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Till Cöster widmet sich in seinem Dokumentarfilm „Super Friede Liebe Love“ den Bewohnern eines Männerwohnheims – und gibt diesen dadurch eine Stimme.

Super Friede Liebe Love (2019)

Eine Filmkritik von Andreas Köhnemann

Den Ungehörten zuhören

„Super Friede Liebe Love“ – eine wilde Assoziationskette des Wohltuenden, Beruhigenden, Zärtlichen. Es sind Worte, die ein Bewohner in einem Münchner Männerwohnheim immer wieder vor sich hersagt und die er – neben anderen Mantras – mit Filzstift auf Plakate und Zimmerwände oder mit Kreide auf den Boden im Hof schreibt. Und zugleich ist es der treffende Titel des Dokumentarfilms, mit dem der 1982 in Hamburg geborene Till Cöster seinen Abschluss an der Hochschule für Fernsehen und Film München gemacht hat. Was als Auftragsarbeit in Form eines kurzen Porträts über das Haus an der Kyreinstraße begann, wurde zu einer langen, geduldigen Beobachtung.

Bemerkenswert ist dabei zunächst die Vorgehensweise des Regisseurs, dem die Balance zwischen Nähe und Distanz perfekt gelingt. Weder verfällt Cöster in den Voyeurismus, ins Ausstellen der Lebensumstände und des Verhaltens der Männer, die in der Unterkunft wohnen. Noch baut er so viel Abstand auf, um eine Einfühlung gänzlich zu verhindern. Cöster und sein Kameramann Franz Kastner sind da; sie schauen und hören zu. Es wirkt nicht so, als warteten sie auf Momente der Absurdität, der Tragik oder gar des Skandals. Vielmehr geben sie den Bewohnern den nötigen (Frei-)Raum um einfach zu sprechen.

Und dies führt direkt zum nächsten Punkt, der das Gezeigte so erstaunlich macht: der radikalen Ehrlichkeit der Sprechenden. Niemand versucht hier etwas zu beschönigen, zu verharmlosen. Und niemand sucht hier die Schuld bei „den anderen“. Stattdessen setzen sich die Heimbewohner derart selbstkritisch mit ihrer Vergangenheit und ihrer Gegenwart auseinander, wie es vermutlich nur die wenigsten von uns jemals könnten. Wenn etwa ein Mann erzählt, wie er durch Alkoholkonsum und durch die Angst vor der Konfrontation mit Unannehmlichkeiten in eine Abwärtsspirale geriet und dadurch alles verlor, ist das in dieser unverstellten Schilderung wesentlich nachvollziehbarer als in vielen fiktionalen Werken, die mit Zuspitzungen das große Drama ansteuern. „Bloß keine Schwierigkeiten, sich ja nicht irgendwelchen Problemen stellen“ – mit dieser Einstellung habe er alles von sich fernhalten wollen, bis es dann zu spät gewesen sei, um noch eine Lösung zu finden. Natürlich kennt man das als Zuschauer_in aus der eigenen Welt – man hat(te) vielleicht einfach nur mehr Glück.

Die Aufnahmen von Super Friede Liebe Love lassen ein Gespür für Stil erkennen – zum Beispiel wenn ein sammelwütiger Bewohner inmitten all der Sachen sitzt, die er angehäuft hat. Schon zweimal sei sein Zimmer komplett geräumt worden – alles sei weg gewesen und er habe ganz von vorn beginnen müssen, um seiner Arbeit nachzugehen. Doch auch in solchen Passagen mutet nichts drapiert und künstlich an. Der Blick von Cöster und Kastner ist konzentriert und zurückhaltend. Der Film macht (überwiegend ältere) Menschen sicht- und hörbar, die keinen festen Wohnsitz haben; er fängt ein, wie sie sich selbst verpflegen und einander zu unterstützen versuchen, wie sie allein oder in der Gruppe die Zeit verstreichen lassen und wie sie sich bemühen, sich zu beschäftigen. Er habe hier wenig zu tun, meint ein Bewohner an einer Stelle. Und dennoch hat dieses Werk viel zu erzählen.

Super Friede Liebe Love (2019)

In seinem Dokumentarfilm begleitet der Regisseur Till Cöster eine Gruppe von Männern, die eine Bleibe in einem Münchner Männerwohnheim gefunden haben, nachdem sie zuvor gestrauchelt und teilweise lange obdachlos waren.

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