Sweet Home

Eine Filmkritik von Christopher Diekhaus

Opfer der Gentrifizierung

Der Titel beschwört es. Und der DVD-Klappentext nennt das Subgenre des Home-Invasion-Films konkret beim Namen. Gleichwohl ist die erste abendfüllende Regiearbeit des Spaniers Rafa Martínez keine lupenreine Vertreterin der genannten Thriller-Ausprägung. Eindringlinge spielen in der knackigen, 78-minütigen Laufzeit zwar eine entscheidende Rolle — doch müssen die Protagonisten ihnen nicht, wie üblich, in den eigenen vier Wänden entgegentreten, sondern in einem fast leer stehenden Mietshaus, das sie unerlaubterweise für ein Geburtstagsdinner samt Schäferstündchen nutzen. Dumm nur, dass die Immobilienhaie in Sweet Home ihre Gentrifizierungsprojekte mit höchst brachialen Methoden vorantreiben und keine Hindernisse dulden.
Die Idee zur eigenwilligen Liebesparty kommt der jungen Architektin Alicia (Ingrid García Jonsson), als sie im Auftrag der Stadt ein abbruchreifes Gebäude in Augenschein nimmt und Ramón (José María Blanco), dem letzten verbliebenden Mieter, versichert, dass man ihn nicht zum Auszug zwingen könne. Wenige Stunden später – draußen ist es nun duster und verregnet – führt sie ihren Freund Simon (Bruno Sevilla), das glückliche Geburtstagskind, in eine der verwaisten Wohnungen, die nun im Kerzenschein erstrahlt. Was harmonisch und knisternd beginnt, entpuppt sich allerdings als waschechter Horrorausflug, denn plötzlich entdeckt Alicia drei Maskierte und noch dazu die Leiche Ramóns. Fortan kämpft das junge Pärchen ums nackte Überleben und sucht verzweifelt nach einem Weg aus dem inzwischen abgeriegelten Mietshaus. Als sich die Lage weiter zuspitzt, rückt der sogenannte „Liquidator“ (Oriol Tarrida Homedes) an, mit dem nun wirklich nicht zu spaßen ist.

Zwei Menschen eingesperrt in einem heruntergekommenen Gebäude und in ärgster Bedrängnis – der Plot alleine dürfte Genrefans kein allzu großes Leuchten in die Augen zaubern. Dafür bemühen Rafa Martínez und seine Ko-Autoren Ángel Agudo und Teresa de Rosendo zu viele sattsam bekannte Muster, die man in anderen Filmen schon ausgefeilter gesehen hat. Atmosphärisch hingegen macht Sweet Home, zumindest eine Zeitlang, einiges her. Stilsicher und angemessen beunruhigend fällt bereits der Prolog aus, der das grausame Wirken des „Liquidators“ illustriert und sich vor der vielzitierten Duschszene aus Psycho verneigt. Der Debütregisseur kennt seine Vorbilder und kann Spannung geschickt aufbauen – das ist in den ersten Szenen nicht zu übersehen.

Nach einer prägnanten Einführung der Hauptfiguren, die gerade so genug Sympathien weckt, um später mit Alicia und Simon mitfiebern zu können, wirft der Film den Terror-Motor an und lässt das Grauen über das Liebespaar hereinbrechen. Das marode und verwinkelte Haus sowie die bräunlich-gelbe Farbgebung – laut Martínez ist sie an den 1970er-Jahre-Klassiker The Texas Chainsaw Massacre angelehnt – rufen ein Gefühl der Beklemmung hervor. Die Protagonisten sitzen in der Falle, haben es zunächst jedoch mit eher dämlichen Widersachern zu tun – was die Bedrohung ein wenig abschwächt. Richtig unangenehm wird es erst, wenn der schweigsam-gesichtslose „Liquidator“ die Bühne betritt, um sein blutiges Werk zu verrichten. In bester spanischer Horrortradition setzt Martínez einige deftige Splatter-Akzente, wobei er sich an mindestens einer Stelle zu einer übertriebenen Geste hinreißen lässt. Dann nämlich, als ein abgetrennter Kopf mit einem Hammer zertrümmert wird.

Neben den wenig zimperlichen Gewalteruptionen stechen vor allem die visuellen und inszenatorischen Spielereien hervor. Wird die Kamera anfangs eher bedächtig geführt, taucht sie mit Beginn des Katz-und-Maus-Spiels regelrecht in die panische Hatz ein. Verfolgungsjagden, Rangeleien und ein lebensgefährlicher Sturz durchs Treppenhaus werden teilweise aus subjektiven Perspektiven gefilmt, und der Zuschauer kann so den verzweifelten Überlebenskampf direkt und unverstellt miterleben. Eine Strategie, die ihre Wirkung nicht verfehlt.

Wie viele andere Horrorfilme auch, wartet Sweet Home mit einigen logischen Brüchen und fragwürdigen Figurenentscheidungen auf. Erfreulich ist allerdings, dass sie dank der halbwegs funktionierenden Spannungsdramaturgie zunächst nicht überdeutlich ins Auge springen. Alicia erweist sich als taffe Pragmatikerin und wirkt in der einnehmenden Darstellung von Ingrid García Jonsson so lange glaubwürdig, bis sich die Protagonistin plötzlich hirnrissigen Genregesetzmäßigkeiten beugen muss. Parallel übertreibt es Martínez dann auch mit der Langsamkeit, die der „Liquidator“ auf einmal bei der Verfolgung seiner Beute an den Tag legt. Zeitlupenbilder des herannahenden Schlächters nutzen sich ab, und die Spannung lässt zusehends nach, auch wenn der Showdown im verwinkelten Kellersystem noch einmal atmosphärische Reize setzen kann. Ein gutes Stück seiner Ausdruckskraft verliert der kleine Schocker auch dadurch, dass das Drehbuch eine zweite finale Konfrontation heraufbeschwört, die leider auf ärgerliche Klischees zurückgreift. Warum nur, fragt man sich, müssen in fast jedem Horrorfilm irgendwann die optischen Reize der wehrhaften Heldin plump und unmotiviert ins Bild gezerrt werden?

Sweet Home

Der Titel beschwört es. Und der DVD-Klappentext nennt das Subgenre des Home-Invasion-Films konkret beim Namen. Gleichwohl ist die erste abendfüllende Regiearbeit des Spaniers Rafa Martínez keine lupenreine Vertreterin der genannten Thriller-Ausprägung.
  • Trailer
  • Bilder

Meinungen