Tanz mit der Zeit

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Bewegungen wider Stillstand und Zerfall

Der gewaltige demographische Wandel innerhalb unserer Gesellschaft bringt es mit sich, dass sich das Bild vom Altern sowie älteren und alten Menschen in diesen Zeiten grundlegend verändert. Die modernen Alten, die unter der Bezeichnung „Generation 50plus“ verstärkt von der Freizeitindustrie als aktive, kaufkräftige Gruppe entdeckt und hofiert werden, erfüllen längst nicht mehr das Klischee geruhsamer Senioren, sondern mischen in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Kultur nach wie vor oder wieder kräftig mit. Die Dokumentation Tanz mit der Zeit von Trevor Peters porträtiert vier reichlich betagte Tänzerinnen und Tänzer zwischen 64 und 80 Jahren, die nach langen Strecken der Abstinenz erneut die Bühne betraten.
Einst als professionelle Tänzerinnen und Tänzer innerhalb des renommierten Ensembles der Oper in Leipzig engagiert – eine Karriere, die in der Regel aus Altersgründen früh beendet ist –, wagten sich Ursula Cain, Christa Franze (beide 1927 geboren), Siegfried Prölß (Jahrgang 1934) und Horst Dittmann (geboren 1943) im Jahre 2006 im Rahmen eines ganz besonderen Projekts wieder vor ein großes Publikum: Für das Tanzstück „Zeit – tanzen seit 1927“ der Leipziger Choreographin Heike Hennig, das im Februar 2006 eine erfolgreiche Premiere feierte und vom Publikum wie von den Kritikern mit überraschter Begeisterung aufgenommen wurde. Es ist einerseits die Situation älterer Menschen und ihres Lebensraumes, die das Stück durch Tanz, Musik und mitunter auch Text thematisiert, das Altern mit all seinen Befindlichkeiten, Ängsten und Potentialen innerhalb sozialer und mentaler Zusammenhänge, die immer noch vorherrschend an einer jugendlichen Ästhetik orientiert sind. Andererseits stellen die Protagonisten in dieser Kunstform gleichzeitig ihre eigenen, sehr wechselhaften Biographien dar, die auch jenseits der Tänzerlaufbahn höchst interessant verlaufen – sie tanzen sozusagen ihr Leben.

Tanz mit der Zeit widmet sich neben der Dokumentation dieses Projekts auch ausführlich den unterschiedlichen Lebenswegen der alten, aktiven Akteure, deren Bewegungen sich mit der Zeit zwar zweifellos verändert haben, nichtsdestotrotz aber nach wie vor von faszinierender Ausdruckskraft beseelt sind. Der Erfolg der Aufführung des Tanzstückes hat für das Quartett 2007 zu einem weiteren mit dem Titel „ZeitSprünge“ geführt, bei dem junge Profitänzer gemeinsam mit ihnen agieren und außergewöhnliche Begegnungen zwischen den Generationen durch die Interaktion junger und alter Körper authentisch repräsentiert werden. Auch die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex des Alters und Alterns findet als moderner Trend in mannigfaltigen Formen statt und erreicht ein weitaus heterogeneres und größeres Publikum, als die Inhalte zunächst vermuten lassen würden. Bereits 2000 inszenierte die wunderbare Wuppertaler Tanzmeisterin Pina Bausch ihr Stück „Kontakthof“ von 1978 mit Darstellern ab 65 Jahren neu, womit sich auch die Dokumentation Damen und Herren ab 65 von Lilo Mangelsdorff aus dem Jahre 2002 beschäftigt. Ist auch der Ansatz von Heike Hennig schon allein auf Grund der alterspezifischen Thematik ein ganz anderer als bei der Avantgardistin Pina Bausch, zeichnet sich doch innerhalb der immer noch hauptsächlich jugend- und perfektionsbetonten Domäne des professionellen Tanzes eine zunehmende Öffnung für das Wirken auch alter Künstler ab, und getragen vom starken Zuspruch des Publikums wird sich diese sicherlich noch um einiges ausweiten.

Tanz mit der Zeit

Der gewaltige demographische Wandel innerhalb unserer Gesellschaft bringt es mit sich, dass sich das Bild vom Altern sowie älteren und alten Menschen in diesen Zeiten grundlegend verändert.
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Meinungen

Heike Hennig & Co · 06.12.2009

103 Minuten Heike Hennig & Co auf ARTE! Erleben sie 82 Jahre lebendige Tanzgeschichte von Mary Wigman über Gret Palucca bis Heike Hennig. Am 12. Dezember 2009 gibt es den Dokumentarfilm TANZ MIT DER ZEIT des neuseeländischen Filmregisseurs Trevor Peters nach dem autobiographischen Tanztheater ZEIT TANZEN SEIT 1927 von Heike Hennig & Co mit Ursula, Christa, Siegfried und Horst in deutsch-französischer Erstausstrahlung auf ARTE zu sehen. Wir freuen uns auf Ihr Feedback www.heikehennig.de/Contact/contact.html

Heike Hennig & Co · 13.05.2008

Zur Hamburg-Premiere am 19. Mai 2008 im Abaton werden neben dem Regisseur Trevor Peters auch die Choreographin Heike Hennig und ihre Tänzer Ursula Cain, Christa Franze, Siegfried Prölß und Horst Dittmann anwesend sein.

