Tales of Halloween

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Halloween, je t'aime

Spätestens seitdem John Carpenter in seinem Low-Budget-Werk Halloween (1978) den maskierten Killer Michael Myers in der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November in die US-Vorstadt Haddonfield schickte, um dort unbekümmerte Teenager zu bedrohen, ist das Halloween-Setting eng mit dem Horrorfilm-Genre verwoben. Die kinematografische Anthologie Tales of Halloween erzählt nun zehn Geschichten, die sich allesamt im Umkreis einer Suburb in der titelgebenden Herbstnacht ereignen. Die Genre-erfahrene Schauspielerin Adrienne Barbeau (The Fog, 1980) führt als Radiomoderatorin kommentierend durch das Geschehen.
Nach einer liebevoll gestalteten Credit-Sequenz – animiert von Ashley Thorpe und unterlegt mit einem Musikstück des argentinischen Komponisten Lalo Schifrin (Kobra, übernehmen Sie, Bullitt) – befasst sich die erste Episode „Sweet Tooth“ von Dave Parker mit einer düsteren Legende über einen Dämon, den es nach Süßigkeiten gelüstet und der zu äußerst drastischen Mitteln greift, wenn man es wagt, sich sämtliches Naschwerk allein einzuverleiben. Mit „The Night Billy Raised Hell“, inszeniert von Darren Lynn Bousman (Saw 2 bis 4), und „Trick“ von Adam Gierasch folgen zwei weitere Segmente, die von einer Lektion erzählen: In ersterem verpasst ein einsiedlerischer Herr (Barry Bostwick) einem kleinen Jungen mit Teufelsmaske einen Denkzettel im Großformat; in letzterem wird zwei Twen-Paaren von einer rabiaten Kindergruppe eine blutige Lehrstunde erteilt. Während „Sweet Tooth“ und „The Night Billy Raised Hell“ eher schwarzhumorig daherkommen, entwickelt sich der Beitrag von Gierasch in seiner kurzen Laufzeit zu einem Home-Invasion-Thriller mit bitterer Pointe.

Zu den visuellen Höhepunkten der Short-Movie-Anthologie zählt Paul Solets „The Weak and the Wicked“: eine aparte Mischung aus urbanem Western, Coming-of-Age-Drama und Horror. Ein vermummter junger Mann, verkörpert von Keir Gilchrist (den viele Zuschauer_innen aus David Robert Mitchells It Follows kennen und mögen dürften), stellt sich darin einer juvenilen Straßengang entgegen. Die aggressive Drei-Personen-Clique (angeführt von Grace Phipps aus dem Teen Beach Movie!) drangsaliert den hageren Jugendlichen – bis dieser plötzlich übernatürliche Unterstützung erhält. Von der ersten Einstellung bis zum expressiven Schlussbild ist diese Episode total punk! Ähnliches gilt für „Ding Dong“ von Lucky McKee (All Cheerleaders Die), in welchem Motive aus Hänsel und Gretel sowie der Lyman-Frank-Baum-Adaption Der Zauberer von Oz (1939) genutzt werden, um den Stoff eines Beziehungs-Melodrams zu verhandeln. Hier wird geweint, geschrien, geschlagen und gebacken; als psychisch labile Frau, die sich in besonders kritischen Momenten in eine rotgesichtige Hexe verwandelt, liefert die wunderbar herbe Pollyanna McIntosh (Love Eternal) eine hochtourige Performance, die perfekt zu McKees filmischer Handschrift passt. Zwischen „The Weak and the Wicked“ und „Ding Dong“ präsentiert Axelle Carolyn noch das kleine Schauerstück „Grimm Grinning Ghost“, das mit einer Geistergeschichte auf einer Halloween-Feier beginnt – vorgetragen von der Gastgeberin (die sinnigerweise von dem Insidious-Medium Lin Shaye gespielt wird). Deren Tochter (Alex Essoe, Starry Eyes) hat auf der Heimfahrt eine Autopanne – und zudem das ungute Gefühl, verfolgt und belauert zu werden. Carolyn erzeugt in ihrem Beitrag eine schöne, Gänsehaut verursachende Atmosphäre.

Die übrigen vier Segmente tendieren stärker in Richtung Comedy. So mutet „This Means War“ von Andrew Kasch und John Mason Skipp wie eine (passable) Variation von Bad Neighbors an – wobei der Nachbarschaftswettstreit zwischen einem Spießer und einem Metalhead ausgetragen wird. Origineller ist die Konfrontation, zu der es in „Friday the 31st“ von Mike Mendez kommt: Auf ein klischeehaftes Slasher-Movie-Set-up – eine junge Frau flieht vor einem Jason-Voorhees-artigen Psycho durch den finsteren Forst – folgt alsbald der völlig überdrehte Splatter-Exzess, verursacht durch ein kleines Stop-Motion-Alien, das unerwartet von einem UFO abgesetzt wird. Weniger blutig, aber ebenfalls dynamisch-chaotisch geht es in Ryan Schifrins „The Ransom of Rusty Rex“ zu. Die kriminellen Protagonisten (Sam Witwer und Jose Pablo Cantillo) müssen darin erkennen, dass das von ihnen entführte „Kind“ eines reichen Bürgers (verkörpert von Regie-Meister John Landis) eine ungemein garstige Kreatur ist. Den gelungenen Abschluss bildet „Bad Seed“ von Neil Marshall (Centurion), in welchem eine Polizistin (Kristina Klebe) die Stadt vor den Angriffen eines Killerkürbisses (!) retten muss.

Im Ganzen erweist sich Tales of Halloween als unterhaltsames Horror-Potpourri mit schwarzem Humor und skurril-fiesen Ideen. Nicht zuletzt wird die Anthologie der kurzen Indie-Grusler alle Genre-Fans mit den zahlreichen Cameos erfreuen, die von Barbara Crampton und Stuart Gordon (Re-Animator) bis zu Mick Garris (Critters 2) und Joe Dante (Gremlins) reichen.

Tales of Halloween

Spätestens seitdem John Carpenter in seinem Low-Budget-Werk „Halloween“ (1978) den maskierten Killer Michael Myers in der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November in die US-Vorstadt Haddonfield schickte, um dort unbekümmerte Teenager zu bedrohen, ist das Halloween-Setting eng mit dem Horrorfilm-Genre verwoben. Die kinematografische Anthologie „Tales of Halloween“ erzählt nun zehn Geschichten, die sich allesamt im Umkreis einer Suburb in der titelgebenden Herbstnacht ereignen.
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