rückblickend vielleicht die schönste des Lebens ist. Parallel zeigt der Film die Vorentscheidungen der Teilnehmer in ihren jeweiligen Ländern Bulgarien, Georgien, Zypern und Belgien und begleitet sie auf ihrem Weg zum Finale nach Rotterdam. Auf diesem Weg erfahren wir ganz unaufdringlich vieles darüber, was die Kids bewegt: Da ist beispielsweise Giorgios aus Zypern, der von seinen Mitschülern gehänselt wird, weil er sich nicht für Fußball interessiert. Doch wenn er auf der Bühne steht, ist er ganz in seinem Element. Oder Mariam aus Georgien, deren Eltern in einem der Konflikte, die Georgien in den letzten Jahren erschüttert haben, fliehen mussten. Oder Marina aus Bulgarien, deren offensichtlich wohlhabende Eltern sich getrennt haben und die deswegen nicht mehr so recht an die Liebe glauben mag. Der Film macht aus diesen Geschichten kein großes Drama, sondern bleibt immer auf der Seite der Kids, die sich der Kamera gegenüber öffnen, weil sie spüren, dass sie ihr Gegenüber ernst nimmt. Dieser Balance, die Sounds like Teen Spirit findet, ist es zu verdanken, dass Jamie Jay Johnsons Dokumentarfilm funktioniert, dass er als wohltuendes Kontrastprogramm zu den impertinenten Blicken bei Sendungen wie DSDS, Popstars oder anderen TV-Formaten zu verstehen ist. Allerdings sucht man kritische Anmerkungen zu der Veranstaltung selbst vergebens. Denn wie gesagt: Es gibt Johnson viel eher um die Teilnehmer und weniger um den „Junior Eurovision Song Contest“ an sich.

Vermutlich liegt es ja genau an dieser Herangehensweise, dass Johnsons Einschübe, mit denen er auf die kriegerische Vergangenheit Europas hinweist und den „Junior Eurovision Song Contest“ als Gegenbeispiel eines friedlichen Konkurrierens mit anderen Nationen stilisiert, deutlich aus dem Film herausfallen und sowohl von den Bildern wie auch von der Aussage her beinahe wie Fremdkörper wirken. Wer die Szenen gesehen hat, wie die Kids während des Finales miteinander umgegangen sind, wie man sich gegenseitig half und unterstützte und wer registriert, dass daraus auch vereinzelt Freundschaften entstanden sind, der braucht diese teilweise etwas pathetischen Feststellungen nicht mehr. Zumal in diesen kleinen Geschichten der verschiedenen Teilnehmer sowieso genügend Leidenschaft steckt, um den Zuschauer wahrhaft zu bewegen.

Jamie Jay Johnsons Teen Spirit kommt manchmal beinahe wie ein Popmärchen daher – und ist doch voller Wahrheit, voller Einsichten in die Herzen und Seelen von Giorgios aus Zypern, Mariam aus Georgien, den Jugendlichen von Trust und der tapferen „Verliererin“ Bab aus Belgien, Marina aus Bulgarien und all den anderen Teilnehmern. Vor allem aber ist dies ein Film, der in ähnlicher Weise zu Herzen geht wie Young@Heart. Mit einem Unterschied: Während uns dort die Sänger rühren, weil sie ihr Leben hinter sich haben, bewegt uns hier das starke Gefühl, dass den jungen Interpreten buchstäblich die Welt noch offen steht. Am Ende des Films mag man sie am liebsten in den Arm nehmen, drücken und ihnen von Herzen alles Gute wünschen. Schon allein deshalb, weil sie uns eineinhalb zauberhafte Stunden geschenkt haben. England: Twelve points!

Teen Spirit

Den „Eurovision Song Contest“, der seit 1956 veranstaltet wird, kennt jeder. Ob man ihn mag oder nicht – die Riesenshow mit allerlei (auch musikalischen) Albernheiten und Bewertungen wie „Germany: Zero points!“ hat längst Kultstatus erlangt. Wesentlich jünger und weitaus unbekannter hingegen ist der „Junior Eurovision Song Contest“, der seit dem Jahre 2003 existiert. Hierbei sind Teilnehmer im Alter von zehn bis 16 Jahren zugelassen.
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