Szenen einer Ehe (1973)

Eine Filmkritik von Marie Anderson

Porträt eines porösen Paares

Als attraktiv und erfolgreich, kultiviert und sportlich, dabei freundlich, als guter Familienvater und ebensolcher Liebhaber beschreibt sich Johan (Erland Josephson) im Rahmen eines Interviews, während seine Gattin Marianne (Liv Ullmann) sich zunächst vorrangig als Ehefrau und Mutter definiert. Die beiden präsentieren sich nach 12jähriger Ehe einer Journalistin als perfektes Paar, und auch im Freundes- und Familienkreis gelten Marianne und Johan mit ihren beiden Töchtern als stabile, vorbildliche Lebensgemeinschaft. Anlässlich eines Abendessens mit dem befreundeten Paar Katarina (Bibi Andersson) und Peter (Jan Malmsjö) eskalieren dessen tief greifende Schwierigkeiten mit Marianne und Johan als peinlich berührtes Publikum, und während sich Marianne – selbst auf Scheidungen spezialisierte Anwältin – hier noch glücklich in ihrer eigenen Beziehung wähnt, beichtet ihr Johan bald darauf, dass er die Familie verlassen und mit seiner jüngeren Geliebten nach Paris ziehen wird. Auf diese Weise geschickt und vielschichtig vorbereitet beginnt die dichte Geschichte einer Trennung, deren dialogfreudige Intensität einen gleichermaßen präzisen wie von pessimistischer Schwermut geprägten Blick auf die Abgründe einer scheinbar harmonischen Beziehung wirft.

Im Zuge der Darstellung der unterschiedlichen Phasen dieser Trennung rückt der puristische Fokus von Ingmar Bergman (1918-2007), der selbst in seinem Leben fünf Mal geheiratet hat, zunehmend auf die Perspektive von Marianne, für deren treffliche Verkörperung die schwedische Schauspielerin Liv Ullmann – von 1965 bis 1970 die Lebensgefährtin des Regisseurs – mehrfach ausgezeichnet wurde. Hier kämpft eine verlassene Frau zunächst allein mit ihren widerstreitenden Emotionen, die sie später bei der Rückkehr des von der neuen Liebe enttäuschten Johan aus Paris noch kräftig an ihm wetzen kann. Dass sich mit der Auflösung des Zusammenlebens die Beziehung noch längst nicht erschöpft hat, zeigen die weiteren Begegnungen von Marianne und Johan, deren fernen Verlauf Ingmar Bergman nach Szenen einer Ehe von 1973 mit Sarabande / Saraband aus dem Jahre 2003 – sein letzter Film – fortgesetzt hat.

Ursprünglich hat Ingmar Bergman dieses längst zum Klassiker avancierte Porträt eines porösen Paares als sechsteilige Serie für das schwedische Fernsehen konzipiert, woraus im Nachhinein die stark gekürzte Kinofassung entstanden ist. Bei Zeiten mutet Szenen einer Ehe wie ein dokumentarisch geprägtes Lehrstück an, das Mariannes Befreiung aus der permanenten Bedrückung einer durch ihre Aufopferung erhaltenen Familie fokussiert. Darüber hinaus spekuliert Ingmar Bergman, der auch das Drehbuch zum Film verfasste, über die Möglichkeiten von Marianne und Johan, auch jenseits der gescheiterten bürgerlichen Ehe ihre Beziehung auch mit erotischer Komponente zu erhalten, was letztlich sogar auf vage Weise gelingt.

Kaum Raum und Berücksichtigung erfahren die Töchter des Paares, was die unbehagliche Botschaft nahe legt, dass sie eben mit den Gegebenheiten zurecht kommen müssen – mit Mariannes Verzweiflungen ebenso wie mit Johans Abwesenheit und an Gleichgültigkeit grenzender Unzuverlässigkeit. Doch Szenen einer Ehe konzentriert sich deutlich auf die Empfindungen und Interaktionen der beiden Hauptfiguren, deren Umfeld zunehmend verblasst. Dass dieser Stoff geradezu prädestiniert ist für die Theaterbühne, zeigen zahlreiche erfolgreiche Inszenierungen der letzten vierzig Jahre. Am 14. Juni 2012 feiert das Stück unter der Regie von Joe Knipp mit Aurélie Thépaut und Richard Hucke als Marianne und Johan vor dem Bühnenbild von Hannelore Honnen im Kölner Theater am Sachsenring Premiere und wird in diesem Rahmen mit seiner brisanten Aktualität erneut zum Leben erweckt.
 

Szenen einer Ehe (1973)

Als attraktiv und erfolgreich, kultiviert und sportlich, dabei freundlich, als guter Familienvater und ebensolcher Liebhaber beschreibt sich Johan (Erland Josephson) im Rahmen eines Interviews, während seine Gattin Marianne (Liv Ullmann) sich zunächst vorrangig als Ehefrau und Mutter definiert.

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