· 09.05.2008

Hamburg-Premiere mit Heike Hennig und allen Tänzern?

tanz-scene.de · 28.04.2008

Hallo Rita, Sie können ihr Kino in Köln-Bonn ansprechen und auf TANZ MIT DER ZEIT aufmerksam machen. Dann kann der Kinobetreiber einen Filmkopie bei der Ventura Filmverleih bestellen und zeigen. Über unseren Newsletter informieren wir regelmäßig über Premieren und Termine von Heike Hennig & Co in Deutschland.

rita · 26.04.2008

Leider ist die Vorführung dieses Films Tanz mit der Zeit nicht im Köln-Bonner Raum geplant. Oder viel-leicht doch? Was könnte ich tun, um in den Genuss zu kommen?

Kinoliste · 21.04.2008

Mann kann leider nicht die ganze adresse eingeben. Einfach bis IM KINO durchklicken

Im Kino · 21.04.2008

Am Samstag war ich in Dresden und habe mir Heike Hennigs ZEITSPRÜNGE angesehen. Wahnsinn! Die Idee! Das Stück! Die Tänzer! Das Publikum! So etwas habe ich noch nicht erlebt. Leider sind zur Abschlussgala der Tanzwoche am Welttanztag nur noch einzelne Szenen zu sehen. Da werde ich wohl noch einmal ins Kino gehen.

julia · 11.04.2008

Schade, dass der Film in Berlin nur noch nachmittags läuft!!

tanzfreund · 11.04.2008

Heike Hennig & Co ist mit ZEITSPRÜNGE zur Eröffnung der 17. Internationalen Tanzwoche Dresden zu erleben. Es tanzen die GRANDE DAME Ursula Cain mit Christa Franze, Nina P. Hähnel, Sahra Haby, Christine Joy Ritter, Siegfried Prölß, Horst Dittmann, Michael Veit und Timo Draheim zu Musik von Mahler, Ammer & Conole u.v.a aufgelegt von DJ cfm. Die außergewöhnliche Produktion des Forum für Zeitgenössischen Tanz und Musik an der Oper Leipzig wurde in zahlreichen Festivals gezeigt. Der Dokumentarfilm TANZ MIT DER ZEIT ist deutschlandweit in den Kinos zu sehen.

Marie S. · 10.04.2008

ich bin begeistert, obwohl ich normalerweise mit sowas nix anfangen kann.

Familie Hövelborn · 07.04.2008

Meine beiden Enkel Jeremias(9) und Tobias(11) waren genauso begeistert wie ich selbst. Lustig und nachdenklich. gut gemacht!

René · 07.04.2008

Vier Menschen, die zu ihrem Alter stehen, schaffen mit Energie, Motivation und Freude unter der Leitung einer sehr klugen jungen Choreografin etwas Grandioses. Hut ab vor den fünf Akteuren, ebenso vor dem Regisseur und dem Filmteam, die zu einer Form gefunden haben, die gerade durch Zurückhaltung um so eindringlicher wirkt.

Anna Maria · 07.04.2008

Ein bewegender, ermutigender Film

kk · 07.04.2008

Ein beeindruckender Film, vor allem wegen seiner Protagonisten. Obwohl ich mich nicht für Tanz interessiere, hat mich ihre Präsenz und ihre Ausdrucksstärke berührt - ganz abgesehen davon, dass sie einem eine Idee davon geben, was alles möglich ist, selbst wenn man offiziell alt ist.

Natascha · 06.04.2008

Ja, da kann man nur applaudieren!!!

Marion · 04.04.2008

Einfach nur wunderbar! Überraschend komisch, an manchen Stellen und sehr bewegend an anderen. Keine Sekunde zu lang!

Sebastian und Gabriele · 03.04.2008

Obwohl wir ja sonst nicht so viel mit modernem Tanzen am Hut haben, hat uns dieser Film interessiert, weil es darin um mehr geht, als nur schöne Körperbewegungen. Zu sehen, wie die - nur nach Jahren - "Alten" ihr Alter im Griff haben, zu hören, was sie denken und erlebt haben, das ist wirklich toll. Wir wollen auch so sein können, wenn wir mal alt werden.

Werner · 25.03.2008

Grandiose Tanzleistungen, mit schier unglaublicher Eleganz und Grazie (ja!, Grazie!), die nicht nur das Gefühl großen Respekts erweckt, sondern gleichzeitig auch Mut und Hoffnung geben - für das zukünftig eigene Altern. --- Obendrein genau und unprätentiöse Kameraarbeit ohne Chi-Chi. Das ist soviele Lichtjahre entfernt vom Dummsumpf des normalen Kinos, dass es eine wahre Freude ist. Mehr davon!

Tanzfreund · 25.03.2008

Hier der richtige Link zum Forum für zeitgenössischen Tanz und Musik

Tanzfreund · 25.03.2008

Ja, dass kann ich nur bestätigen. Der Trailer von der Podiumsdiskussion zur Buchvorstellung zeigt, wie sich künstlerische Auffassungen im Arbeitsprozess mit dem Menschen als Künstler verändern und sich so das Bild vom Alter verändert. "Nichts an ihnen ist alt außer ihr Alter"