Symbol

Eine Filmkritik von Joachim Kurz

Eine Studie in Weirdness

Eines sei gleich mal vorweg gesagt respektive geschrieben: Wer konventionelles Kino mit klaren, straight erzählten Geschichten und eindeutigen Botschaften mag, der sollte diesen Film tunlichst meiden. Denn obwohl Hitoshi Matsumoto sich bei verschiedensten anderen Werken bedient, ist sein Film Symbol so ziemlich das Abgefahrenste und Verwirrendste, was derzeit neu auf DVD erschienen ist. Und der Titel ist die wohl charmanteste Untertreibung der letzten Zeit. Denn hier gibt es nicht nur ein Symbol, sondern Tausende – und keines dieser Zeichen schert sich auch nur im Geringsten darum, für was es eigentlich steht.
In gewisser Weise ist die Situation des Zuschauers durchaus vergleichbar mit jener des Mannes im quietschgelben und mit neonbunten Punkten übersäten Pyjama, der zu Beginn des Films in einem strahlendweißen und völlig leeren Raum erwacht und keinerlei Ahnung hat, wie er hier gelandet ist. Desorientiert und verwirrt hat er eine Engelserscheinung – nein, eigentlich sind es Tausende Gips-Putten, die plötzlich vor seinem Auge schweben und die sich dann in die Wände des Raumes zurückziehen, so dass nur noch ihre kleinen Gips-Schniedel aus der Wand hervorragen. Der Clou dieses Phänomens: Sobald man auf einen dieser Knöpfe drückt, öffnet sich eine vorher (und danach) nicht sichtbare Klappe in der Wand und ein Gegenstand fällt in den Raum. Manches von dem Plunder ist für den Gefangenen völlig nutzlos (ein Bonsai beispielsweise), anderes, wie Essen, hingegen überlebenswichtig. Erst mit der Zeit dämmert dem Mann, dass vielleicht doch ein System, eine geheime Ordnung der Dinge hinter den scheinbar willkürlich plumpsenden Utensilien stecken könnte – und dass das richtige System ihm das Entkommen aus dem Gefängnis ermöglichen könnte.

Parallel dazu gibt es noch eine zweite Geschichte, zu der Symbol immer wieder zurückkehrt. Sie spielt in Mexiko und erzählt von dem Schuljungen Antonio (Carlos C. Torres) und seinem Vater, dem „Escargot Man“, der als Lucha Libre-Kämpfer (eine mexikanische Entsprechung des Wrestling) mehr schlecht als recht sein Geld verdient. Wobei die Misere mit Sicherheit auch daran liegt, dass der „Escargot Man“ mit Bierplauze und schlechter Laune nicht gerade den motiviertesten Eindruck macht, worunter auch sein Sohn in der Schule zu leiden hat. Dann aber steht dem Kämpfer ein großer Kampf bevor und unterstützt von seinem Sohn, seiner hektischen Tochter, die eine eher unkonventionelle (falsche) Nonne ist und seinem Vater zieht der Wrestler in die Schlacht…

Es gibt Momente in diesem Film, da fragt man sich durchaus, warum man sich das eigentlich antut. Und es gibt andere – und gottlob sind die in der Überzahl – da vergisst man genau diese Frage und erfreut sich einfach an den versammelten Absurditäten, die wie eine grobe Persiflage auf Cube, Alejandro González Inárritus Babel und andere verschränkte Episodenfilme sowie auf Being John Malkovich und diverse andere Referenzwerke wirken. Trotz der bekannten Versatzstücke entwickelt Symbol aber seinen ganz eigenen Zauber und versteht es gerade durch seine unkonventionelle Erzählweise, sein permanentes Unterlaufen der Erwartungen des Zuschauer und durch sein ebenso überraschendes wie berückendes Ende, schlussendlich doch zu überzeugen und aufs Frechste und Verrückteste zu unterhalten. Selten sind Science-Fiction, groteske Komödie und philosophisches „think piece“ eine so schöne Allianz miteinander eingegangen als bei diesem Film.

Mit Symbol ist dem Regisseur Hitoshi Matsumoto, der in seinem Film auch gleich die Hauptrolle des Gefangenen übernahm, nach Der große Japaner / Dainipponjin (2007) ein zweiter Geniestreich gelungen, an dem man seine helle Freude und so manche harte Nuss zu knacken hat. Vorausgesetzt, man kann mit dem manchmal etwas derben und dann wieder infantilen japanischen Humor etwas anfangen. Auf der nach oben offenen Weirdness-Skala nimmt dieser Film jedenfalls neben Quentin Dupieux‘ Rubber einen der Spitzenplätze ein.

Symbol

Eines sei gleich mal vorweg gesagt respektive geschrieben: Wer konventionelles Kino mit klaren, straight erzählten Geschichten und eindeutigen Botschaften mag, der sollte diesen Film tunlichst meiden. Denn obwohl Hitoshi Matsumoto sich bei verschiedensten anderen Werken bedient, ist sein Film „Symbol“ so ziemlich das Abgefahrenste und Verwirrendste, was derzeit neu auf DVD erschienen ist.
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